Lemgo. Welch Paukenschlag nach der Sommerpause: Die schwarz-gelbe Landesregierung gibt grünes Licht für die sogenannte Nordumgehung. Unter Rot-Grün lag der Lückenschluss von der Westalm bis zur B238 nördlich des Klinikums noch auf Eis. Jetzt hat das Ministerium von Hendrik Wüst (CDU) entschieden: Der Straßenbaubetrieb NRW soll die Planungen aus der Schublade holen und sie schleunigst vorantreiben.
Obwohl der Bund die Straße im Bundesverkehrswegeplan in einer Top-Kategorie einsortiert hatte – damit ist unter anderem die Finanzierung gesichert –, war es unter Rot-Grün in Düsseldorf zuletzt ruhig um den Lückenschluss geworden. Wie Sven Johanning, Sprecher des Landesbetriebs Straßenbau („Straßen.NRW") in Bielefeld erinnert, hatte Rot-Grün entschieden: Die Lemgoer Nordumgehung wird nur gebaut, sofern dazu ein positiver Beschluss in Düsseldorf gefasst würde. Unter SPD und Grünen kam es dazu aber nicht.
Jetzt macht CDU-Minister Hendrik Wüst, zu dem nach LZ-Informationen auch Parteifreunde aus der Region einen guten Draht haben, Nägel mit Köpfen. Wie Ministeriumssprecherin Leonie Molls auf LZ-Anfrage bestätigt, gilt der Sperrvermerk der abgelösten Landesregierung zur Nordumgehung als aufgehoben. Molls: „Wir haben mit dem Landesbetrieb vereinbart, dass die Planungen wieder aufgenommen werden." Frühestens 2018 könne ihrer Einschätzung nach das Planfeststellungsverfahren beginnen.
Zuständig ist dann die Bezirksregierung Detmold, die bei dem aufwendigen Verfahren, das sich lange hinziehen kann und oft noch Klagen nach sich zieht, sowohl die Verträglichkeit als auch die Notwendigkeit des Straßenbaus prüfen muss. Unter anderem wird es nach Angaben von Sven Johanning auch um Tiere, Pflanzen und Landschaftsbild im Ilsetal gehen, durch das die Umgehungsstraße führen soll.
Gerade hier hatte sich in der Vergangenheit bereits erbitterter Widerstand gegen den Straßenbau formiert. Nach Angaben von Johanning wird der nächste Schritt die Aktualisierung von Gutachten sein, die Straßen.NRW bereits in Auftrag geben hatte. „Vorher kann die Bezirksregierung das Planverfahren nicht einleiten", sagt der Pressesprecher.
Bürgermeister Dr. Reiner Austermann spricht von einer „richtig guten Nachricht", die ihn über die LZ erreichte. „Der Lückenschluss – der nördliche Teil der Westumgehung – wird eine spürbare Entlastung für die Bürger bringen", bekräftigt Austermann. So sei es auch in Brake beim Bau der Südumgehung gewesen. Für die Herforder Straße, die Gosebrede und die Richard-Wagner-Straße erwarte er deutlich weniger Schwerlast- und überregionalen Verkehr etwa in Richtung Kalletal.
Die Bedeutung der Nordumgehung bemesse sich auch in ihrer „außerordentlich guten Einordnung" im Bundesverkehrswegeplan als Lückenschluss. Stelle man die Vorteile (Zeit-, Spritersparnis, Abgas- und Lärmreduzierung) dem Eingriff ins Ilsetal gegenüber, sehe er in Letzterem „in der Güterabwägung das deutlich kleinere Übel", sagt Austermann. Mit dem Briefkopf des Ministeriums sei die neue Marschrichtung aus Düsseldorf noch nicht bei „Straßen.NRW" in Bielefeld angekommen, betont Sven Johanning. Sobald jedoch offiziell die neue Anweisung zur Nordumgehung komme, werde man die Planung wieder aufnehmen.
Kommentar: "Ein Fingerzeig für die Region"
von Till Brand
Kaum jemand hat damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Knapp zwei Monate nachdem Ministerpräsident Armin Laschet in Düsseldorf sein Kabinett vorgestellt hat, schlägt Parteifreund Hendrik Wüst erste Pflöcke ein. Der Verkehrsminister holt die Lemgoer Nordumgehung aus der Versenkung, in die sie Rot-Grün zuletzt befördert hatte. Und das als eine seiner ersten Amtshandlungen nach der langen Sommerpause.
Das ist ein bemerkenswerter Fingerzeig für die Region und für Lippe. Hat sich Hendrik Wüst tatsächlich in der Kürze der Zeit von der Wichtigkeit des Vorhabens überzeugt, die die Befürworter gebetsmühlenartig wiederholen? Oder haben Parteifreunde des CDU-Ministers ihre Beziehungen ausgespielt? Dann ist die Region trotz der fehlenden OWL-Minister im Kabinett offensichtlich doch nicht so abgehängt wie geunkt wurde.
Inhaltlich steht es mit dem Richtungszeig des Ministeriums jedenfalls so gut für die Lemgoer Nordumgehung wie nie zuvor: Im Verkehrswegeplan des Bundes ist sie bereits in der Top-Kategorie platziert, dazu kommt jetzt der klare Planungsauftrag aus Düsseldorf. Die Chance, dass der Verkehr Ende der 2020er Jahre über die Umgehung rollt, ist schlagartig gestiegen. Die inhaltliche Auseinandersetzung, die die Gegner aus dem Ilsetal mit ihren Protesten bereits angedeutet haben, steht jedoch noch an. Es wird ein harter Kampf.