Detmolder Anwältin wegen Betrugs vor Gericht: Was mit dem Erbe einer Seniorin geschah

Kreis Lippe. &bdquo;Es war wie ein Schock. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das ihr Wille war“, so beschreibt ein Zeuge die erste Begegnung mit der gesetzlichen Betreuerin, die ihm vor mehr als 20 Jahren die Vorsorgevollmacht für seine Tante unter die Nase gehalten haben soll. &bdquo;Das fand ich alles sehr merkwürdig. Sie hätte so ein kompliziertes Dokument gar nicht verstanden“, meint der 64-Jährige vor Gericht. Heute sitzt die Juristin vor ihm auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft Detmold wirft der 58-Jährigen gewerbsmäßigen Betrug und Untreue in 38 Fällen vor.

Am elften Prozesstag unternimmt die Wirtschaftskammer unter dem Vorsitz von Richterin Katharina Schikowski daher eine Reise in die Vergangenheit. Der Komplex liegt 20 Jahre zurück, daher gibt es keine Betreuungsakte mehr.

Dass etwas mit dem Erbe der zwar nicht blutsverwandten, aber seit seiner Geburt als Teil der Familie anerkannten Tante schiefgelaufen sein könnte, hatte der Bauingenieur zwar nach dem Tod der 75-Jährigen Ende 2004 vermutet, den Gedanken daran aber lange abgetan. Erst die Presseartikel über das Ermittlungsverfahren gegen die Detmolder Anwältin brachten den Mann ins Grübeln, sagt er vor Gericht.

Testament zweifelhaft? Er bezweifelt, dass das Testament der jahrelang an Psychosen leidenden Frau tatsächlich ihrem Willen entspricht. Das Dokument, das in Saal 165 an die Leinwand geworfen wird, umfasst eine Liste von 21 Personen, die teils sogar jeweils mit kleineren Summen von 1000 Euro bedacht sind, weil sie einfach zur Verstorbenen freundlich waren. Auch ihre gesetzliche Betreuerin ist bedacht.

Vor Gericht geht es darum, aufzuarbeiten, was mit dem Nachlass passiert ist. 170.000 Euro soll der Verkauf des Hauses damals gebracht haben, so viel lässt sich nachvollziehen. In einem Schreiben an das SOS-Kinderdorf verschweigt die angeklagte Anwältin aber, dass die verstorbene Seniorin noch ein Sparbuch mit rund 13.000 Euro besessen hatte. Es taucht in der akribisch geführt wirkenden Liste nicht auf.

Das eigentliche Problem: Nicht alle im Testament bedachten Institutionen sollen damals bekommen haben, was ihnen zusteht. Verteidigerin Christina Peterhanwahr erklärt noch vor dem ersten Zeugen, ihre Mandantin habe die ausstehenden 6000 Euro Anfang Februar 2025 an das SOS-Kinderdorf überwiesen. Einen weiteren Geldbetrag von knapp 3000 Euro soll der Verein Menschen für Menschen jetzt bekommen haben.

Dass die Anwältin den vollen Betrag erst nach zwei Jahrzehnten ausgezahlt habe, hat laut Verteidigerin Gründe. Erst mit dem Auflösen der Grabstätte Ende 2024 habe die Mandantin das Testament ganz vollstrecken können. &bdquo;Bis dahin hätte der Friedhof noch Nachforderungen stellen können.“ Den Restbetrag auszuzahlen, sollte sogar schneller gehen, sagt Peterhanwahr, die Vereine hätten aber kein Bargeld angenommen.

Anwältin soll Teile des Erbes einbehalten haben Vor 20 Jahren hatte die Kinderrechtsorganisation bereits rund 37.600 Euro aus dem Hausverkauf erhalten, sagt eine Mitarbeiterin vor Gericht aus. Die Akte von damals habe sie in der Zentrale in Bayern extra aus dem Keller holen müssen, der Vorgang galt als abgeschlossen. Dass ein Betrag aus dem Erbe zurückgestellt worden sei, habe man ihr nicht mitgeteilt.

Ihrer Erinnerung nach sei die Zusammenarbeit mit der Nachlassverwalterin, also der angeklagten Anwältin, unkompliziert gewesen. Die Juristin habe rasch geantwortet und alle fehlenden Unterlagen geschickt, sagt die Zeugin (61) aus Unterhaching. Zumindest wirkte das damals so. &bdquo;Rückwirkend haben wir doch nicht alles bekommen.“

Rund 18.000 Euro hat sich die Angeklagte aus dem Erbe der verstorbenen Frau dem Testament nach selbst ausgezahlt, so steht es in den Dokumenten, die die Vorsitzende geduldig verliest. Ein Schreiben weist darauf hin, dass die gesetzliche Betreuerin im Mai 2004 bestellt wurde. Wenige Monate später zum Jahresende stirbt die Seniorin im Alter von 75 Jahren. In dem notariell beglaubigten Testament ist auch eine Passage über die gesetzliche Betreuerin vermerkt. &bdquo;Sie weiß nicht, dass ich sie bedenken werde. Das soll sie auch nicht erfahren bis zu meinem Tod.“

Angelehnte und neue Beweisanträge Abschließend verkündet die Vorsitzende Richterin den Beschluss, die von der Verteidigung beantragten Befangenheitsanträge gegen die beiden Amtsärztinnen abzulehnen. Darüber hinaus lehnt die Kammer ab, den Psychiater der Anwältin als Zeugen zu ihrem Gesundheitszustand zu vernehmen. Neben den Kreis-Amtsärztinnen hatte ein psychiatrischer Sachverständiger attestiert, dass die Angeklagte verhandlungsfähig ist.

Verteidigerin Christina Peterhanwahr hat zwei weitere Beweisanträge im Gepäck. Einmal möchte die Rechtsanwältin aus Bielefeld einen graphologischen Gutachter beauftragen, die Unterschrift auf einer Überweisung zu prüfen. Außerdem will die Verteidigerin die Freundin einer anderen mutmaßlich geschädigten Seniorin als Zeugin hören, weil diese den Sachverhalt anders darstellen würde als die Betroffene selbst. Eine Entscheidung steht noch aus.

Der Prozess wird am 11. März fortgesetzt.

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