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Die Wunden sind noch lange nicht verheilt

Zu seinem Prozessauftakt findet der ehemalige Schieder-Möbel-Boss Rolf Demuth wenig Sympathisanten

Die Wunden sind noch

lange nicht verheilt - © schieder-schw.
Die Wunden sind noch lange nicht verheilt (© schieder-schw.)

Schieder-Schwalenberg. Seine Emotionen will Schieder-Schwalenbergs Bürgermeister Gert Klaus gar nicht recht rauslassen. "Eigentlich bin ich damit durch", sagt er. "Die ganze Schieder-Pleite vor Gericht aufzuarbeiten, wird ohnehin schwierig. Und was sich hinter all dem moralisch und ethisch verbirgt, steht auf einem völlig anderen Blatt." Es sei bekannt, dass Rolf Demuth längst wieder in der Möbelbranche aktiv sei, sich auf Möbelmessen ganz ungeniert zeige und Geschäfte mache.

Schon damals, beim Zusammenbruch, war Gert Klaus vorgeworfen worden, er habe nicht genügend engen Kontakt zur Konzern-Spitze des größten Arbeitgebers in der Stadt gehalten. Darüber kann er damals wie heute nur mit dem Kopf schütteln: "Wenn einer einen Betrug plant, dann wird er das ganz bestimmt nicht dem Bürgermeister auf die Nase binden." Anhaltspunkte habe es natürlich schon lange gegeben – und immerhin schulde Schieder-Möbel der Stadt nach wie vor die 475 000 Euro aus dem viel weiter zurückliegenden Steuerbetrugsfall. "Aber bei den Verbindlichkeiten, die sich ja bei einer Milliarde bewegen, müssen wir uns wohl ganz hinten anstellen."

Zweideutige Botschaft: Als ein Schieder-Mitarbeiter Mitte Juni 2007 das T-Shirt mit dem Aufdruck "Freiheit für Rolf D." trug, hatten er und seine Kollegen gerade vom endgültigen Insolvenzantrag erfahren. - © Foto: Beckmann
Zweideutige Botschaft: Als ein Schieder-Mitarbeiter Mitte Juni 2007 das T-Shirt mit dem Aufdruck "Freiheit für Rolf D." trug, hatten er und seine Kollegen gerade vom endgültigen Insolvenzantrag erfahren. (© Foto: Beckmann)

Das sagt einer, der noch immer vor einem Scherbenhaufen steht: "Das hat uns damals heftig in jeder Hinsicht getroffen. Finanziell, strukturell, der Einwohnerverlust, die Leerstände von Gewerbeimmobilien, aber auch von Wohnimmobilien" – der Bürgermeister weiß gar nicht, wo er anfangen soll. "Schieder-Schwalenberg hat vor 20 Jahren 4500 sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse gehabt. Jetzt sind es noch 1400." Nicht alles eine Folge der Schieder-Krise, aber vieles. Noch immer kämpft die Stadt – eine Erholung ist nicht in Sicht. "Aber wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken."

Auf der Straße sind die Erwartungen an den Gerichtsprozess verhalten. Der 35-jährige Enno Seidel fordert zwar eine gerechte Bestrafung für die Beschuldigten, glaubt aber gleichzeitig, dass am Ende alle mit einer Geldstrafe davonkommen. "Die haben es bereits mehrmals geschafft, sich mit Geld aus dem Gefängnis rauszukaufen. Hoffentlich wird das bei diesem Prozess anders und die Täter merken am Ende, dass sie mit ihrem Geld nicht weiterkommen."

Christiane Mehrmann betreibt einen kleinen Imbiss in Sichtweite der Schieder-Geländes und erinnert sich noch gut an den Moment, als sie erfuhr, dass Rolf Demuth in Untersuchungshaft genommen worden war. "Das war für mich eine sehr schwierige Zeit, schließlich kamen viele Mitarbeiter in der Mittagspause rüber, um schnell was zu essen und ein bisschen zu quatschen", erzählt sie. Natürlich hätten viele Gerüchte kursiert, aber dass es am Ende so ausgehen würde, "das hätte ich nicht erwartet." Heute fragt sie sich, wie das alles überhaupt so lange hat gut gehen können, und glaubt nicht an die Unschuld des  Rolf Demuth. "Mir tut es um die vielen Arbeitsplätze leid, die verloren gegangen sind, auch die Zulieferer dürften darunter gelitten haben. Wie können die Beschuldigten eigentlich noch mit gutem Gewissen schlafen?"

Sie selbst habe Umsatzeinbußen von bis zu 60 Prozent erlitten. "Auch für mich war das ein herber Schlag. Aber der Prozess wird den Arbeitern, die ihren Job verloren haben, auch nicht weiterhelfen."  

Ein langjähriger Schieder-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, findet es übertrieben, dass Rolf Demuth dermaßen an den Pranger gestellt wird. "Ich habe dort 36 Jahre lang gearbeitet und finde es unverhältnismäßig, dass Demuth wie ein Vatermörder behandelt wird. Er hat versucht, die Firma und damit auch seine Mitarbeiter zu retten. Anders kann ich mir das alles nicht erklären. Natürlich ist es kein Kavaliersdelikt, aber er hat dafür auch lange in U-Haft gesessen."

Für viele aus seinem ehemaligen Kollegenkreis sei es nach wie vor schwer, einen anderen Job zu finden. "Lediglich ein Drittel der Entlassenen hat eine neue Beschäftigung gefunden", schätzt er.
Der Prozess gegen Rolf Demuth ist auch Thema bei denen, die heute bei der Schieder-Nachfolgerin Cotta-Möbel arbeiten.

"Natürlich reden wir auch darüber", sagt Willi Düwel aus der Personalabteilung. "Und einige überlegen auch, ob sie irgendwann mal zum Gericht fahren, um sich das anzuhören. Dazu haben wir ja noch eine Menge Zeit."

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