Claudia Theisen kämpft lange um die Anerkennung eines Impfschadens

Lage. Es war der Traum des Paares, nach Afrika zu reisen. Daraus geworden ist ein Albtraum. Nach einer Schluckimpfung gegen Kinderlähmung, die für die Reise empfohlen worden war, erkrankt Claudia Theisen im Alter von 38 Jahren. Sie sitzt aufgrund der fortschreitenden Erkrankung seit mehr als zehn Jahren im Rollstuhl. Seit 17 Jahren kämpft sie um die Anerkennung des Impfschadens. Am 8. März liest Claudia Theisen ab 19 Uhr im Technikum aus ihrem Buch "Aus dem Schatten getreten - Mein Leben mit einem Impfschaden". Soviel sei verraten: Es ist keine Abrechnung einer Impfgegnerin.

Frau Theisen, Sie sitzen nach einer Schluckimpfung gegen Kinderlähmung im Rollstuhl - haben Sie sich gegen Corona impfen lassen?

Claudia Theisen: Ja, das war damals eine Entscheidung, die ich gemeinsam mit meiner Familie getroffen habe. Man hat mir jahrelang gesagt, ich solle mich auf keinen Fall mehr impfen lassen - obwohl lange ein Zusammenhang mit der Impfung bestritten worden ist, aber diese Pandemie hat uns zu einem Umdenken veranlasst. Ich bin Mitglied bei &bdquo;Myelitis e.V.“ , einem Verein, der sich mit besonders seltenen Erkrankungen beschäftigt. Der Verein steht mit Fachärzten, besonders aus Amerika, in Verbindung und veröffentlicht deren Aufsätze für uns Mitglieder. Die Fachleute empfahlen damals eine Impfung für uns Myelitis-Erkrankte mit einem mRNA-Impfstoff.

Sind Sie Impfgegnerin?

Claudia Theisen: Nein, ich bin überhaupt keine Impfgegnerin. Im Gegenteil: Ich finde, Impfungen sind ein Segen für die Menschheit. Und dass wir in unserem Land Zugang zu allen Impfstoffen haben, ist ein Grund, jeden Tag dankbarzu sein. Natürlich ist es ein Medikament, wenn man so will, und jede Impfung ist – wie jede ärztliche Therapie – mit Risiken behaftet. Ich hatte Pech, aber das kann mit einer geringen Wahrscheinlichkeit eben passieren.

Werden Sie und Ihre Lebensgeschichte instrumentalisiert? Claudia Theisen: Mir ist es erst einmal passiert, dass meine Geschichte instrumentalisiert worden ist. Ausgerechnet eine ehemalige Mitarbeiterin aus meiner Kanzlei hat als Grund, sich gegen die Corona-Impfung zu entscheiden, angegeben, sie kenne ja mein &bdquo;Schicksal“. Für mich schwer vorstellbar; ich denke, da haben ganz andere Gründe eine Rolle gespielt.

Sie haben Jura studiert und dafür gekämpft, dass der Impfschaden anerkannt wird - wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Claudia Theisen: Das Studium war mit eine der tollsten Zeiten in meinem Leben. Anfangs hatte ich Angst, völlig allein dastehen zu müssen, aber das war überhaupt nicht so.

Und der Kampf ums Recht?

Claudia Theisen: Im Studium habe ich gelernt: Man muss aushalten – auch und gerade Niederlagen. Sachlich zu argumentieren war eine große Herausforderung für mich. Aber genau das war wichtig während der vielen Verfahren im Rahmen des Impfschadens. Es hat allein 5,5 Jahre gedauert, bis ich anerkannt war, weitere 5,5 Jahre bis ich den Landschaftsverband überzeugt hatte, dass ich mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 40, die man mir damals gegeben hatte, nicht rechtmäßig bewertet worden bin. Im gerichtlichen Vergleich habe ich einen GdS von 80 und seit dem 1. Juli 2018 von 90 erhalten. Die 17 Jahre, die ich seit Februar 2006, damals habe ich meinen Antrag auf Anerkennung gestellt, unentwegt und ohne Pause um meine Ansprüche kämpfen muss, sind anstrengend und oft von persönlichen Beleidigungen durch die Behörde gezeichnet gewesen. Und wir sind noch nicht am Ende.

Warum haben Sie das Buch geschrieben?

Claudia Theisen: In der Coronakrise gab es große Verunsicherungen. Ich war entsetzt, wenn ich hörte, dass die Impfung als &bdquo;Piks“ bezeichnet wurde. Es ist kein Piks, es ist ein Wirkstoff, der verabreicht wird und der Schäden verursachen kann und ja auch nachweislich hat. Ich möchte Betroffenen Mut machen, um ihre Ansprüche und Rechte zu kämpfen, aber auch darauf hinweisen, dass es ein sehr weiter Weg mit vielen Verletzungen werden kann. Nicht jeder kann das durchhalten und die Anwälte werden im Sozialrecht grottenschlecht bezahlt. Da geht es nicht um Streitwerte wie im Zivilprozess sondern es gibt Regelsätze, die so gering sind, dass ein Anwalt für den Betrag kaum meine Akte lesen könnte.

Schafft es nicht auch Verunsicherung?

Claudia Theisen: Das kann natürlich sein, aber ich möchte nachdenklich machen. Und zum Nachdenken gehört doch Verunsicherung auch immer ein Stück weit dazu, oder? Ich persönlich bin damals sehr naiv und unvoreingenommen in die ganze Auseinandersetzung mit dem LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Anm.d.R.) reingestolpert. Inzwischen bin ich persönlich überzeugt davon, dass da System hinter steckt. Es ist kaum vorstellbar, dass die Sachbearbeiter und die Rechtsabteilung des Amts für Soziales Entschädigungsrecht beim LWL die von ihnen anzuwendenden Gesetze nicht kennen.

Gerade in Pandemiezeiten ist das Thema aktuell - und immer noch, weil man jetzt viel mehr von Post-Covid-Syndromen hört. Was muss sich verändern?

Claudia Theisen: Post-Covid ist ein Albtraum. Die Betroffenen haben insofern &bdquo;Glück“ als die Medizin dem Kind schnell einen Namen gegeben hat und nun bekannt ist, dass sie nicht allesamt Arbeitsverweigerer und eingebildete Kranke sind. Obwohl es ja auch Mediziner gibt, die Post-Covid oder die damit verbundene Fatigue vehement leugnen. Pech, wenn man einen dieser Vertreter als Gutachter erwischt.

Was müsste aus Ihrer Sicht für die Patientensicherheit verändert werden?

Claudia Theisen: Das Gutachtensystem in Deutschland im medizinischen Bereich muss dringend reformiert werden. Es kann nicht sein, dass der eine vom anderen abschreibt und nachweisliche Fehler nicht aus den Akten beseitigt werden können. Gutachter müssten nachweisen, dass sie mit der Versorgungsmedizin-Verordnung vertraut sind. Sie enthält unabdingbares Basis-Wissen für derartige Gutachter.

Hera Lind stößt das Projekt Buch an Claudia Theisen (67) ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und lebt in Bielefeld. Ende 2020 trifft sie Hera Lind bei einer Lesung in Leopoldshöhe. "Sofort hat uns etwas verbunden, was man selten, aber doch hin und wieder trifft, wenn man neue Leute kennenlernt. Heute sind wir befreundet", sagt Theisen. Lind habe damals vorgeschlagen, aus Theisens Lebensgeschichte einen ihrer Tatsachenromane zu verfassen. Und so kam es zum Buch: "Als ich ihr dann alles aufgeschrieben und zugeschickt hatte, meinte sie: ,Das lese sich wie geschlagene Sahne.' Und ich könne das sehr gut selbst. Sie hat mir dieses großartige Vorwort geschrieben."

Die kostenlose Veranstaltung wird zum Weltfrauentag vom Förderverein Stadtbücherei Lage, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Lage Katrin Winter und dem Behindertenbeauftragten der Stadt Lage Rolf Tschentscher angeboten. Um Anmeldung bis Dienstag, 7. März, wird gebeten bei Michael Biermann, michael.biermann@web.de , Tel. (05232) 970854.

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