
Kreis Lippe. Im Frühjahr 2013 stehen Wahlen zum Schöffen an. Bärbel Wendt und Reinhard Gehrke möchten die Erfahrungen am Jugendschöffengericht Detmold nicht missen, betrachten die Aufgabe als bereichernd.
Gemeinsam mit Richter Christian von Borries sitzen zwei Schöffen einmal monatlich zu Gericht. Die Ehrenamtlichen sollen "den gesunden Menschenverstand" in die Waagschale werfen, beschreibt es Schöffin Bärbel Wendt. "Es wird in Deutschland zu wenig für Kinder und Jugendliche getan." Dessen ist sich Bärbel Wendt nach zehn Jahren bei Gericht sicher. Ihre Wut darüber blitzt immer wieder auf. "Viele der Jugendlichen haben von Geburt an keine Chance." Familien, ganze Dynastien seien dem Gericht bekannt. "Wie sollen die denn einen Boden unter den Füßen bekommen?", fragt die Detmolderin.
Schöffen werden alle fünf Jahre gewählt. Zwei Amtszeiten am Stück sind möglich. Jeder Bürger kann sich vom Jahresbeginn an bei seiner Gemeindeverwaltung bewerben, jede Kommune muss Schöffen stellen. Für die Jugendschöffen sind Jugendhilfeausschüsse zuständig. Schöffen sind in Rechten und Pflichten den Berufsrichtern gleichgestellt. Sie haben das gleiche Stimmrecht, ihnen ist die richterliche Unabhängigkeit garantiert. Für den Aufwand erhalten sie eine Entschädigung. Internet: www.schoeffen.de
Reinhard Gehrke aus Horn-Bad Meinberg gehört ebenso zu den acht festen Schöffen an der Jugendstrafkammer. Er ist "tief davon überzeugt", dass jeder in die Jugendarbeit investierte Cent sich doppelt und dreifach auszahle, "Prävention ist alles." Als Ratsherr in Horn-Bad Meinberg hat er sich fürs Jugendzentrum "Alte Post" stark gemacht; als Hauptschullehrer und Sozialarbeiter mit jungen Leuten gearbeitet. Er sieht den Job als ehrenamtlicher Richter als konsequente Fortführung seines Arbeitslebens. Es werde sehr ernsthaft verhandelt.
Staatsanwalt, Gericht und Verteidigung arbeiten nach dem Grundsatz "Hilfe statt Strafe".Ob die Jugendlichen das auch so empfinden, wenn sie zu Arbeitsstunden oder Arrest verurteilt worden sind? "Nein", sagt Wendt, "Ja", sagt Gehrke. Es sei immer wieder begeisternd, was aus so manchem der Jugendlichen geworden sei. "Das trägt mehr Früchte, als wir glauben. Und deshalb sitze ich hier." Bärbel Wendt ist weniger optimistisch. "Ich nehme oft eine ,Ach-lasst-mich-doch-Haltung wahr. Viele lügen uns die Hucke voll." Aber: "Die Arbeit weitet den Blickwinkel auf die Gesellschaft ungemein." Und "Einzelne" seien natürlich schon dabei, die einen guten Weg einschlügen.
Beide Schöffen wie von Borries haben festgestellt, dass Übeltäter immer roher agieren, dass nicht selten auf die am Boden liegende Person noch mal extra getreten wird. "Wir haben hier nicht nur die kleinen Delikte. Hochkriminelle Taten sind unser täglich Brot", sagt von Borries. Alle drei sind erschüttert über das Desinteresse der Eltern, die schon 14-Jährige vor Gericht allein ließen.
Alle drei sehen einen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Kriminalität, sehen, dass Alkohol und andere Drogen immer eine Rolle spielen. Und allen ist dennoch bewusst: Es ist nur ein Blick auf einen kleinen Teil der Gesellschaft. Aber die Hoffnung sterbe ja zuletzt, fügt Bärbel Wendt hinzu - keinesfalls als Floskel gemeint.