MVZ mit elf Arztpraxen insolvent: Patienten und Ärzte in OWL in Sorge

Warendorf/Gütersloh. Die Insolvenz des Josephs-Hospitals in Warendorf zieht Kreise bis nach Ostwestfalen-Lippe, weil auch die Tochtergesellschaft &bdquo;Jo Med MVZ“ zahlungsunfähig ist. Das medizinische Versorgungszentrum betreibt elf Arztpraxen, davon fünf im Kreis Gütersloh. Aktuell läuft der Betrieb der Praxen weiter, doch Patienten und Ärzte sorgen sich um die Versorgungssicherheit. Der Fall zeigt zudem, dass der Trend zu medizinischen Versorgungszentren Gefahren birgt.

Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ, sind Einrichtungen zur ambulanten medizinischen Versorgung. In Westfalen-Lippe gibt es nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) inzwischen 413 MVZ und damit fast 20 Prozent mehr als noch 2022. Eine Entwicklung, die sich in ganz Deutschland beobachten lässt. Bundesweit zählt die Kassenärztliche Bundesvereinigung knapp 5.000 MVZ. Die Gründe dafür sind vielfältig. Als Hauptgründe sieht das Bundesgesundheitsministerium das steigende Interesse von Ärzten an einer Tätigkeit in Anstellung und die vermehrten Übernahmen von Arztpraxen durch private Investoren, die Praxen als lukrative Anlagemöglichkeit kaufen und in MVZ bündeln.

Das &bdquo;Jo Med MVZ“ in Warendorf ist eine 100-prozentige Tochter der Stiftung Josephs-Hospital Warendorf und betreibt elf Arztpraxen der Fachbereiche Gynäkologie, Kardiologie, Chirurgie, Allgemeinmedizin, Orthopädie, Diabetologie, Osteopathie, Ernährungsberatung und Schmerztherapie in Gütersloh, Versmold, Harsewinkel, Rheda-Wiedenbrück, Warendorf, Drensteinfurt, Oelde, Neubeckum und Münster.

Insolvenz des Krankenhauses führt zur Insolvenz des MVZ Grund für die Schieflage des MVZ ist nach Angaben von Geschäftsführer Dietmar Herberhold die Insolvenz des Josephs-Hospitals Warendorf, das das MVZ bislang finanziell unterstützt hat. &bdquo;Aufgrund des Insolvenzverfahrens kann die Stiftung diese Unterstützung nicht mehr leisten“, erklärt Herberhold, der in die Geschäftsführung des MVZ berufen wurde, um den Sanierungsprozess mitzubegleiten.

Die finanzielle Unterstützung durch die Klinik sei nötig gewesen, weil es durch die Expansion des MVZ in den Jahren 2022 bis 2024 trotz einer Verdopplung des Umsatzes zu moderaten Verlusten gekommen sei, sagt Herberhold. Mit dem Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung plane das MVZ nun eine Neuausrichtung. &bdquo;Ziel ist es, die Zukunftsfähigkeit des MVZ zu sichern und eine nachhaltige Lösung für Patienten, Mitarbeiter und Partner zu finden.“ Der Betrieb aller Praxen werde durch das Verfahren nicht beeinträchtigt und laufe uneingeschränkt weiter. &bdquo;Wir können und werden an allen Standorten die medizinische Versorgung ohne Ausnahmen aufrechterhalten.“

Patienten auf dem Land sorgen sich vor Praxisschließungen Bei den 100 Mitarbeitern des MVZ und auch bei den Patienten sorgt die Insolvenz jedoch für starke Verunsicherung. &bdquo;Auf dem Land ist es sehr schwer, überhaupt einen Hausarzt oder einen Gynäkologen zu finden. Nun besteht in dieser sowieso schon schlechten Versorgungslage die Gefahr weiterer Praxisschließungen. Das macht mir und meinem gesamten Umfeld große Sorgen“, erklärt eine Patientin, die in zwei Praxen des MVZ in Harsewinkel und Versmold in Behandlung ist. &bdquo;Aufgrund chronischer Erkrankungen bin ich auf eine regelmäßige Versorgung angewiesen, doch andere Praxen lehnen Neupatienten ab, deshalb bin ich auf das MVZ angewiesen.“

Für die Ärztekammer Westfalen-Lippe zeigt die Insolvenz des &bdquo;Jo Med MVZ“, dass der Trend zu MVZ die Versorgungssicherheit gefährden kann. &bdquo;Kommt es zu einer Insolvenz wie in Warendorf, betrifft das nicht nur eine Praxis und ihre Mitarbeiter und Patienten, sondern alle Standorte“, erklärt Sybille Elies-Kramme, die sich im Vorstand der Ärztekammer engagiert. Durch die stetig steigende Zahl an MVZ gebe es inzwischen Regionen, in denen Bürger keine Alternativen mehr hätten, sagt die Bielefelder HNO-Ärztin. &bdquo;Dadurch besteht eine akute Gefahr für die Versorgungssicherheit und die freie Arztwahl.“

Ärztin kritisiert: &bdquo;Im Fokus im MVZ steht nicht das Patientenwohl“ Gefährdet sieht Elies-Kramme auch die Versorgungsqualität. &bdquo;Im Fokus im MVZ steht nicht das Patientenwohl, sondern der Profit. Private Investoren kaufen Arztpraxen als Renditeobjekte, weil sich im Gesundheitssystem gut und vor allem sicher Geld verdienen lässt, weil es jedes Quartal von den Krankenkassen ausgezahlt wird.“ Der ökonomische Druck der Investoren werde auf die Ärzte übertragen, moniert Elies-Kramme. &bdquo;Dabei kommt es immer wieder zu Knebelverträgen für Ärzte.“

Doch warum entscheiden sich immer mehr Ärzte für MVZ? &bdquo;Das Interesse junger Ärzte an der Selbstständigkeit sinkt. Zum einen, weil die überbordende Bürokratie abschreckt und viel investiert werden muss. Zum anderen, weil die Work-Life-Balance immer wichtiger wird und viele Ärzte, vor allem Frauen, in Teilzeit arbeiten möchten. Der Wille zur Selbstaufopferung mit einer 70-Stunden-Woche ist verständlicherweise nicht mehr da“, erklärt Elies-Kramme. Trotzdem rät die Ärztin jungen Kollegen dazu, eine Anstellung in einem MVZ gut zu prüfen. &bdquo;Der Druck ist in vielen Einrichtungen enorm.“

Auch Kommunen gründen MVZ, um Versorgung zu sichern Auch die Bundesärztekammer kritisiert den zunehmenden Ankauf von Arztpraxen durch fachfremde Investoren. &bdquo;Finanzinvestoren wie Private-Equity-Gesellschaften nutzen MVZ als attraktive Kapitalanlage. Wenn es zu einer Fokussierung auf besonders lukrative Leistungen oder zu regionalen Monopol- und Oligopolbildungen kommt, bringt das Risiken für die Patienten mit sich“, erklärt Präsident Klaus Reinhardt. Die KVWL warnt zudem vor einem Wegbrechen von Leistungen, wenn MVZ im Krankenhauswettbewerb für die Sicherung der Bettenbelegung eingerichtet werden und das Leistungsangebot darauf eingeengt wird, dieses Ziel zu erfüllen.

Grundsätzlich sehen die Bundesärztekammer und die KVWL MVZ jedoch als sinnvolle Ergänzung der Versorgungslandschaft, die ihren festen Platz in der Gesundheitsversorgung haben. Reinhardt fordert deshalb einen differenzierten Umgang mit MVZ, die in immer mehr Regionen zur Sicherstellung der Versorgung auch von Kommunen betrieben werden. So wie das MVZ Marienmünster im Kreis Höxter. Die Stadt Marienmünster hat das MVZ gegründet und Ärzte angestellt, um die hausärztliche Versorgung zu sichern.

Ärztekammer kämpft für weniger Einfluss von Finanzinvestoren Die Bundesärztekammer setzt sich deshalb für eine Neujustierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für MVZ ein. &bdquo;Wir wollen die Gründung von MVZ durch fachfremde Finanzinvestoren begrenzen, die Einflussnahme Dritter auf ärztliche Entscheidungen unterbinden und eine transparente Kennzeichnung der Inhaberschaft von MVZ einführen“, erklärt Reinhardt. &bdquo;Letztlich geht es auch darum, die aus Solidarbeiträgen aufgebrachten Mittel für die Patientenversorgung wirksam vor einem Abfluss in internationale Finanzmärkte zu schützen.”

Um zu verhindern, dass immer mehr Ärzte in MVZ arbeiten, fordert Elies-Kramme zudem Bürokratieabbau in Arztpraxen, den Aufbau von Medizin-Studienplätzen und Verbesserungen in der Kinderbetreuung. &bdquo;Wir brauchen insgesamt mehr Ärzte, weil die Arbeit zunimmt. Ebenso wichtig ist jedoch eine verlässliche Kinderbetreuung, wenn wir wollen, dass Ärzte Vollzeit arbeiten.“

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