Lages Bürgermeister nimmt Stellung zu seinem überraschenden Rücktritt

Lage. Noch ein gutes halbes Jahr, dann ist Schluss, dann legt Christian Liebrecht nach fast 15 Jahren sein Amt als Bürgermeister der Stadt Lage nieder. Im Rat hat er seine Entscheidung vor einer Woche bekannt gegeben - und damit die Politiker aller Fraktionen überrascht. Sein Rücktritt erfolge nicht aus Frust, sondern aus persönlichen, familiären Gründen, sagte er damals. Was er in Zukunft plant, wie er sich sein Leben nach der Lokalpolitik vorstellt, schildert er im Interview.

Welche Gefühle hatten Sie, als Sie Ihre Erklärung, am 17. Mai nächsten Jahres zurücktreten zu wollen, im Rat verlasen?

Christian Liebrecht : Ein wenig mulmig war mir schon zumute, wenn man nach so vielen Jahren eine solche Entscheidung bekanntgibt. Ich habe immer gerne für die Bürger der Stadt gearbeitet. Von daher ist auch eine große Portion Wehmut dabei. Das kann man sicherlich verstehen. Aber auf der anderen Seite war auch ein Stück Erleichterung dabei, wenn man eine solche Entscheidung lange mit sich herumträgt und sie dann bekanntgibt.

Außer Ihrem direkten Umfeld wusste doch keiner was davon, oder?

Liebrecht : Meine Familie wusste es, die engsten Vertrauten und natürlich auch meine engsten Mitarbeiter. Die wollte ich nicht überraschen. Zeitgleich zur Ratssitzung habe ich auch alle Mitarbeiter im Rathaus in Kenntnis gesetzt. Von denen waren aber auch an die 20 in der Ratssitzung zugegen, die wegen einiger Tagesordnungspunkte gekommen waren. Die sind leider kalt erwischt worden. Nachmittags hatte ich den Personalrat und den Landrat informiert.

Wie reagierten die Ratsmitglieder unmittelbar nach der Sitzung?

Liebrecht : Überrascht, der eine oder andere war auch ein bisschen betroffen. Die meisten mussten diese Entscheidung erstmal verdauen. Einige fragten mich, ob ich mir das auch gut überlegt hätte. Ob jemand auch erleichtert war, dass ich aufhöre, ist mir nicht bekannt. Aus der Bevölkerung habe ich Signale erhalten, dass einige Menschen meinen Schritt bedauern.

Was sagen Ihre Mitarbeiter dazu, dass ihr Chef geht?

Liebrecht : Eine gewisse Unsicherheit und Sorge sind bei der Frage zu spüren, wer Nachfolger wird. Wir haben, glaube ich, ein sehr gutes und effizientes Betriebsklima. Da wünsche ich mir natürlich, dass das so bleibt und meine Mitarbeiter mit meinem Nachfolger auch gut klar kommen.

Sie werden in Kürze 58 Jahre alt, sind also noch jung genug, etwas ganz Neues anzufangen. Welche Pläne haben Sie noch außer der Übernahme der Geschäftsführung im Betrieb Ihres Bruders?

Liebrecht : Wie ja die meisten wissen – durch die jährliche Veröffentlichung im Rat (Anmerkung der Redaktion) – haben wir als Familie ein kleines Immobilien-Unternehmen, das es schon seit über 20 Jahren gibt. Diese Firma möchte ich noch ein bisschen ausbauen. Ansonsten gehe ich davon aus, dass ich noch Beratungstätigkeiten übernehmen werde.

Politisch, oder um welche Beratung wird es sich handeln?

Liebrecht : Je nachdem, eine politische oder wirtschaftliche Beratungstätigkeit. Auf jeden Fall sitze ich nicht auf der Couch. Ich kann nur unter Volldampf arbeiten, und das wird wieder so werden. Es braucht sich keiner Sorgen zu machen, dass mir langweilig wird. Die Mischung meiner Erfahrungen aus der Wirtschaft und aus der Politik als Verwaltungsbeamter gibt es ja selten. Da gibt es sicherlich einige Tätigkeitsfelder als Berater oder als Coach.

Sagen Sie der Politik gänzlich Lebewohl oder würde Sie nicht auch eine Tätigkeit in der &bdquo;großen Politik" reizen? Vital genug sind Sie ja dafür noch.

Liebrecht : Man sollte niemals nie sagen. Jetzt ist erstmal Schluss mit Politik. Aber man weiß ja nie, was kommt. Es wird sich zeigen, ob sich da vielleicht noch einmal etwas ergibt.

Sie sagten, Lage sei für die Zukunft gut aufgestellt. Gibt es aber noch etwas, was Sie hier gerne vollendet hätten?

Liebrecht : Da gibt es einiges. Gerne hätte ich als Bürgermeister noch die Belebung der oberen Bergstraße erlebt. Da haben wir hohe Leerstände. Wir sind im Moment in Gesprächen mit Investoren, das zieht sich aber. Was ich gerne noch hinbekommen hätte, ist ein Hotel. Da finden wir aber leider keinen Betreiber für, obwohl es Investoren genug gibt. Gut für die Stadt wäre auch gewesen, wenn man mit großer Mehrheit eine Wohnungsbaugesellschaft errichtet hätte. Die FDP möchte in Lage gerne Studentenwohnungen etablieren, die Ärztekammer sucht größere moderne Räumlichkeiten für Arztpraxen – das alles hätte man mit einer Wohnungsbaugesellschaft leisten können. Die Pläne liegen vor, vielleicht findet sich in der Zukunft ja noch eine breite Mehrheit dafür.

Glauben Sie, dass bei der nächsten Kommunalwahl die AfD in den Rat einziehen wird?

Liebrecht : Ich fürchte ja. Es gelingt den etablierten Parteien nicht, den Menschen die Sorgen zu nehmen, was insbesondere die Themen Zuwanderung, Integration und vieles andere anbetrifft. Auch meine Partei, die CDU, hat hier bisher keine geeigneten Rezepte auf den Weg gebracht.

Egal, aus welcher politischen Richtung Ihr Nachfolger kommt – haben Sie einen Ratschlag für ihn?

Liebrecht : Man muss abwarten, wer es wird. Wichtig ist, mit dem eigenen Personal gut umzugehen. Eine funktionierende, gut motivierte Mitarbeiterschaft so wie hier bei uns ist der größte Trumpf, den eine Verwaltung haben kann.

Bewerbungsfrist endet im Januar Bisher gibt es noch keinen Kandidaten für die Nachfolge von Bürgermeister Christian Liebrecht, der seinen Sessel im Lagenser Rathaus mit Ablauf des 17. Mai nächsten Jahres räumen wird. Bewerber für dieses Amt haben noch bis Ende Januar Zeit, ihre Absichten kund zu tun. Die Wahl selbst soll am 26. Mai 2019 parallel zur Europa-Wahl stattfinden.

Zuständig für den Ablauf ist der Kreis Lippe als untere staatliche Aufsichtsbehörde. Wahlleiter ist Technischer Beigeordneter Thorsten Paulussen, der als allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters die Amtsgeschäfte Liebrechts nach dessen Ausscheiden bis zur Wahl des Nachfolgers übernimmt.

Der neue Bürgermeister wird von den Bürgern direkt gewählt. Einen Dienstvorgesetzten hat er nicht und er bekommt auch keine Ernennungsurkunde, lediglich ein Schreiben vom Landrat, der die Wahl anerkennen muss. Dadurch, dass die Bürgermeister-Wahl zusammen mit der Europa-Wahl stattfindet, spart die Stadt eine fünfstellige Summe ein. Aufgerufen zur Teilnahme an der Wahl sind rund 28.000 Lagenser. Gibt es mehr als einen Kandidaten, könnte es 14 Tage später eine Stichwahl geben.

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