Ein Jahrhundert gegen Seuche: Wie das Detmolder Labor Tierkrankheiten stoppt

Detmold. Bevor jemand das Labor des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts OWL (CVUA) in Detmold betreten darf, heißt es erst einmal: Schutzkittel anziehen. Denn hier liegen Proben von Tieren aus ganz NRW, eingeschickt bei Verdacht auf gefährliche Seuchen wie die Afrikanische Schweinepest, die Vogelgrippe oder Salmonellen. An diesem Ort entscheidet sich, ob sich eine Krankheit ausbreiten kann oder gestoppt wird. In diesem Jahr feiert das CVUA sein 100-jähriges Bestehen.

Kommt es irgendwo in OWL zu einem Seuchenverdacht, läuft die Diagnose ausschließlich über das Detmolder Labor. &bdquo;Wir bekommen alle Proben und müssen dann möglichst schnell Ergebnisse liefern“, sagt Dr. Silvia Blahak vom CVUA. Bei einem ernsten Seuchenverdacht dauere das zwischen vier bis sechs Stunden. &bdquo;Dann müssen wir aber auch alles andere stehen und liegen lassen“, schildert Blahak. Überstunden und Wochenenddienste gehören in so einem Fall dazu.

Wirtschaft leidet unter Seuchen Am häufigsten diagnostizieren sie Fälle von Geflügelpest (auch Vogelgrippe genannt), der Blauzungenkrankheit bei Wiederkäuern, der bakteriellen Darminfektion EHEC und Salmonellen. Mit Ausnahme von EHEC und Salmonellen stellen diese Krankheiten zwar keine Gefahr für den Menschen dar, verursachen jedoch erhebliche wirtschaftliche Schäden. &bdquo;Sobald irgendwo in Deutschland eine Seuche ausbricht, kaufen die EU-Länder kein Fleisch mehr von hier“, erklärt Blahak. Und Fleisch ist für die deutsche Agrarwirtschaft ein wichtiger Exportfaktor.

Alle paar Jahre würden neue Seuchen und Krankheiten dazukommen. Ein Beispiel ist die Blauzungenkrankheit, die von Mücken auf Wiederkäuer übertragen wird. &bdquo;Die gab es früher nicht in Deutschland. Im letzten Jahr ist die Krankheit durch einen neuen Virustyp aus den Niederlanden auch hier massiv ausgebrochen“, sagt Blahak. &bdquo;Man konnte richtig nachvollziehen, wie sich das Virus nach und nach über die ganze Bundesrepublik ausgebreitet hat“, erinnert sie sich.

Schweinepest in Paderborn Dass immer häufiger Krankheiten aus dem Ausland nach Deutschland gelangen, liege nicht zuletzt am internationalen Flug- und Warenverkehr. Auch die Afrikanische Schweinepest, deren Ursprung – wie der Name schon andeutet – in Afrika liegt, hat inzwischen Deutschland erreicht und stellt hier ein ernst zu nehmendes Problem dar.

Manche Seuchen sind den Detmolder Experten besonders in Erinnerung geblieben. Etwa die klassische Schweinepest, die 1997 in Paderborn ausbrach. Oder die Geflügelpest 2006. &bdquo;Das hat uns damals richtig Nerven gekostet“, erinnert sich Blahak. Besonders, weil vor allem in OWL sehr viel Geflügel gezüchtet werde und sich solche Viren schnell verbreiten. &bdquo;Allerdings sind Seuchen immer eine Herausforderung, weil so spontan gehandelt werden muss“, erklärt die Expertin, die seit mehr als 30 Jahren beim CVUA arbeitet.

Afrikanische Schweinepest in Olpe Im Labor beginnt eine Untersuchung meist mit einem PCR-Test, der spätestens seit Corona bekannt ist. So werde geprüft, ob das gesuchte Virus in der Probe vorhanden ist. Danach folgen Untersuchungen der Blutproben auf Antikörper. &bdquo;Der Anteil der Antikörper zeigt uns, wie lange die Infektion zurückliegt. Wenn wir keine Antikörper finden können, ist das Tier gerade akut krank“, erklärt Blahak. Anhand der Werte könne das Team oft auf Wochen und Monate genau rekonstruieren, wann ein Tier infiziert wurde.

Derzeit beschäftigen sich die Mitarbeiter des CVUA vermehrt mit Proben von erlegten oder gefundenen Wildschweinen aus OWL, die durch intensives Monitoring (regelmäßige Beobachtung und Untersuchung von Proben) auf Afrikanische Schweinepest untersucht werden. In Olpe ist vor Kurzem der erste Fall dieser Seuche bei Wildschweinen in NRW festgestellt worden.

Seitdem werde die Afrikanische Schweinepest dort zunehmend zu einem Problem – vermutlich ausgelöst durch weggeworfene Essensreste. In nicht erhitztem Schweinefleisch, etwa auf dem Wurstbrot, kann sich das Virus lange halten. Die Afrikanische Schweinepest ist bislang neu in Deutschland. Für Menschen ist sie ungefährlich, für Wild- und Hausschweine aber tödlich.

Weitere Krankheiten könnten sich ausbreiten &bdquo;In den nächsten Jahren werden sicher noch einige Krankheiten dazukommen“, ist Blahak sicher. Möglicherweise auch das West-Nil-Fieber, das in Deutschland seit 2018 bislang vor allem in Teilen Ostdeutschlands auftritt, aber sich im vergangenen Jahr bereits bis nach Niedersachsen ausgebreitet hat. Dabei handelt es sich um eine Virusinfektion, die Stechmücken übertragen.

Betroffen sind vor allem Vögel, aber auch Pferde und Menschen können sich infizieren. In den meisten Fällen verläuft die Krankheit mild oder symptomlos, in seltenen Fällen kann sie zu Fieber, Kopfschmerzen oder neurologischen Störungen führen – besonders bei älteren oder immungeschwächten Personen.

Kontrolle auch ohne Verdacht Selbst wenn kein Verdacht auf eine Seuche besteht, ist das CVUA aktiv: In Monitoring-Untersuchungen prüfen sie regelmäßig Blut- oder Tupferproben (Abstriche), die vom Veterinäramt oder Tierärzten eingesendet werden. &bdquo;Das Veterinäramt gibt vor, was wir untersuchen sollen – manchmal kommen aber auch wir mit einem Verdacht auf sie zu.“ Beispielsweise, wenn bei einer Tierkörpersektion ein meldepflichtiger Erreger nachgewiesen wird.

Auch Schweine, Rinder und Schafe werden zur Untersuchung eingeliefert – etwa von Landwirten oder Tierärzten. Bei Schweinen finden die Fachleute häufig Bakterien oder Viren im Magen-Darm-Trakt. Schafe sind oft von Würmern befallen. Kälber leiden dagegen häufig an Durchfall – verursacht durch Rotaviren oder Kryptosporidien. Das seien im Vergleich zu den Seuchen die &bdquo;normalen Krankheiten“, die das CVUA feststelle. Aber auch Verstöße gegen den Tierschutz hinterlassen Spuren an den Tieren, die im Labor nachweisbar seien.

Tiere nicht vermarktungsfähig Die Untersuchung der Nutztiere dient oft als Prophylaxe vor dem Kauf oder als laufende Überwachung der Bestände – immer mit dem Ziel, Seuchen auszurotten. Das Problem: Geimpfte und infizierte Tiere sind ohne den Einsatz sogenannter Markerimpfstoffe nur schwer voneinander zu unterscheiden.

Markerimpfstoffe enthalten spezielle Kennzeichen, mit denen im Labor klar erkannt werden kann, ob ein Tier geimpft oder tatsächlich krank ist. &bdquo;Deshalb dürfen bei vielen Tierseuchen nicht markergeimpfte Tiere nicht verkauft werden – sie sind nicht vermarktungsfähig“, erklärt Blahak. Die Gefahr, dass ein Tier unter Impfschutz trotzdem einen nicht nachweisbares Virus einschleppt, sei zu groß. &bdquo;Hier ist ein Umdenken auf EU-Ebene dringend notwendig“, betont die Expertin.

Deutschland ist gegen Seuchen gut gewappnet Denn vorsorglich würden ganze Bestände an Nutztieren getötet, die noch nicht infiziert sind. &bdquo;Es sind schon zu viele Tausende Tiere getötet worden“, sagt Blahak. Gerade bei der Vogelgrippe, die auch durch Wildvögel übertragen wird, frage sie sich, wie eine vollständige Seuchenausrottung überhaupt realistisch sein könne. Schließlich ließen sich Wildvögel nicht kontrollieren.

Trotz aller Herausforderungen sieht Blahak Deutschland gut gegen Seuchen gewappnet. Das CVUA sei stets aktuell darüber informiert, welche Krankheiten sich wo ausbreiten. &bdquo;Wir bereiten uns im Labor auch auf Seuchen vor, die hier noch nicht aufgetreten sind – zum Beispiel auf die Pest der kleinen Wiederkäuer, verschiedene Pockenviruserkrankungen und in diesem Jahr auf die Maul- und Klauenseuche.“

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