Was Lippes Jobcenter-Chef Stefan Susat über die geplante Bürgergeld-Abschaffung denkt

Kreis Lippe. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Bei den Vorgaben aus Berlin ist Stephan Susat, jüngst frisch im Amt bestätigter Chef des Jobcenters Lippe in Detmold, Kummer gewohnt. 2023 hatte die Ampel-Koalition das sogenannte Bürgergeld eingeführt, jetzt schwenkt Schwarz-Rot bekanntlich um . Für die gut 400 Mitarbeiter des Jobcenters bedeutet dies erneut eine Umstellung.

Eine von unzähligen: &bdquo;In den vergangenen 20 Jahren ist das SGB II 120 bis 130 Mal verändert worden“, sagt Stefan Susat mit Blick auf das Sozialgesetzbuch. &bdquo;Das ist im Schnitt alle 70 Tage eine Veränderung.“ Veränderungen irritieren Organisationen wie ein Jobcenter und bedeuten immer zusätzlichen Aufwand; einerseits Schulungen, mitunter eine Umprogrammierung der Software, immer auch angepasste oder neue Dienstanweisungen. &bdquo;Aber auch diese Veränderung werden wir gut hinbekommen“, ist der Jobcenter-Chef überzeugt.

Manchmal, vor allem bei solch tiefgreifenden Umbrüchen wie der geplanten Abschaffung des Bürgergeldes, bedarf es seiner Ansicht nach auch einer Veränderung des &bdquo;Spirits“: &bdquo;Dann müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer anderen Haltung ihre Arbeit machen.“ Denn beim Bürgergeld habe eher der Fokus auf dem &bdquo;Fördern“ gelegen, jetzt stehe erneut das &bdquo;Fordern“ im Mittelpunkt.

Mehr Druck auf die Empfänger

Im Klartext: Mit der Einführung des Bürgergeldes hat das Jobcenter es kaum noch sanktioniert, wenn die Empfänger die verabredeten Termine zum Gespräch nicht wahrgenommen haben. &bdquo;Die Leute kommen zu uns, weil wir sie auffordern. Ab 2023 hatten wir nach Corona und Bürgergeld zunächst eine Ausfallquote von 50 Prozent bei den Terminen, die Flure sind wirklich leerer geworden.“ Was sich allerdings spätestens mit der Vermittlungsoffensive für die Menschen, die wirklich in einen neuen Job wollen, erledigt hatte: Beim &bdquo;Aktionsplan Arbeit und Ausbildung in Lippe“ ging es darum, den Kontakt zu den Jobcenter-Kunden zu intensivieren. &bdquo;Wir haben damals unser Vermittlungskonzept umgestellt, haben unter anderem versucht, über Gruppenveranstaltungen die Einzelgespräche anzubahnen. Das hat auch gut funktioniert.“

Der Gesetzesentwurf aus dem Hause der Arbeitsministerin Bärbel Bas hat unter anderem die Zielrichtung, die Jobcenter-Kunden mehr an die Kandare zu nehmen: Wer vereinbarte Termine nicht wahrnimmt, soll mit Einbußen bis hin zur kompletten Streichung der Bezüge rechnen. Wobei den Jobcenter-Chef da schon ein paar Zweifel beschleichen: &bdquo;Das Ganze soll ja auch verfassungsrechtlich wasserdicht sein. Jemandem komplett die Bezüge zu streichen, könnte unvereinbar sein.“

&bdquo;Lippe ist nicht Duisburg“

Andererseits sieht er jetzt nicht die große Flut möglicher Gerichtsverfahren auf das Jobcenter Lippe zurollen: &bdquo;Totalverweigerer sind nun wirklich kein Massenphänomen.“ Die Arbeitsministerin habe vielleicht auch eher ihre Heimatstadt Duisburg im Blick, wo die Verhältnisse sicherlich andere seien und möglicherweise auch in viel größerem Stil Missbrauch mit dem Sozialsystem betrieben werde. &bdquo;Lippe ist nun mal glücklicherweise nicht Duisburg.“

Susat rechnet vor: &bdquo;In den 17 Jahren vor 2023 betrugen die SGB-II-Transferleistungen (Anm. d. Red.: Hilfen des Staates) im Bundeshaushalt immer zwischen 35 und 36 Milliarden Euro.“ Die Einführung des Bürgergeldes kam fast zeitgleich mit der Ukrainekrise. &bdquo; Zusätzlich haben sich die Regelbedarfe in den Jahren 2023 und 2024 um insgesamt 25 Prozent erhöht.“ Nicht zuletzt, weil plötzlich auch die ukrainischen Flüchtlinge zu den Jobcenter-Kunden gehörten. Und so stiegen die Transferleistungen in den Jahren 2023 bis 2025 von 43 auf voraussichtlich 50 Milliarden Euro. &bdquo;Dass das im Bundeshaushalt auffällt, ist klar. Der Sozialhaushalt mit Rente, Krankenversicherung und SGB II explodiert.“ Was heißt: So kann es eigentlich nicht weitergehen.

Dass seine Mitarbeiter nun aber mit den Sanktionen einen Hebel in die Hand bekommen, um die Leute wieder vor den Schreibtisch zu holen, findet er gut. Ob da wirklich viele Einsparungen zu erwarten sind, steht auf einem anderen Blatt, da hat ja selbst Bärbel Bas Zweifel.

Das Jobcenter ermittelt nicht

Wer nun glaubt, die härteren Sanktionen führen zu erheblichen Einsparungen, der irrt, meint Susat: &bdquo;Wenn ich an die Zeit vor Corona zurückdenke: Wir hatten vielleicht in drei Prozent der Fälle Sanktionen. Mit Sanktionen retten Sie keinen Haushalt, das war immer nur eine politische Diskussion.“

Zur Frage verschärfter Maßnahmen gegen Schwarzarbeit : &bdquo;Das Jobcenter ist keine Ermittlungsbehörde. Wir können einen Verdacht hegen und den auch anzeigen, aber die Ermittlungen muss das Zollamt in Bielefeld führen. Wir haben weder die Aufgabe noch die Kapazitäten, jemanden hinter einem Kunden herzuschicken.“

Was seiner ganz persönlichen Meinung nach aus fachlicher Sicht dem Haushalt des Jobcenters helfen würde: &bdquo; Eine deutliche Reduzierung der Anzahl der Leistungsbeziehenden. Zum einen durch mehr Integrationen, dafür bedarf es aber der Kleinigkeit einer prosperieren Wirtschaft und zum anderen, indem sie die Leute aus dem System nehmen, die da nicht reingehören.“ Einerseits eben die Ukraine-Flüchtlinge, andererseits all die, bei denen klar ist, dass sie nie wieder einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Letzteres führe aber nur zu einer Lastenverschiebung innerhalb des Sozialsystems.

Würde das alles denn unterm Strich wirklich helfen? Susat schüttelt den Kopf. &bdquo;Unser Sozialsystem ist insgesamt zu teuer und einfach viel zu kompliziert, deswegen funktioniert auch das Pauschalisieren nicht. Was wir eigentlich bräuchten, wäre eine komplette Reform des Sozialsystems.“ Aber da will eben in der Politik niemand wirklich ran: &bdquo;Sparen Sie mal, ohne jemandem wehzutun.“

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