Wann ein Testament wirklich zählt: Bruder aus Lemgo geht bei Erbstreit leer aus

Kreis Lippe. Dass ein Testament ganze Familien entzweien kann, liegt wohl in der Natur der Sache. Schließlich geht es oftmals um viel Geld. Wenn nichts mehr hilft, müssen Konflikte um den Nachlass vor Gerichten entschieden werden - auch in Lippe. Die Gründe sind verschieden. Mal fühlen sich Angehörige benachteiligt, mal lässt das Dokument selbst viel Spielraum für Interpretation. Zwei Brüder - einer davon aus Lemgo - haben das selbst erlebt. Am Ende des Erbstreits steht fest: Der Lemgoer geht leer aus - offenbar wegen eines Formfehlers.

Dabei schien ursprünglich alles geregelt gewesen zu sein: Im Jahr 2014 hatten Onkel und Tante gemeinsam ein handschriftliches Testament verfasst, das später den Nährboden für einen Konflikt bot. Darin setzten sich die Eheleute zunächst gegenseitig wie im Berliner Testament vorgesehen als Alleinerben ein, teilt das Landgericht Detmold mit. In einem zusätzlichen &bdquo;Nachsatz“ hielten sie außerdem fest, dass ihre beiden Patenkinder - die zwei Brüder - später das Haus samt Grundstück erhalten sollten, jeweils zur Hälfte.

Brüder streiten um Haus der Tante Soweit, so gut. Nach dem Tod des Ehemannes im Jahr 2015 entschied sich die Tante dann aber offenbar noch einmal um. Im Jahr 2017 richtete sie ein weiteres notariell beglaubigtes Testament ein, das nur den einen Neffen als Alleinerben für Grundstück und Haus vorsah, heißt es vom Landgericht. Dieser erbte nach ihrem Tod im Jahr 2020 das Gebäude und verkaufte es für 340.000 Euro. Sein Bruder forderte daraufhin die Hälfte des Verkaufserlöses – rund 170.000 Euro, gestützt auf den alten &bdquo;Nachsatz“.

Zwei Gerichte sahen die Sache nun allerdings anders. Im Sommer 2024 lehnte die vierte Zivilkammer am Landgericht Detmold bereits die Klage des Lemgoers ab, auch beim Oberlandesgericht in Hamm hatte die Revision des Klägers dieses Jahr keinen Erfolg mehr. Denn: Da das Blatt mit dem konkreten Vermächtnis aus dem Jahr 2014 nicht unterschrieben war, sei es rechtlich unwirksam gewesen, heißt es.

Unterschrift auf entscheidendem Blatt fehlt Während das Ehepaar das erste Blatt mit Unterschrift versehen hatte, fehlte auf dem zweiten – dem entscheidenden und nur als Anlage gekennzeichneten &bdquo;Nachsatz“ – die Unterschrift. Daran störten sich beide Gerichte. Laut Begründung genügt zwar grundsätzlich bei mehreren Seiten eines gemeinschaftlich aufgesetzten Testaments eine Unterschrift auf dem letzten Blatt, dafür müssten aber die Blätter durch Seitenzahlen, dem Schreibmaterial oder einen fortlaufenden Text miteinander verbunden sein.

Aber: Stünden jedoch einzelne lose Blätter in keinem inneren Zusammenhang und ist nur ein Blatt unterschrieben, so stelle nur dieses ein wirksames Testament dar, während die nicht unterschriebenen Blätter keine gültigen Testamente seien, begründet die Kammer. Damit sei das ältere Testament nicht rechtswirksam. Der Kläger kann sich also laut OLG Hamm nicht auf den ursprünglich verfassten letzten Willen berufen, ihm steht daher kein Anteil aus der Hälfte des Erlöses aus dem Kaufpreis zu. Das Urteil ist rechtskräftig.

Wie wäre der Fall aber entschieden worden, wäre das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 2014 formal richtig gewesen? Hätte der ein paar Jahre später neu festgehaltene letzte Wille der Tante den alten einfach überschrieben? Laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth kann man als alleiniger Erblasser grundsätzlich so viele Testamente aufsetzen und überarbeiten, wie man möchte. Das sei rechtlich unproblematisch.

Im Falle eines gemeinschaftlich aufgesetzten Testaments sei das aber anders geregelt. Hier könnte eine Verbindlichkeit nach dem Tod des ersten Ehepartners eingetreten sein, wenn der Inhalt darauf abzielt. &bdquo;Das betrifft die Wechselbezüglichkeit“, erklärt Wormuth. &bdquo;Dann kann der hinterbliebne Ehepartner das Testament nicht einfach einseitig ändern und ist daher an den Inhalt gebunden.“ Das müsse von Fall zu Fall betrachtet und entschieden werden.

So lassen sich Erbstreitigkeiten vermeiden Generell gelte das eigenständig und handschriftlich verfasste Testament als gültige Grundform. Darüber hinaus sei es möglich, ein öffentliches Testament bei einem Notar aufsetzen zu lassen, das abgetippt, vorgelesen und beglaubigt wird. Das Amtsgericht Detmold rät generell dazu, Testamente beim zuständigen Nachlassgericht hinterlegen zu lassen. So könne man sichergehen, dass es nicht verloren gehe und auch wirklich zum Einsatz komme.

Gerade das Verschriftlichen des letzten Willens sei kein Selbstläufer und sollte durchdacht sein: &bdquo;Wer viel schreibt, kann viel falsch machen“, sagt Amtsgerichtsdirektor Michael Wölfinger, der selbst vorrangig Nachlasssachen bearbeitet. Demnach berge ein umfangreiches Testament häufig einen Nährboden für Missverständnisse. Laut Richter Martin van der Sand, Vorsitzender Richter am Amtsgericht Detmold, ergibt sich bei langen Texten häufig ein großer Interpretationsspielraum, was oft zu Konflikten führe. Der Fall des Lemgoers ist also kein Einzelfall. Immer wieder müssen lippische Gerichte Erbstreitigkeiten klären.

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