Wo nicht nur Milch und Honig fließen: Was die Lebensmittel-Checker in Detmold so finden

Kreis Lippe. Es sind neben alltäglichen Lebensmitteln wie Limonade, Bratwurst oder Fruchtgummis zum Teil schon obskure Dinge, die die Experten des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Ostwestfalen-Lippe (CVUA-OWL) in Detmold unter die Lupe nehmen. In der Abteilung 300 fließen nicht nur Milch und Honig: Drops mit Cannabis-Extrakten, Fruchtgummi mit Muscimol (einem Gift aus dem Fliegenpilz), Apfel-Erdbeer-Saft, nahezu ohne Erdbeeren, dafür fast nur aus Äpfeln (ein Verstoß gegen die Kennzeichnung). Dazu gibt es Wonder-Bras aus einzeln abzuknabbernden Zuckerperlen.

Neben derartigen Kuriositäten landen regelmäßig unappetitliche, verdorbene Bratwürste und Co. auf dem Tisch. Doch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kann im Grunde nichts mehr schocken, der Appetit ist ihnen nicht vergangen. Ob verbotene Zusatzstoffe oder mögliche Gesundheitsgefahren: Sie wählen &bdquo;risikoorientiert und mit jeder Menge Sachverstand“, wie sie betonen, die Analysen aus.

Hier in der Abteilung 300 werden Lebensmittel aller Art untersucht. Honig, Süßwaren, alkoholfreie Getränke und Säuglingsnahrung schwerpunktmäßig für NRW. Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Wurstwaren, Milch, Milcherzeugnisse und deren vegane Ersatzprodukte sowie feine Backwaren, Speiseeis, Fertiggerichte und Feinkost, vor allem aus dem Regierungsbezirk Detmold. Es geht vorrangig um zwei Themen: gesundheitlicher Verbraucherschutz und Schutz vor Irreführung und Täuschung.

Ein Schwerpunkt liegt in der Untersuchung von Fleisch und Fleischerzeugnissen, schließlich ist OWL &bdquo;der Fettfleck“ Deutschlands. &bdquo;Hier ist ein Großteil der deutschen Fleischwarenindustrie ansässig“, berichtet Dr. Regina Seideneck, Sachverständige für tierische Lebensmittel. Auf dem Labortisch liegen Proben, die die Kontrolleure der sechs Kreise und der Stadt Bielefeld entnommen haben. Auch von aufmerksamen Verbrauchern gelangen Proben zum CVUA.

Zu untersuchen gibt es heute eine Delikatess-Hähnchenbrust, einen veganen Lachsschinken - der so gar keine Ähnlichkeit mit seinem tierischen Original aufweist -, eine Hähnchen-Mortadella und einen ganzen, rohen Dönerspieß.

&bdquo;Moment, Herr Redakteur! Das ist gar kein Dönerspieß“, sagt Regina Seideneck, &bdquo;das ist ein Fleisch-Drehspieß“. Aha. Dann folgt eine ernüchternde Aussage der Wissenschaftlerin: &bdquo;Den ,Original-Döner’ gibt es eigentlich gar nicht mehr.“ Ein &bdquo;Döner“ besteht nämlich aus dünnen Scheiben Rind-/Kalbfleisch und/oder Schaf- bzw. Geflügelfleisch, die auf einen Drehspieß aufgesteckt werden. Außer Salz und Gewürzen sowie gegebenenfalls Eiern, Zwiebeln, Öl, Milch und Joghurt enthält der klassische Döner keine weiteren Zutaten. Kommen aber Paniermehl, Stärke, Wasser und/oder pflanzliches Eiweiß hinzu, &bdquo;darf das nicht mehr ,Döner´ heißen“, erklärt Regina Seideneck.

Neben der rein chemischen Analytik kommen andere Verfahren zum Einsatz. Die Analyse der DNA dient zum Beispiel dem Nachweis von Allergenen oder der Überprüfung der deklarierten Tierarten. &bdquo;In letzter Zeit hatten wir durchaus viele Auffälligkeiten hinsichtlich der deklarierten Menge an Fleisch“, berichtet die Wissenschaftlerin, während sie den Fleisch-Drehspieß auf dem Labortisch zerlegt. &bdquo;Der teure Rindfleischanteil nimmt weiter ab“. Das muss ja nicht schlimm sein, die Kunden bekommen aber eben nicht das, was draufsteht.

Im Raum nebenan sitzt Petra Schubrikoff vor dem Digitalmikroskop. Auf dem Bildschirm sind in einer Geflügelfleischwurst Knochenpartikel zu sehen, die mit einer Färbung sichtbar gemacht wurden und jetzt rot leuchten. Der Nachweis von Knochenanteilen spricht dafür, dass anstatt Fleisch wesentlich günstigeres Separatorenfleisch verarbeitet wurde. Die histologische Untersuchung ist ein uraltes, bewährtes Analyseverfahren, sagt CVUA-Vorstand Dr. Ulrich Kros, ein gewaltiger Fortschritt sei es allerdings, dass die Ergebnisse heute digital ausgewertet werden können.

Ein Raum weiter stehen zwölf große Plastikboxen auf Regalen, säuberlich nach Monaten sortiert. Mindestens ein Jahr lang werden die auffälligen Proben hier aufbewahrt. Viele sehr bunte Lollies sind zu sehen, leere Saft- und Wasserflaschen (manches muss speziell gelagert oder gekühlt werden), ein &bdquo;Mega Fire Pomp Spray“, Bonbons, die im Mund &bdquo;explodieren“, die eingangs schon erwähnten Drops mit Cannabis oder halluzinogenen Pilzen. Dinge, die es tatsächlich so am Kiosk zu kaufen gibt. Muscimol-Jellys mit Pilzextrakten aber sind verboten. &bdquo;Erst machst Du einen Trip in den Wald, dann führt der Wald dich auf einen Trip, steht auf der Packung.“

Das sei eine neue Entwicklung. &bdquo;Wir mussten schnell reagieren, damit wir das vom Markt bekommen“, erklärt Philipp Zech, Sachverständiger für Süßwaren. &bdquo;Auch eine analytische Herausforderung. Neu sind Produkte mit Cannabinoiden, die seit der Cannabis-Teil-Legalisierung vermehrt auf dem Markt sind. Sie können gefährlich sein, denn sie beeinträchtigen aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkung das Reaktionsvermögen“.

Die Detmolder sind die NRW-Experten für Honig, es stehen Dutzende Gläser in den Schränken. Und nicht immer sind Beanstandungen so leicht aus der Welt zu schaffen wie im Fall eines Mannes, der aufgeregt mit einem halb leer gegessenen Glas zur Lebensmittelüberwachung seines Heimatorts gelaufen kam - da sei eine Fliege oder so etwas in seinem Honig. Das Etwas stellte sich als Bröckchen Brot heraus, wahrscheinlich von ihm selbst darin verloren. Zech lacht über diese Geschichte, wird sofort wieder ernst; &bdquo;Wir fangen nun mal immer wieder bei Null an. Was könnte das sein, da drin? Wir können ja nichts ausschließen.“ In einem anderen Fall hatte ein Verbraucher kleine weiße Partikel im Honig entdeckt, im CVUA identifizierten sie diese als Polyethylen, eine Plastikart. Der Imker hatte den Resthonig aus einem Plastikeimer ausgekratzt und dabei Plastik abgerieben. Keine böse Absicht, aber der Honig war trotzdem nicht mehr verzehrfähig.

Honig ist ein weites Feld, rund 500 Honigproben im Jahr, und fast 10.000 Lebensmittelproben insgesamt kommen in der Detmolder Westerfeldstraße an. Der Honig kann gestreckt oder verfälscht sein. Ob wirklich Linden-, Raps oder Akazienhonig vor ihnen steht, das können die Detmolder genau analysieren. Auch die Herkunftsregion können sie anhand der Pollen herausfinden. Mittelamerika? Südeuropa? Es gibt teuren Honig aus Neuseeland und billige Imitate aus Fernost. Von Manukahonig aus Neuseeland ist etwa doppelt so viel auf dem Markt, wie von den neuseeländischen Imkern produziert wird, da kann also etwas nicht stimmen. Die Fälscher sind sehr findig im Strecken von Honig, werben im Internet für Zuckersirupe, die bei den Tests in Deutschland gar nicht erst auffallen sollen. Aber der Hauptsitz dieser Firmen ist irgendwo, da kommt man kaum ran. Der Honig aus unseren Landen sei in den allermeisten Fällen in Ordnung, loben die Experten. &bdquo;Der Imker von hier meint es gut.“

Tag der Offenen Tür

Am Freitag, 12. September, hat jedermann die Chance, beim Tag der offenen Tür zwischen 9 Uhr und 17 Uhr einen Einblick in den Arbeitsalltag und die Sachverständigentätigkeit des CVUA OWL zu erhalten und Spannendes rund um Verbraucherschutz und Tiergesundheit zu erfahren. Das Angebot reicht von Mitmachstationen für Klein und Groß über Kurzvorträge und Führungen bis hin zu Untersuchungen sowie der Analyse von mitgebrachtem Leitungswasser. Für das leibliche Wohl wird gesorgt. Bei einer kleinen Feierstunde wird die Landwirtschaftsministerin des Landes NRW, Silke Gorißen, vor Ort sein, um das Jubiläum zu würdigen und den Tag der Offenen Tür zu eröffnen. Weitere Informationen unter www.cvua-owl.de .

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