Kreis Lippe/Berlin. Paukenschlag in Berlin: Erstmals ist mit Friedrich Merz (CDU) ein Kandidat bei der Bundeskanzlerwahl im ersten Anlauf gescheitert. Sechs Stimmen fehlten dem Sauerländer am Vormittag. Nachmittags, im zweiten Wahlgang, erreichte er dann die notwendige Mehrheit. Was sagen lippische Abgeordneten zu diesem historisch einmaligen Vorgang? Die Erleichterung in Koalitionskreisen war zu sehen, die Gratulationen herzlich, als Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis des zweiten Wahlgangs verkündete. 325 Mal Ja, 289 Mal nein, eine Enthaltung und drei ungültige Stimmen: Damit war für Friedrich Merz der Weg ins Kanzleramt frei. Dass dieser allerdings so holprig wird, damit war vorher nicht zu rechnen. Christian Haase (CDU): Tag war anders geplant Eine böse Überraschung war der Morgen auch für die lippischen CDU-Abgeordneten: „Der Tag war in der Tat anders geplant“, kommentierte Christian Haase (Wahlkreis 135, Höxter - Gütersloh III - Lippe II) recht schmallippig das erschütternde Ergebnis seines Unionskollegen Merz vom Vormittag. Viel mehr fiel ihm kurz nach dem ersten Wahlgang nicht ein: „Für Spekulationen ist es zu früh - ich möchte mich dazu nicht weiter äußern“, sagte Haase mittags gegenüber der LZ. Nach dem erfolgreichen zweiten Wahlgang dann die spürbare Erleichterung: „Herzlichen Glückwunsch an unseren neuen Bundeskanzler Friedrich Merz. Wir haben jetzt eine stabile und handlungsfähige Regierung, die die Wirtschaft wieder in Schwung bringen wird und für Verlässlichkeit und Sicherheit sorgt“, sendet Haase sein Statement aus Berlin. Kerstin Vieregge (CDU): Das war von einigen ein Warnschuss Seine christdemokratische Kollegin Kerstin Vieregge (Wahlkreis 134, Lippe 1, unter anderem mit Detmold, Lemgo und Bad Salzuflen) ist nach dem zweiten Wahlgang am Nachmittag ebenfalls zufrieden. „Mir ist gerade schon ein Stein vom Herzen gefallen“, sagt sie. Wobei sie eigentlich davor fest davon überzeugt gewesen sei, dass alles gut gehe. „Es sollte von einigen Abgeordneten ein Warnschuss ein, eine Unmutsäußerung. Sie haben gar nicht verstanden, was sie damit anrichten.“ Direkt nach dem erfolglosen ersten Durchgang war Vieregge spürbar betroffen. „Ich bin ratlos und betrachte den Verlauf heute Morgen kopfschüttelnd“, sagte sie mittags in einer Sitzungspause. Sie fragte sich, ob sich die 18 Abweichler eigentlich der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst gewesen seien? Ob sie diese in den eigenen Reihen sieht? „Nein, ich gehe davon aus, dass wir geschlossen waren. Das hat mir auch der Applaus der Fraktion für Friedrich Merz direkt nach der Abstimmung gezeigt.“ Es nutze allerdings wenig, die SPD-Kollegen unter Generalverdacht zu stellen. Den gescheiterten ersten Durchgang nannte sie „einen Schaden für Deutschland“, die entstandene Situation „brisant“. Kerstin Vieregge: „Wir haben in Deutschland keinen Tag zu verschenken. Die Auslandsreisen des Kanzlers nach Paris und Warschau waren ja bereits geplant.“ Robin Wagener (Grüne): Mehr Demut ist nötig Auch Robin Wagener (Grüne) gratuliert Merz am Nachmittag: „Ich teile das politische Programm dieser Regierung an vielen Stellen nicht, aber ich wünsche ihm Erfolg, die richtigen Entscheidungen zum Wohle unseres Landes zu treffen“, sagt er. Nach dem Fehlstart am Morgen - Wagener hatte zu dem ersten Wahlgang kommentiert, dies sei „kein guter Tag, weder für Deutschland noch für Europa“ - stehe Friedrich Merz jetzt vor der Herausforderung, in der schwarz-roten Koalition im täglichen Geschäft Mehrheiten zu organisieren und Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen. „Dafür braucht es mehr Demut und weniger Breitbeinigkeit. Mehr ernsthaftes und ehrliches Regieren in der Verantwortung für das Land und weniger krawallige Spaltung und leere Versprechen, die bei nächster Gelegenheit gebrochen werden.“ Am Mittag noch war Wagener davon ausgegangen, dass der zweite Wahlgang frühestens morgen (7. Mai) stattfinden würde. Doch am Nachmittag überschlugen sich die Ereignisse: Nach stundenlangen Beratungen einigten sich Union, SPD, Grüne und Linke darauf, den zweiten Wahlgang der Kanzlerwahl noch am selben Tag durchzuführen. Letztlich mit einem glücklichen Ausgang für den neuen Kanzler Friedrich Merz. Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert.