Wer wird Chefin oder Chef im Kreishaus? Was die Kandidaten fürs Landratsamt wollen

Kreis Lippe. Es geht auf die Zielgrade zur Kommunalwahl am 14. September; und zum Abschluss der Wahlarenen von LZ und Radio Lippe hatten die sechs Landratskandidaten in der Gastronomie am Hermann Gelegenheit, für sich und ihre Positionen zu werben. Meinolf Haase (CDU), Ilka Kottmann (SPD), Dr. Inga Loke (Grüne), Andreas Epp (Aufbruch C), Heike Görder (Unabhängige Kreistagsmitglieder, UKTM) und Paul Kuhlemann (Die Partei) waren dabei - die Lipper haben eine so große Auswahl wie noch nie, geht es um den Chefposten im Kreishaus. LZ-Chefredakteur Dirk Baldus, Redakteurin Carolin Brokmann-Förster und Frank Schröder von Radio Lippe fragten: Sind die Kandidatinnen und Kandidaten der Hauptgewinn, also &bdquo;sechs Richtige“ für Lippe?

Persönliches: Ob es für ihn ein Problem werden könnte, möglicherweise vom Kollegen zum Chef zu mutieren? Nein, sagt Haase, der den Bevölkerungsschutz des Kreises Lippe leitet: &bdquo;Ich kenne die Kreisverwaltung seit 22 Jahren, kenne die Kollegen und freue mich auf die Zusammenarbeit.“

Ihren Wechsel nach vielen Jahren in der CDU zu den UKTM erklärt Heike Görder: &bdquo;Um ein neues Buch zu lesen, muss man das alte zuschlagen. Und als Unabhängige muss ich Entscheidungen aus Düsseldorf oder Berlin, die ich nicht gutheiße, nicht vor Ort rechtfertigen.“

&bdquo;Nächstenliebe“ war das zentrale Wort für Andreas Epp. Es werde zu viel &bdquo;unter der Gürtellinie“ argumentiert. Aufbruch C wolle dies ändern, &bdquo;sowohl im Umgang miteinander als auch mit der Umwelt“ sagte er auf die Frage, wo denn die Partei ihrem Programm gemäß Ökologie vor Ökonomie setzen wolle.

&bdquo;Eine Führungsebene weniger“ Führungsverständnis: Im Saal waren viele Mitarbeiter aus dem Kreishaus, auch Führungskräfte - sie hörten von dem Sextett, was auf sie zukommen würde. Nämlich eine Führungsebene weniger, wenn Haase Chef wird, der eine &bdquo;Modernisierung der Verwaltung mit Augenmaß“ anstrebt. Inga Loke verspricht, Verantwortung abzugeben, Görder will eine &bdquo;Fehlerkultur“ zulassen, Kottmann Stärken herausarbeiten und Teamleistungen fördern. Nur Loke zögert bei der Frage, ob Landrätin denn der Traumberuf sei. Kuhlmann sichert zu: &bdquo;Bei mir werden sich alle wohlfühlen.“ Epp will Nächstenliebe an den Tag legen. Zu viele Leute arbeiteten keinesfalls im Kreishaus, waren sich alle einig.

Ja oder Nein? &bdquo;Daumen hoch oder Daumen runter?“, wollte Dirk Baldus wissen, stattete die Kandidaten mit entsprechenden Pappen aus und fragte: Wilbasen unterstützen? Nur Görder war dagegen. Die Inselquartiere erhalten? Alle dafür, ebenso wie für die Option, LE oder DT auf sein Nummernschild schreiben zu lassen. Alle wollen den Landesverband erhalten, alle das Theater. Loke und Görder wollen die Handynutzung im Klassenraum verbieten, und Windkraftanlagen neben dem eigenen Garten würde jeder akzeptieren - und damit war übrigens dieses heikle Thema für den ganzen Abend abgefrühstückt.

&bdquo;Es gibt nichts mehr zu sparen“ Finanzen: Große Einigkeit herrscht bei der Frage, ob Bund und Land mehr Geld in die Kommunen stecken müssen, um ihnen Spielräume zu geben. Unabhängig davon wollte Carolin Brokmann-Förster wissen, wo bei klammen Kassen gespart werden könne. Ein gewisses Potenzial sehe er, sagt Haase, er wolle eine baldige Strukturanalyse und weniger externe Räume anmieten. Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass mehr als 90 Prozent der Ausgaben für Pflichtaufgaben draufgingen. Epp mahnt, solide zu wirtschaften und nicht über die Verhältnisse zu leben. Kürzungen beim Personal sehe er nicht. Kuhlemann sagt, er wisse genau, wie es im Kreishaus zugehe, er sei schließlich selber chronisch pleite. Er würde beim Landschaftsverband kürzen, drohen, mit Lippe nach Niedersachsen zu wechseln. Der LWL finanziere ja nicht nur Sozialleistungen, sondern auch das &bdquo;absurde“ Eingangsgebäude des Freilichtmuseums.

Heike Görder redet nicht um den heißen Brei: Die Einsparpotenziale seien absolut ausgereizt, die Kreisumlage werde wohl weiter steigen müssen. Das Personal werde mehr denn je gebraucht und müsse gehalten werden. Loke stimmt zu, der Etat sei Posten für Posten durchforstet worden - und in der Kreiskasse klaffe dennoch eine Zehn-Millionen-Lücke: &bdquo;Die Kreisumlage wird steigen müssen.“ Eine &bdquo;schwarze Null auf Vorrat“ durch Kaputtsparen dürfe es nicht geben. Es brauche mehr Digitalisierung. Ilka Kottmann warnt davor, freiwillige Leistungen wie Freibäder der Kommunen und vom Kreis mitfinanzierte Beratungsangebote der sozialen Träger gegeneinander auszuspielen. Es sei unmöglich, Gelder zu streichen und gleichzeitig den Service zu verbessern. Es sei allerdings eine Aufgabe, Doppelstrukturen zu durchforsten. Alle waren sich überaus einig, stets und rechtzeitig das offene Wort mit den Städten, den Gemeinden und dem Landesverband suchen zu wollen.

Diese besonders fiesen Fragen gingen an die Landratskandidaten.

Sicherheit: Sie seien als Landräte auch Polizeichefs, stellt Dirk Baldus fest - ob sie sich das denn zutrauten? Ja, sagen alle, nur Inga Loke findet es nicht gut, dass ein Landrat gleichzeitig Polizeichef ist. Schnell ist das Thema aber, die Belastung der Polizei vor Ort zu schmälern, mehr Polizisten zugeteilt zu bekommen, präsenter auf den Straßen zu sein. Haase will in den Ausbau der Ordnungspartnerschaften investieren. &bdquo;Sicherheit ist Sichtbarkeit“, bestätigt Kottmann. Epp will Straßenlaternen länger leuchten lassen und die Aufgabe &bdquo;ganz klar mit Nächstenliebe“ angehen, Haase verweist auf die bestehende enge Zusammenarbeit mit der Polizei. Kuhlemann wird deutlich: Desinformationen sorgten für Ängste, prangert er einen &bdquo;Tenor von Hass und Hetze“ vor allem in den sozialen Medien an. Das subjektive Sicherheitsgefühl widerspreche dem objektiven, dies belegten die Statistiken. Loke spricht von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, auch sie fühle sich nicht immer überall sicher. &bdquo;Die Gesellschaft ändert sich, es sind neue Kulturen dazugekommen, es gibt natürlich Berührungsängste.“ Ein Zusammenwachsen stärke das Sicherheitsgefühl.

Keine Zusammenarbeit mit der AfD Umgang mit der AfD im neuen Kreistag: Epp kündigt an, er werde nicht über, sondern mit der AfD reden. Heike Görder sagt, die Wählermeinung müsse akzeptiert werden. &bdquo;Dann schauen wir, wie wir gemeinsam damit umgehen:“ Kottmann versichert, dass die demokratischen Parteien die Mehrheit stellen werden, kein Votum dürfe von der AfD abhängig sein. Dies bekräftigen Loke und Haase.

Klinikum : Alle schließen aus, dass das Klinikum privatisiert wird. Die Frage von Dirk Baldus, ob der Interims-Klinikchef Dr. Niklas Cruse bleiben solle, bejahen Haase, Görder, Kuhlemann. Kottmann sagt, es gelte das (bald zu Ende gehende) halbe Jahr unter Cruse abzuwarten, ein klares Ja oder Nein gäbe es von ihr nicht. Auch Loke gibt ihm keinen Freifahrtschein. Zur Zukunft des Klinikums fordert Kottmann, den Standort Detmold, vor allem die Notaufnahme, weiter auszubauen, in Lemgo eine Regelversorgung zu sichern und besser mit den Ärzten vor Ort zusammenzuarbeiten. Loke pocht auf Investitionen und mehr Ambulantisierung. Haase bedient sich des Zauberwortes des Abends: &bdquo;Gemeinsam“: Mit der Ärzteschaft &bdquo;Gesundheit denken“, das Klinikum wieder auf die Beine kriegen. Görder mahnt mehr Wertschätzung für die Mitarbeiter an, etwa eine Vier-Tage-Woche anzubieten. Epp, Vertrauen aufzubauen.

Ob denn die Vorkommnisse der vergangenen Monate und Jahre mit der Trennung vom früheren Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte im Klinikum politisch aufgearbeitet werden sollten, will Dirk Baldus dann wissen. &bdquo;Juristisch muss das natürlich sein, wenn sich ergibt, dass gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde“, sagt Loke. Davon habe sie allerdings keine Kenntnis. Ilka Kottmann setzt den Schwerpunkt darauf, nach vorn zu gucken, das Klinikum intern &bdquo;an den Gang zu kriegen“ und endlich mit dem Bauen anzufangen. Sie wie auch Haase betonen, abzuwarten, was der Anfangsverdacht wegen möglicher Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe (die LZ berichtete) ergebe. Dann bittet Baldus die sechs Kandidaten erneut, die Daumen-hoch/Daumen-runter-Pappe in die Hand zu nehmen und fragt, ob der Aufsichtsrat denn einen guten Job gemacht habe. Ilka Kottmann und Heike Görder verneinen dies.

Aus dem Publikum fragt schließlich Walter Brinkmann vom Aktionsbündnis Klinikum Inga Loke, warum sie denn das Bürgerbegehren nicht unterstütze. Dies könne sie in Bezug auf einzelne Sätze nicht, sagt sie, das würde für alle Lipper zu teuer. Ähnlich äußert sich Ilka Kottmann.

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