Neue Selbsthilfegruppe in Lippe: Trotz Sehbehinderung muss das Leben nicht farblos sein

Kreis Lippe. So gern würde Helga Müller (Name von der Redaktion geändert) noch einmal in ein lachendes Kindergesicht blicken oder sich mit den eigenen Augen an der Schönheit der Natur erfreuen, sagt sie. Dabei rollen der 58-Jährigen ein paar Tränen über die Wangen, denn sie weiß, dass sie das nie mehr können wird. Helga ist fast blind - schon seit einigen Jahren. Und auch wenn es diese Momente des Wehmuts gibt, ist die Welt der Detmolderin alles andere als dunkel. Helga ist ein lebensfroher Mensch, das wird im Gespräch mit ihr sehr schnell deutlich. Deswegen möchte sie auch anderen Betroffenen Mut machen und hat mit Unterstützung des Paritätischen eine Selbsthilfegruppe gegründet.

So positiv wie heute war Helga, die in der Öffentlichkeit lieber anonym bleiben möchte, nicht immer. Die Diagnose vor 26 Jahren war ein Schock für die damals 32-Jährige. &bdquo;Sie werden erblinden und es ist irreversibel“, habe der Arzt ihr damals gesagt. Bei ihrer Erkrankung verkümmern die Sehnerven und werden nicht mehr durchblutet, erklärt Helga. Ein schleichender Prozess. Zunächst habe sie nicht mehr richtig lesen können, woraufhin sie auch den Arzt aufsuchte.

Bis 2004 konnte sie noch ihrem Hobby nachgehen. &bdquo;Ich habe für mein Leben gerne gezeichnet“, erzählt Helga. Doch mit der Zeit habe sie immer weniger gesehen, sodass sie das Zeichnen schließlich aufgeben musste. Nicht nur das, auch viele andere ihrer geliebten Aktivitäten, die sonst so selbstverständlich für sie waren. Das Autofahren zum Beispiel. &bdquo;Ich bin leidenschaftlich gerne gefahren“, erzählt die Wahldetmolderin, die seit einigen Jahren nur noch schemenhaft etwas erkennen kann.

Die Erblindung war für Helga ein schleichender Prozess Helga ist froh darüber, dass es ein langsamer Prozess gewesen ist und sie nicht von heute auf morgen ihr Augenlicht verloren hat, sagt sie. Obwohl diese Angst - morgens aufzuwachen und nichts mehr sehen zu können - am Anfang sehr groß gewesen sei. &bdquo;Deswegen habe ich auch versucht, mir alles gut einzuprägen.“ Doch wenn man erblindet, würden auch diese Vorstellungen verblassen, erklärt die 58-Jährige. Auch ihre Träume seien verschwommene Bilder.

Natürlich gab und gibt es noch immer Momente, in denen sie verzweifelt ist, berichtet Helga. Doch sie wusste, dass sie nur zwei Möglichkeiten hat - aufgeben oder das Leben genießen. Helga hat sich für Letzteres entschieden. Trotz ihrer Erblindung führt sie ein aktives Leben, spielt Billard, besucht Theateraufführungen und vieles mehr. &bdquo;Ich habe mich heute sogar geschminkt“, sagt sie und präsentiert dabei ihren blauen Lidschatten. &bdquo;Ob es gut aussieht, weiß ich allerdings nicht“, fügt sie noch an und lacht herzhaft. Helga lacht sehr gerne und viel, das ist schon nach wenigen Minuten des Gesprächs klar. Auch über sich selbst. Ihre positive Energie überträgt sich auf andere, das ist spürbar. Und das ist auch einer der Gründe, warum sie eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen hat. Sie möchte ihre Lebensfreude teilen.

Menschen mit Sehbehinderung werden zu &bdquo;Helden des Alltags“ &bdquo;Helden des Alltags“ hat sie die Gruppe genannt. Sehbehinderte Menschen müssten ständig Hürden überwinden. &bdquo;Ich kenne beide Seiten“, sagt Helga. &bdquo;Als sehender Mensch macht man sich keine Gedanken darüber, wie man zum Beispiel einen Knopf annäht.“ Menschen, die nicht oder nur wenig sehen können, müssten sich hingegen immer etwas einfallen lassen, um ein Problem zu lösen. &bdquo;Helden des Alltags“ eben.

Die neue Gruppe soll ein Gesprächskreis für sehbehinderte und sehende Menschen werden, die sich gegenseitig unterstützen, ermutigen, stärken, inspirieren und Lösungen finden. Probleme jeglicher Art können thematisiert werden, ebenso soll es einen Austausch über chronische Erkrankungen wie etwa Diabetes geben. Doch auch der Spaß soll in der Gruppe nicht zu kurz kommen. Spielenachmittage, Ausflüge und gemeinsame Unternehmungen seien ebenso geplant, so Helgas Vorstellung. &bdquo;Wir wollen uns gegenseitig ermutigen, unser Leben besser zu leben und zu genießen.“

Sprachausgabe am PC und die sprechende Küchenwaage sind goldwert Auch sehende Menschen seien in der Gruppe ausdrücklich willkommen. Das könnten Angehörige sein oder aber auch jeder andere Interessierte, denn Helga geht es auch darum, für das Thema Sehbehinderung zu sensibilisieren. Und auch wenn es schon viele Hilfsmittel gebe, hin und wieder sei man auf die Hilfe eines sehenden Menschen angewiesen.

&bdquo;Ohne die Sprachausgabe und Vergrößerung der Schrift am PC wäre ich aufgeschmissen“, berichtet Helga von einem ihrer wichtigsten Hilfsmittel im Alltag. Auch die sprechende Küchenwaage sei goldwert. Eine Körperwaage, die ihr Gewicht laut ausspricht, wolle sie hingegen gar nicht haben, scherzt die Detmolderin. Generell würde es sehr viele Hilfsmittel geben, die den Alltag immens erleichtern würden. &bdquo;Viele wissen gar nicht, dass diese größtenteils von der Krankenkasse bezahlt werden“, sagt Helga, die sich darauf freut, auch von den Erfahrungen anderer zu profitieren.

Anmeldung für das erste Treffen der Gruppe &bdquo;Wir freuen uns sehr über die neue Gruppe“, sagt Silke Stegelmann, die als Mitarbeiterin der Selbsthilfe-Kontaktstelle beim Paritätischen im Kreis Lippe die Gründung der Gruppe begleitet. Das erste Treffen ist für Mittwoch, 4. Juni, in den Räumen des Paritätischen in Detmold, Bismarckstraße 8, geplant. Interessierte können sich dafür unter Tel. (05231) 561260 oder per E-Mail an selbsthilfe-lippe@paritaet-nrw.org anmelden. Dort gibt es auch weitere Informationen. Die Sprechzeiten der Selbsthilfe-Kontaktstelle sind montags bis mittwochs von 10 bis 13 Uhr sowie donnerstags von 10 bis 17 Uhr.

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