
Lemgo-Leese. Bernhard Kasper ist gelernter Möbeltischler. Jetzt kommen zwei Fakten, die in Ostwestfalen-Lippe bekannt sind: Niedergang der Möbelindustrie, schwierige Zukunft für die Arbeitskräfte. Was tun? Eine Frage, die sich auch Kasper vor elf Jahren stellen musste. Nachdem gleich zwei seiner früheren Arbeitgeber in der Insolvenz endeten, blieb der damals 46-Jährige erst mal ratlos zurück. Und entdeckte seine Leidenschaft für Fische.
„Mehr als ein Jahr habe ich gehofft, dass es noch eine Zukunft in der Möbelbranche für mich gibt. Irgendwann war klar, dass mehr als Hoffnung nicht geblieben war", erinnert sich der Mann aus Leese. Auf einer Quicksilver 65 vor Bornholm fiel damals die Entscheidung. Kasper war schon immer ein Angler aus Leidenschaft und wollte nach dem Ausflug 14 Kilogramm Lachs räuchern. „Ich habe nach langer Suche in Minden eine Räucherei gefunden. Und nachdem ich mehrere Monate oft zugesehen und geholfen hatte, war klar: Ich mache mich selbstständig."
Anhänger
Für neue Anhänger und Selbstfahrer gibt es in Deutschland eine Handvoll Anbieter. Marktführer ist Borco Höhns in Rotenburg. Andere Firmen sind Seico, Gamo, RKB oder Esselmann. Spezialfahrzeuge werden für alle Branchen angeboten: Hähnchengrill, Backwaren, Feinkost und Oliven, Wurst und Käse, Fisch und Obst oder Molkereiprodukte. Ein Standardanhänger kostet neu 30.000 Euro aufwärts, ein Selbstfahrer rund 60.000 Euro. Spezielle Strahler, die Kühlung und die Verglasung treiben den Preis in die Höhe.Sein erster Bulli samt Anhänger und Räucheranlage verschlangen eine satte fünfstellige Summe. Das ganze Equipment vom Messer bis zu den Waagen und Schalen war ebenfalls nicht umsonst zu haben. „Nicht vergessen kann ich die Probleme mit dem Stromanschluss, weil die Räucheranlage von der Leistung her nicht zum Hausnetz passte. Ich musste letztendlich extra eine Gasleitung legen lassen, weil sonst bei den Nachbarn die Lampen ausgegangen wären, wenn ich mit dem Räuchern angefangen hätte."
Bringt so ein Fischwagen sofort hohe Rendite? „Anfangs gab es immer wieder Phasen, wo ich 70 Stunden in der Woche gearbeitet habe und nicht wirklich was in der Kasse übrig blieb", weiß er rückblickend zu berichten. Zudem musste er wegen der Rauchentwicklung einen Nachbrenner einbauen lassen und – Kasper wird etwas lauter – „wurde beim Wareneinkauf in den ersten Jahren über den Tisch gezogen".
Die Arbeit ist geblieben, die Strukturen hat er jetzt besser im Griff. „Vor drei Jahren stand ich fünf Tage vor Ostern in meinem Betrieb und musste 1400 Forellenfilets fertigmachen", erklärt der Selfmademan, will heißen: an manchen Tagen hört der Tag gar nicht auf.
Seinen Fisch bekommt er aus dem östlichen Atlantik, der Nordsee oder Dänemark. Von der Sprotte über den grünen Hering („...legen die älteren Leute gern selbst ein") bis zur Makrele hat er alles an Bord. Selbst isst er gern mal ein Lachsbrötchen.
Welche Entwicklungen kommen auf die Branche der mobilen Geschäfte zu? In Rotenburg (Wümme) hat der Marktführer Borco Höhns (50 Prozent bei Anhängern und Selbstfahrern) seinen Sitz. Alexa Lill aus der Marketing Abteilung sieht zunehmende Probleme, Nachfolger im Gewerbe zu finden. „Aus Kundengesprächen wissen wir, dass das Interesse am Handwerk und an dieser Arbeit rückläufig ist. Die Kinder der Betreiber übernehmen die Anhänger und Selbstfahrer nur noch sehr selten."
Und was macht Kasper bis zum Ruhestand? Er fährt weiter zum Angeln nach Norwegen. Auch wenn das Hobby längst sein Beruf geworden ist, lässt er sich gern auf hoher See blicken. Seine beiden Söhne angeln auch, nördlich von Trondheim oder vor den Lofoten sind immer mal wieder ein paar Tage drin. Räuchern kann er den Fang glücklicherweise selbst.