Einstimmiger Zuspruch für Lemgos Doppel-Etat

Lemgo. Schulterschluss zwischen Rechts und Links, von Schwarz bis Grün: Mit 41 von 41 Stimmen hat der Stadtrat Lemgos Doppelhaushalt für 2021/22 auf den Weg geschickt. Vor allem bei den Themen Wirtschaftsförderung sowie Umweltschutz gingen die Fraktionschefs teils hart miteinander ins Gericht. Aber nicht, ohne sich schlussendlich hinter einem klaren &bdquo;Ja" zum großen Ganzen zu einen: Dem Gerüst, das über das Wahljahr hinaus tragen soll.

Der scheidende CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Harald Pohlmann sieht die Lemgoer Kommunalpolitik am Wendepunkt. Die &bdquo;großen Investitionen der Vergangenheit bei gleichzeitiger Tilgung von Schulden" seien nur wegen der wirtschaftlichen Stärke möglich gewesen. Hier drohe nun die Krise. Eine Fehlentscheidung sei der Erhalt des viel beschworenen Grünstreifens am Rande des Industriegebiets Lieme. &bdquo;Symbolpolitik", warf er BfL, SPD und Grünen vor und warb: &bdquo;Lasst uns lieber eine dreifache Fläche am Stadtwald aufforsten." Wenn die Politik beim Umweltschutz überziehe, drohe dies vom rechten Rand skrupellos ausgenutzt zu werden. &bdquo;Das wäre Wasser auf die Mühlen der AfD", warnte Pohlmann.

SPD-Mann Udo Golabeck, der den Führungsposten ebenfalls räumen wird, sieht Lemgo hingegen &bdquo;zum Strategiewechsel verdammt". Selbst wenn man mit dem Klimaschutzkonzept erfolgreicher sei als alle lippischen Nachbarn, &bdquo;reicht das nicht. Wir müssen mehr tun." Daher die Rettung des Grünstreifens, daher die Forderung nach einer höheren Gewerbesteuer. &bdquo;Von den hohen Gewinnen wollen wir einen kleinen Teil in den Stadtsäckel umleiten", so Golabeck. Öffne sich doch die Schere zwischen Reich und Arm weiter.

Doch entgegen der Rettung des &bdquo;Liemer Wäldchens" war die Steuererhöhung mit der BfL nicht zu machen. Die Idee verfehlte die Mehrheit. Recht so, meint BfL-Chef Wolfgang Sieweke und setzt darauf, dass die Stärke der Wirtschaft Jobs mit sich bringt. Beim Klimaschutz &bdquo;können und müssen wir mehr und schneller handeln", sagte Sieweke. Von 17 Punkten im alten Konzept würden lediglich 6 als abgehakt gelten. Gegen die SPD teilte Sieweke aus, indem er den Sozialdemokraten vorwarf, das &bdquo;S" im Namen nicht zu verdienen, hätten die Genossen doch eine höhere Senkung des Kitabeitrages verweigert.

Naturgemäß rückte auch Dr. Burkhard Pohl, Fraktionsvorsitzender der Grünen, das Thema &bdquo;Umwelt" in den Mittelpunkt. Zwar fremdele der Bürgermeister immer noch mit dem Klimaschutz, doch – &bdquo;Kompliment an ,Fridays for Future – der Wandel ist vor Ort angekommen". Lemgo brauche nun &bdquo;radikale Veränderungen", beispielsweise mehr Busse abends und am Wochenende, um zu erreichen, dass bis 2030 beispielsweise ein Drittel weniger Autos führen. &bdquo;Statt unnötigem Flächenfraß muss die Wirtschaft erst mal Lücken füllen", unterstrich Pohl auch seine Position zu Lieme.

Kurz fasste sich Fritz Steinke (&bdquo;Einfach Lemgo"). Auch er hätte gern niedrigere Kitagebühren gehabt. &bdquo;Doch der Entlastungsvorschlag wurde abgebügelt." Ebenso wie &bdquo;Belange von Bürgern, die nicht auf Rosen gebettet sind". Beim Klimaschutz habe es Lemgo 30 Jahren &bdquo;verschlampert".

Barbara Schiek-Hübenthal (FDP) richtete den Blick auf den Anstieg der städtischen Ausgaben: &bdquo;2021 rutschen wir in die roten Zahlen." Die Zahl der städtischen Mitarbeiter liege auf &bdquo;Allzeithoch". Und was die SPD in Sachen Steuern und Umweltschutz fordere, gehe zu Lasten von Jobs. Die Grünen führen ihre &bdquo;Anti-Auto-Politik", die BfL &bdquo;haut Fördergelder raus".

&bdquo;Streiten statt Schmollen" Ein Kommentar von Till Brand

Selten gab sich der Stadtrat zum Ausklang des Jahres so themenarm: Umwelt, Klima, ein wenig Wirtschaft. Viel mehr war da nicht in den Haushaltsreden der Fraktionschefs. Langeweile, Einbahnstraße, Engstirnigkeit? Von wegen! Das Gegenteil ist der Fall: Konzentration aufs Wesentliche. Die Vorjahre waren da vom Klein-klein vernebelt.

Jetzt stellen alle die offensichtliche Frage der Zeit: Wie lässt sich die Klima-Katastrophe abwenden? Und: Lässt sie sich überhaupt abwenden, ohne Wohlstand und Wirtschaftskraft einzubüßen? Auch: Was hat all das mit Lemgo zu tun?

Die Antwort: viel. Global denken, lokal handeln – der viel zitierte Slogan muss die Prämisse sein. Beispiele gefällig? Der Wandel im Stadtforst, damit der Wald auch Klimakapriolen gewachsen ist. Ein Ende des Lemgoer Verkehrswahnsinns in der Rushhour – durch den Bau der Umgehung oder durch mehr und günstigere Busse? Darüber darf man streiten.

Oder die Rettung des &bdquo;Wäldchens" am Liemer Industriegebiet. Natur versus Wirtschaft – hier zeigt sich der Konflikt doch vor Ort. Und es zeigt sich, wie wichtig es ist, unaufgeregt und sachlich zu reagieren: Nach dem unerwarteten Schwenk von SPD und BfL hätten die Christdemokraten sich in die Schmollecke stellen können. Taten sie aber – wenn überhaupt – nur kurz.

Dann kam der Gegenvorschlag: Die Abholzung der Buschreihe ist keine Öko-Katastrophe, sondern mit einer Aufforstung am Stadtwald auszugleichen. Möge dieser konstruktive Lemgo-Stil, das gute Miteinander, dem neuen Stadtrat erhalten bleiben. Trotz der anstehenden Führungs-, Generationen- und womöglich Farbenwechsel.

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