Minuspreise für Strom: So kassierten Lipper am Sonntag Geld fürs Laden

Kreis Lippe . Am Sonntag war es so weit: Lipper, die einen dynamischen Stromtarif abgeschlossen haben, bekamen zwischen 13 und 14 Uhr pro Kilowattstunde etwas raus, anstatt den Strom mit den andernorts üblichen 35 Cent zu bezahlen. Es waren &bdquo;nur“ 7 bis 10 Cent, die pro Kilowattstunde von der Rechnung abgezogen werden, wer aber beispielsweise sein E-Auto passend lud, konnte die Batterie füllen und am Ende knapp einen Euro im Plus sein. Der Grund: ein krasser Überschuss an Solarstrom im Netz, der Preis stürzte an der Strombörse auf minus 25 Cent. Haben viele Lipper davon profitiert? Unbekannt, aber von einer Massenbewegung dürfte keinesfalls die Rede sein.

Diesen Verdacht legt eine Umfrage unter den hiesigen Stadtwerken nahe. Nachdem Start-ups und bundesweite Stromanbieter wie &bdquo;Tibber“ schon länger dynamische Tarife anbieten, sind dazu seit Jahresstart auch die kommunalen Versorger verpflichtet. Bei diesen Tarifen ändert sich stündlich oder sogar viertelstündlich der Kurs – er bewegt sich mit den Schwankungen an der Strombörse, die auf Angebot (insbesondere Solar- und Windkraft) sowie Nachfrage reagiert.

Nachfrage noch nicht so hoch Die Detmolder Stadtwerke machen auf ihrer Internetseite deutlich: Das Prozedere birgt Chancen, wenn man seinen Stromverbrauch in günstigere Zeiten verlegen kann, aber auch Risiken, falls man auf viel Strom angewiesen ist, wenn dieser gerade teuer zu stehen kommt. Den Minuspreisen vom Wochenende stehen nämlich stundenweise Werte von mehr als einem Euro im vergangenen Herbst/Winter gegenüber.

Eine Beispielrechnung bei den Detmolder Stadtwerken zeigt: Im vergangenen Jahr wären Kunden mit einem dynamischen Tarif zwischen 28 Cent (Februar) und 35 Cent (November) gefahren – mit den genannten krassen Ausreißern nach oben und unten. Und mit höherer Grundgebühr – aber eben auch der Chance, den Wäschetrockner anzuwerfen, wenn die Preise im Keller sind.

Dennoch hält sich die Nachfrage in Lippe offensichtlich zurück. Zumindest bei den hiesigen Anbietern. Bei den Stadtwerken Bad Salzuflen beispielsweise wurde die Webseite zu dem neuen Tarif weniger als 100 Mal im Monat aufgerufen. Und die Zahl der Vertragsabschlüsse? Johannes Dittmar spricht von einer &bdquo;Handvoll“. Sowohl in Lemgo als auch in Detmold sind es sogar noch weniger.

Grundpreis ist ganz schön hoch Dazu trägt sicher bei, dass der Grundpreis pro Monat teils doppelt so hoch ausfällt. Das liegt nach Angaben der Stadtwerke zum einen am Aufwand, das Ganze monatlich abzurechnen, aber auch an dem intelligenten Messsystem, das nötig ist.

Apropos Messsystem: Für die Detmolder Stadtwerke spricht Eva-Susanne Ellminger von &bdquo;der Hürde“ schlechthin. Lieferzeiträume von vier Monaten für solche Zähler seien völlig normal. &bdquo;Eine der größten Herausforderungen ist außerdem der Mobilfunkempfang am Zählerkasten“, sagt Maren Staczan von den Lemgoer Stadtwerken. Da hilft im Zweifel nur eine zusätzliche Antenne. Eine Zahl: In ganz Lemgo sind erst etwa 400 intelligente Stromzähler eingebaut, am Jahresende sollen es knapp doppelt so viele sein.

Wenn technisch alles läuft, muss sich das Ganze natürlich auch auf dem Konto lohnen. &bdquo;Hier liegt der Knackpunkt“, sagt Ellminger. Interessanterweise interessieren sich vor allem Kunden mit geringem Verbrauch (meist mit Fotovoltaik auf dem Dach) für dynamische Tarife. Und für die gilt, so Ellminger: &bdquo;Scheint die Sonne, ist der Strom günstig, dann wird aber vielfach eigener Strom produziert und man muss nicht zukaufen.“ So war’s auch Sonntag: Wer von den Minuspreisen profitieren wollte, musste es erst mal schaffen, mehr zu verbrauchen, als vom Dach kam.

Intelligent planen Bei großen Stromfressern (E-Auto, Wärmepumpe, Warmwasser per Elektrik ...), die sich zeitlich flexibel nutzen lassen, könne ein dynamischer Tarif aber durchaus Sinn ergeben, so die gesammelte Einschätzung der Stadtwerke. Aus Sicht der Energiewende, Ressourcenschonung und Netzauslastung ohnehin. Denn: Anreize zu setzen, Strom zu verbrauchen, wenn viel verfügbar sei, sei vernünftig. Im Übrigen können, wie Staczan betont, auch Batteriespeicher vollgemacht werden, wenn der Strom billig ist.

Weisen die Stadtwerke bislang eher dezent auf den neuen Tarif hin, könnte sich das nach Ansicht von Ellminger ändern, wenn die technischen Voraussetzungen erst stabil laufen. Apps, mit denen bundesweite Anbieter den Preis für den Folgetag übersichtlich darstellen, gibt es bei den lippischen Versorgern bislang nicht. Ein weiterer, wichtiger Baustein wären dann intelligente Geräte im Haus, die ihren Einsatz selbstständig am Preis ausrichten. Zumindest für das Laden von E-Autos sind einige Wallboxen inzwischen dazu in der Lage.

Minuspreise für Strom: So kassierten Lipper am Sonntag Geld fürs Laden

Flexible Stromnutzer können kräftig sparen

Dynamische Stromtarife: Tipps zum Vertragsabschluss

Verbraucherschützer: Haushalte sollen Energiekosten prüfen

Abnehmer dringend gesucht: Strom 2024 häufiger Ramschware

Preissteigerungen bei Versorgern: Auswirkungen auf Verbraucher in OWL

Neue Stromtarife kommen - doch die Hälfte der Deutschen weiß nicht Bescheid