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SPD will Bahnlinie im Begatal für Radfahrer asphaltieren

Till Brand

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Kommen sich ins Gehege: Die Verkehrsbetriebe Extertal und die Landeseisenbahn fahren im Begatal – die SPD schlägt vor, auf der Trasse bis Dörentrup oder Barntrup einen Radschnellweg zu bauen. - Grafik: Benjamin Möller/maps4news.com/©HERE; Fotos: Till Brand, Dirk Schmidt (Wikipedia CC BY-SA3.0)
Kommen sich ins Gehege: Die Verkehrsbetriebe Extertal und die Landeseisenbahn fahren im Begatal – die SPD schlägt vor, auf der Trasse bis Dörentrup oder Barntrup einen Radschnellweg zu bauen. (Grafik: Benjamin Möller/maps4news.com/©HERE; Fotos: Till Brand, Dirk Schmidt (Wikipedia CC BY-SA3.0))

Lemgo. Bei den Verkehrsbetrieben Extertal und der Landeseisenbahn schrillen die Alarmglocken. Grund ist der Vorschlag der Lemgoer SPD, die Bahntrasse im Begatal zu asphaltieren und als Radschnellweg zu nutzen. „Wir benötigen die Verbindung nach Brake noch dringend", betont Sven Oehlmann, Chef der Verkehrsbetriebe Extertal (VBE). Jochen Brunsiek von der Landeseisenbahn bezeichnet die Idee der Lemgoer SPD als „zumindest merkwürdig".

Der Vorschlag: Für SPD-Chef Udo Golabeck ist klar: Radfahren entlastet Straßen, entspannt die Parkplatznot. Beispiele wie der Radschnellweg 3 von Herford über Löhne, Bad Oeynhausen und Porta Westfalica nach Minden seien ein Konzept, um mehr Leute zum Umstieg auf Rad oder E-Bike zu bewegen. Warum also nicht das Begatal nach dem Herforder Beispiel aufrüsten, wo die alte Bahntrasse von Lemgo vergleichsweise eben und damit fahrradfreundlich gen Osten führt? Weil im Begatal sowieso die meisten Menschen fernab der Bahnlinie wohnten, sei eine Reaktivierung für den Personenverkehr einfach illusorisch, meint Golabeck. An die Stelle der Bahntrasse könne ein Radschnellweg treten, der Barntrup und Dörentrup mit Lemgo weiter in Richtung Salzuflen verbinden könnte.

Die Machart: Radschnellwege sind nach Angaben von Stefanie Rasche vom städtischen Straßenbaubetrieb ein Bestandteil des Aktionsplans der Landesregierung zur Nahmobilität. Im Klartext: Es handelt sich um Modellprojekte, die zu 80 Prozent gefördert und vom Landesbetrieb Straßenbau errichtet werden. Sie müssen mindestens vier Meter breit sein und an Kreuzungen Vorrang genießen. Fünf Kilometer ist die Mindestlänge – das wäre im Begatal der Fall. Die Kosten gibt die Landesregierung nach Angaben von Stefanie Rasche mit 500 bis 1000 Euro pro Meter Radweg an, wobei es aufgrund der stolzen Förderung durch das Land attraktiv für die Kommunen ist.

Schiene vs. Fahrrad: Ganz und gar nicht einverstanden mit der Idee der Lemgoer Sozialdemokraten für einen Express-Radweg im Begatal sind die VBE und die Landeseisenbahn. Sven Oehlmann als Chef der Verkehrsbetriebe spricht von der Bahnlinie zwischen Brake und Dörentrup als „Abschnitt, der für Reparaturen von Loks in Bielefeld, Überführungen, Holzschnitt-Abfuhr und Warenlieferungen" unabdingbar sei. Es sei mitnichten so, dass die Gleise im Begatal nicht mehr benötigt würden. Seit dem Abbau der Strecke nach Hameln sind Begatal- und Extertalbahn eine Sackgasse. Ohne die Strecke zum Lüttfeld wären sie komplett abgeschnitten.

Der Status quo: Eine Entwidmung der Bahnstrecke, bei der sie offiziell außer Betrieb genommen wird, müsste einer anderen Nutzung vorausgehen. Ihr erteilt Sven Oehlmann, der das Verfahren als VBE-Geschäftsführer in Gang bringen müsste, deshalb eine deutliche Absage: „Das steht nicht zur Debatte." Auch wenn der Personenverkehr von Osten gesehen derzeit nur bis Dörentrup-Tonwerke gestattet und die Strecke im Begatal Richtung Lemgo für „regelmäßige Fahrten betrieblich gesperrt" sei – Sonderfahrten fänden hier statt. Ohne Passagiere dürfe beispielsweise auch die baufällige Brücke am Walkenfeld überquert werden – und müsse es auch, etwa wenn ein Triebwagen zur Reparatur außerhalb Lippes gefahren werden müsse.

Zukunftsmusik: Statt Gleisabbau und Rad-Expressweg hegen VBE und Landeseisenbahn sogar gegenteilige Hoffnungen. Mit Fördergeld würde Jochen Brunsiek von der Landeseisenbahn am liebsten auch die touristische Wiederbelebung der Strecke nach Lemgo vorantreiben. Nur den Eigenanteil von 40 Prozent der notwendigen bis zu 100.000 Euro fürs Konzept könne die Landeseisenbahn, die immerhin seit zwölf Jahren die Infrastruktur auf eigene Faust aufrecht erhalte, nicht stemmen. Hier seien die Anlieger-Kommunen gefragt. Den Anstoß könnte hier ausgerechnet die alte Hansestadt geben, wie Dr. Burkhard Pohl, Fraktionschef der Grünen, sagt. Seine Fraktion wolle, dass die Landeseisenbahn im ersten Schritt ihre Ideen in Lemgo vorstelle. Gut möglich, dass sich anschließend die Frage stellen wird: Beteiligt sich Lemgo an den Planungskosten – oder sogar an Baukosten? Wie Jochen Brunsiek sagt, sind diese neben der Brücke am Walkenfeld bestimmt vom Austausch von Bahnschwellen und der Entwässerung im Bereich Vogelhorst. Im November stünden die nächsten Gespräche zwischen den Verkehrsbetrieben Extertal, der Landeseisenbahn und den Behörden an, berichtet Jochen Brunsiek. Für Lemgos Baudirektor Markus Baier ist die interkommunale Vereinbarung maßgeblich, der Landeseisenbahn „keine Optionen zu verbauen". Damit dürfte der Radschnellweg „Begatal" wohl vom Tisch sein.

Zurück zum Rad: Und was wird dann aus dem SPD-Vorschlag für den ersten lippischen Radschnellweg? Der soll nicht länger von Lemgo aus allein vorangetrieben werden. Auch Udo Golabeck als SPD-Fraktionsvorsitzender hatte angeregt, neben der Osttrasse gen Barntrup weiter in Richtung Lieme, Lage, Bad Salzuflen und Herford samt Anschluss an den Radschnellweg 3 nach Minden zu denken. „Das ist die interessantere Richtung", bekräftigt denn auch Grünen-Chef Burkhard Pohl mit Blick auf Bevölkerungsentwicklung und Pendlerverhalten. Wie Detlef Höltke, Vorsitzender des Verkehrsausschusses, erklärt, wird daher nun der Kreis Lippe eingeschaltet: Er soll prüfen, ob und wo ein Rad-Express in Lippe Sinn ergeben würde.

Kommentar: Kalkulierte Provokation

von Till Brand

Da kann man sich nur verwundert die Augen reiben: Meint die Lemgoer SPD das wirklich ernst? Der Schienen-Strang im Begatal zwischen Lemgo und Dörentrup oder sogar weiter in Richtung Barntrup könne ja für Radler asphaltiert werden, die so die erste lippische Expressroute bekämen. Mit der Landeseisenbahn, die zwischen Dörentrup, Barntrup und Extertal ihre Züge fahren lässt, hat aber keiner gesprochen. Für die engagierte Gruppe wäre die Idee der Todesstoß. Ist doch das Begatal die einzige Route, auf der Züge und das Material für Reparaturen & Co. hinein und hinaus gelangen.

Dass die Verkehrsbetriebe Extertal als Eigentümer ihre Schienen auf keinen Fall für Radfahrer hergeben werden, muss auch den Sozialdemokraten klar gewesen sein... Weshalb also der provokante Vorschlag? Glauben wir an das Gute: Die SPD wollte für das Thema „Radschnellweg" größtmögliche Aufmerksamkeit. Und wie geht das? Durch Grenzüberschreitung.

Das wäre gelungen. Nun soll sich der Kreis Gedanken machen, ob auch Lippe eine Expressroute für Radler bekommen soll – wie Herford. Dabei kann es nur eine Prämisse geben: sie anhand der Pendlerströme zu planen. Freizeitradler brauchen keinen Schnellweg – so fährt kein Auto weniger. Die Musik spielt im Berufsverkehr.

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