Lemgoer Pideritstraße führt nur noch in eine Richtung

Lemgo. Eine Fahrradstraße, die eigentlich gar keine ist. Als solche bewerten Michael Schmitz-Hübsch und Gabi Neumann die Pideritstraße. Eigentlich sollten die Radler dort das Sagen haben, doch die Realität sieht – vor allem in den morgendlichen und abendlichen Rush-Hour-Stunden – anders aus.

Dicht an dicht drängen sich dann die Auto in der schmalen Straße, Radler werden angehupt, immer wieder gebe es gefährliche Situationen. Auch im Rahmen des Klimaschutzes haben Schmitz-Hübsch und Neumann daher den Antrag gestellt, die Straße zumindest einseitig für Autos zu sperren.

Im Verkehrsausschuss war die Anregung Thema und stieß auf ein geteiltes Echo. Während SPD und Grüne mit der Einbahnstraßen-Regelung sympathisierten, zeigten sich CDU und FDP als strikte Gegner der Maßnahme.

Die Pideritstraße führe als Fahrradstraße zu den großen Schulen und sollte dem auch gerecht werden, forderte Fraktionschef Udo Golabeck für die SPD. Es sei Autofahrern durchaus zuzumuten, einen Umweg zu fahren und letztlich bewirke eine solche Zwangsmaßnahme vielleicht auch, dass mehr Bürger im Sinne des Klimas vom Pkw auf das Fahrrad umsteigen, um Kita, Kirche, Sportstätte oder auch den Netto-Markt an der Pideritstraße zu erreichen. Der Schutz der Kinder müsse im Vordergrund stehen, so Golabeck, und dem stimmte auch Oliver Drexhage von den Grünen bei.

Ganz anders sahen das Robert Adrian (FDP) und Carsten Steinmeier (CDU), die auf unnötige Umwege für den motorisierten Verkehr und damit auf potenzielle weitere Verkehrsbehinderungen und verstärkten CO2-Ausstoß hinwiesen. Auch die Verwaltung sah die Einbahnstraßenregelung kritisch. Zumal es sich bei den Verkehrsteilnehmern großteils um Anlieger handele, so Heiko Fischer, Abteilungsleiter Straßenbau der Stadt. Denn auch Spiegelberg oder Pöstenweg zählten zu dem direkten Einzugsgebiet des Quartiers.

Markus Baier, Geschäftsbereichsleiter Bauen und Stadtplanung, machte eine weitere Rechnung auf. Jeweils 400.000 Euro investiere die Stadt 2020 und 2021 in den Nahverkehr. Eine Einzelmaßnahme wie an der Pideritstraße sei da letztlich klimaschädlich. Durch potenzielle Umwege von etwa 700 Metern, die die Autofahrer fahren müssten, würden so 60 Tonnen CO2 zusätzlich produziert.

In Zukunft ist die Pideritstraße keine Abkürzung mehr Laut Statistik der Stadt fahren täglich etwa 3500 Fahrzeuge über die Pideritstraße, mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 30 bis 36 Stundenkilometern. Viele nutzen die Strecke bei Stau auch, um die oft verstopfte Konsul-Wolff-Straße zu umfahren. Einen Unfallschwerschwerpunkt aber, wie es Brita-Gabriele Podewils (CDU) im Ausschuss nachfragte, bildet die Pideritstraße trotz aller Probleme nicht.

Künftig soll es erst einmal vorbei sein mit der Abkürzung über die Pideritstraße, denn auf Vorschlag von Bernd von Nordheim (BfL) stimmten die Politiker mehrheitlich dafür, die Pideritstraße probeweise für ein Jahr als Einbahnstraße auszuweisen.

SPD, Grüne und BfL sprachen sich für den Verkehrsversucht aus, CDU und FDP blieben strikt dagegen. In der Probezeit darf der Verkehr nur vom Bruchweg kommend Richtung Leopoldstraße fahren. Für etliche Verkehrsteilnehmer könnte der Weg damit über Bruchweg und Echternstraße zu Netto, Kindergarten und Sportstätte führen.

Bis zur Umsetzung kann es aber noch etwas dauern, wie Markus Baier auf Nachfrage erklärt. Für den Verkehrsversuch sollte der Ist-Zustand zuvor noch einmal dokumentiert werden, was Verkehrsstärken oder auch Geschwindigkeiten betrifft, so Baier.

Bis zur Umsetzung rechnet er daher mit etwa sechs Monaten. Er befürchtet aber, dass die Regel deutliche Verschlechterungen für den Verkehrsfluss in der Echternstraße und an der Kampschule nach sich ziehen könnte. Darüber müsste dann nach der Probezeit erneut beraten werden.

"Selbstverständnis ankratzen" Ein Kommentar von Katrin Kantelberg

Die Stadt leistet einiges für den Klimaschutz. Das ist Fakt. Auch beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Fahrradwege ist sie auf dem richtigen Weg, doch manches läuft eben noch nicht rund. Die Pideritstraße als Fahrradstraße auszuweisen, macht sich auf dem Papier sicherlich gut – doch wenn sich Autos auf der vermeintlichen Fahrradstraße stauen, dann ist die Auszeichnung reine Makulatur.

Folgerichtig und logisch ist es da, der Ausweisung auch Taten folgen zu lassen – die Pkw also aus der Straße wenn nicht ganz, so doch zumindest in Teilen zu verbannen. Paradoxerweise führen sowohl Gegner als auch Befürworter der neuen Regelung in ihrer Argumentation den Klimaschutz an.

Doch selbst wenn Autofahrer wegen der Einbahnstraße künftig Umwege fahren und damit mehr Abgase produzieren – bleibt es die richtige Entscheidung und zeigt die Richtung auf: weg vom Auto, hin zu Fahrrad, Roller oder auch zu Fuß.

Denn so bleibt die direkte Route frei. Es geht um das Selbstverständnis, mit dem wir noch immer auch für Kurzfahrten ins Auto steigen. Das muss aufgebrochen oder zumindest fürs erste angekratzt werden. Und wenn die Lemgoer das nicht freiwillig tun, muss die Stadt eben etwas nachhelfen . . .

Mail: kkantelberg@lz.de

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