Der lange Weg zum Glück: Eine Detmolderin erzählt vom Kinderwunsch trotz Endometriose

Kreis Lippe. Sie ist eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen und doch dauert es oft Jahre, bis sie entdeckt wird: die Endometriose. Die Symptome sind vielfältig, nicht umsonst wird sie auch als &bdquo;Chamäleon in der Frauenheilkunde“ bezeichnet. Starke Schmerzen während der Periode, chronische Unterbauchschmerzen, Übelkeit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, zyklische Darm- oder Harnwegsbeschwerden oder sogar die Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit und ein unerfüllter Kinderwunsch können mit der Krankheit einhergehen. Auch die Detmolderin Cynthia Riehl ist betroffen.

Sie hat einen langen Leidensweg hinter sich, im Gespräch aber wirkt sie fröhlich, gar glücklich. Aus wundervollem Grund: Sie und ihr Mann erwarten ein Baby. Dabei war auch das alles andere als ein einfacher Weg. Durch ihre ausgeprägte Endometriose sei klar gewesen: Auf natürlichem Weg ist eine Schwangerschaft wohl nicht möglich, die Behandlung in einer Kinderwunschklinik notwendig. Doch von vorn.

Nicht ernst genommen Schon als junges Mädchen habe sie unter starken Schmerzen während der Periode gelitten, musste sich teilweise sogar übergeben, erinnert sich die heute 26-Jährige. &bdquo;Der Arzt meinte, das sei ganz normal. Ich sollte abnehmen, riet er, dabei haben Periodenschmerzen und Gewicht nichts miteinander zu tun.“ Heute weiß sie das. Und auch, wie sehr man teilweise heute noch als Frau dafür kämpfen muss, mit ihren Beschwerden ernst genommen zu werden. &bdquo;Medical Gaslighting“ ist der Begriff dafür, wenn Ärzte Symptome auf Einbildung, Übertreibung oder Hysterie zurückführen, weil sie Patienten nicht ernst nehmen. Meist sind Frauen davon betroffen.

Cynthia Riehl erinnert sich an einen besonders schlimmen Schmerzschub: &bdquo;Ich wusste nicht wohin, mir war schlecht, schwindelig, ich habe geschwitzt und gefroren.“ Bei der Endometriose wächst Gewebe ähnlich der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) dort, wo es nicht hingehört: an den Eierstöcken, Eileitern, dem Bauchfell, im Becken, unterhalb der Muskelschicht der Gebärmutter, zum Teil sind aber benachbarte Organe wie Darm oder Blase betroffen, erklärt Prof. Dr. Beyhan Ataseven, Direktorin der Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde am Klinikum Lippe. Normalerweise löst sich die Gebärmutterschleimhaut und wird während der Menstruation abgestoßen. Bei der Endometriose geht das allerdings nicht. &bdquo;Sie gilt als chronisch-entzündliche Erkrankung“, denn Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen der betroffenen Gewebe können die Folge sein.

Doch wie kann Patientinnen geholfen werden? &bdquo;Es ist nicht immer gleich eine Operation notwendig“, versichert die Medizinerin. Sinnvoll sei eine Schmerztherapie mit Mitteln wie Ibuprofen, nicht jedoch mit Morphinen, sowie bei jungen Frauen ohne aktuellen Kinderwunsch eine hormonelle Unterstützung mit Gestagen-Pillen. Eine OP sei die letzte Option und immer individuell abzustimmen. Und: &bdquo;Auch Frauen mit einer Endometriose können schwanger werden.“ Bleibt der Kinderwunsch unerfüllt, kann die Behandlung in einer Kinderwunschklinik sinnvoll sein.

&bdquo;Wenn Sie Kinder wollen, wird’s schwierig“ Ihre Diagnose erhielt Cynthia Riehl erst Ende 2020, als sie zusammenbricht und ins Krankenhaus eingeliefert wird. Es kam heraus, dass Gebärmutter und Eileiter voller Zysten und Wucherungen waren, Cynthia Riehl wurde operiert, ein Eileiter entfernt, doch auch der andere ist schwer durchgängig. &bdquo;Nach der OP sagte der Arzt ,Wenn Sie Kinder wollen, wird’s schwierig’.“ Ein Schock, war der Kinderwunsch damals doch bereits aktuell. Doch eine Kinderwunschbehandlung sei da noch nicht infrage gekommen, sie sei zu jung gewesen. &bdquo;Die Krankenkassen unterstützen das erst ab 25 Jahren.“

Die junge Frau nimmt Hormonpräparate, um wenigstens keine Schmerzen mehr zu haben. &bdquo;Ich hatte allerdings Nebenwirkungen, war sehr launisch, hatte starke Probleme mit der Psyche, Hitzewallungen, Übelkeit, Libidoverlust“, zählt sie auf. &bdquo;Ich war nicht mehr positiv, nicht fröhlich, hatte dadurch weniger Lebensqualität.“ Also setzte sie die Pille schließlich ab, entschied sich für Schmerzmittel-Kombinationen während der Periode und betont gleichzeitig, dass das ihr Weg gewesen sei, jede Frau müsse ihren eigenen finden. &bdquo;Mein Arbeitgeber war verständnisvoll, ich konnte Homeoffice machen und meine Termine so legen, dass ich mit den Schmerzen zurechtkam.“

Die Psyche leidet Doch auch die Psyche leidet. Zu wissen, dass etwas nicht stimmt, ohne zu wissen was, bevor die Diagnose auf dem Tisch liegt. Mit dieser nicht zu wissen, wie es weitergeht. Dazu die Schübe, bei denen man ans Haus gebunden ist, Freunden absagen muss, sich fragt, ob die einen überhaupt noch mögen, der unerfüllte Kinderwunsch &bdquo;Ich war eine Zeit lang in Therapie“, erklärt die Detmolderin unumwunden. Die habe ihr geholfen. Und auch die Selbsthilfegruppe, die sie gründete, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. &bdquo;Wir können ganz offen sprechen, gemeinsam eine Lösung finden“, schätzt sie den Zusammenhalt. Betroffenen rät sie: &bdquo;Es ist mein Körper. Wenn ich spüre, dass etwas nicht stimmt, muss ich dranbleiben, auch wenn der Arzt mich vielleicht nicht ernst nimmt.“ Ein anderer tut es und kann helfen.

Im vergangenen Jahr führt ihr Weg in die Kinderwunschklinik, die erste In-vitro-Fertilisation (IVF) scheitert, die zweite ist erfolgreich. Zu Beginn der Schwangerschaft habe sie häufig Unterleibskrämpfe gehabt, doch seit der 10. Woche etwa sei alles &bdquo;normal“. Und Cynthia Riehl ist glücklich, nach all den Rückschlägen ihr Wunschkind unter dem Herzen zu tragen.

Viele von Endometriose betroffen Etwa zehn bis elf Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter sind von Endometriose betroffen, bei Frauen mit chronischen Becken- oder starken Regelschmerzen ist sie bei 35 bis 50 Prozent die Ursache, bei unerfülltem Kinderwunsch zwischen 30 und 50 Prozent. Aber: &bdquo;Es gibt auch Frauen, bei denen die Krankheit nicht entdeckt wird“, weiß Dr. Ataseven. Schließlich wissen schon junge Mädchen, dass die Menstruation mit Unterleibsschmerzen verbunden ist.

Bis 2022 war zur Diagnose eine Bauchspiegelung samt Gewebeentnahme notwendig, also eine OP, die viele Frauen abgeschreckt habe. Mittlerweile stehe die Anamnese, also die Patientengeschichte, im Vordergrund: Hat die Patientin typischerweise um die Periode herum starke Beschwerden? Dazu Ultraschalluntersuchungen oder auch ein MRT. &bdquo;Es gibt keine Biomarker für Endometriose wie bestimmte Blutwerte.“

&bdquo;Die Endometriose Vereinigung Deutschland ist sehr aktiv und hat Anträge im Bundestag gestellt, damit sie als Krankheitsbild in der Gesellschaft erscheint“, weiß Dr. Ataseven. Das Bundesforschungsministerium stellt mittlerweile Gelder für die Endometriose-Forschung bereit. Denn die Folgen sind auch gesellschaftlich relevant: So berichtet die Professorin von einer Studie aus Großbritannien, nach der die jährlich entstehenden Kosten durch Therapie, Arbeitsausfall etc. von Endometriose-Patientinnen auf mehrere Milliarden Pfund geschätzt werden.

Vortrag und Selbsthilfe Für Interessierte bietet Prof. Dr. Beyhan Ataseven einen Vortrag zum Thema &bdquo;Endometriose – ein Chamäleon in der Frauenheilkunde“ an. Der Vortrag klärt über Symptome, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten auf, auch Fragen der Anwesenden können geklärt werden. Die Veranstaltung findet am Montag, 26. Januar, im Gesundheitszentrum Oerlinghausen im CEWECO-Haus , Detmolder Str. 8, statt. Beginn ist um 18 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos, es wird um Anmeldung gebeten unter Tel. (05231) 62 7720.

Wer Interesse an der Selbsthilfegruppe um Cynthia Riehl hat, kann sich bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle des Kreises Lippe unter Tel. (05231) 561 260 oder per Mail an selbsthilfe-lippe@paritaet-nrw.org melden.

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