Geraubte Geschichte: Das Hexenbürgermeisterhaus zeigt „Kolonialismus made in Lemgo“

Lemgo (hajo). &bdquo;Kann man Geschichte überhaupt rauben?“, fragt ein Diskussionsteilnehmer die Organisatoren der Info-Veranstaltung &bdquo;Geraubte Geschichte“ im Vorfeld der Ausstellung über &bdquo;Kolonialismus made in Lemgo“. Tatsächlich beherbergen europäische Museen &bdquo;geraubte Kunstschätze“ in großer Zahl. Auch das Hexenbürgermeisterhaus besitzt Stücke, von denen nicht klar ist, unter welchen Umständen sie von den Sammlern beschafft worden sind. &bdquo;Das zu beurteilen ist nicht unsere Aufgabe“, erläutert Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin Isabelle Christiani bei der Vorstellung des Projektes &bdquo;Mapping the objects“ vor rund drei Dutzend Besuchern.

Ihre Aufgabe sei vielmehr, erst einmal zu erheben, welche Schätze an Kunstwerken aus ehemaligen Kolonialgebieten es überhaupt in deutschen Museen gebe. In der ersten Sichtung seien deutschlandweit 1784 Gegenstände kartiert worden, davon 118 in Lemgo. Mit dem Kontext-Wissen über die Herkunft sehe es hingegen eher bescheiden aus: &bdquo;Wir kratzen bislang an der Oberfläche“, räumt Isabelle Christiani ein.

Exotische Kunstwerke Wie dem auch sei: In der Ausstellung &bdquo;Sibalik Alogo“ können exotische Kunstwerke vom 16. Juni bis zum 10. November besichtigt werden. Darunter &bdquo;Begu“, was so viel bedeutet wie &bdquo;Totenseele“ oder &bdquo;böser Geist“. &bdquo;Gajah dompak“ zeigt eine Hausverzierung in Form eines Elefanten, &bdquo;Guri-guri“ ein Medizingefäß aus Kürbis. Auch ein Zauberstab (&bdquo;Tungkat malehat“) und eine Holzfigur, auf die Krankheiten übertragen werden können (&bdquo;Porsili“), ist in der von Simon Bucher kuratierten Ausstellung zu sehen.

Wie aber ist das Hexenbürgermeisterhaus an Kunst aus Sumatra gekommen? Im 19. Jahrhundert wanderten die Lemgoer Pastorensöhne Johannes und Ernst Neubourg nach Indonesien aus. In der Kolonie &bdquo;Niederländisch-Indien“ arbeiteten sie als Verwalter auf Tabakplantagen großer Firmen. Auf Sumatra sammelten die Brüder zahlreiche Gegenstände der indigenen Batak-Kultur.

Faszination für das Fremde &bdquo;Nicht etwa aus wissenschaftlichem Interesse, sondern vielmehr angetrieben von einer ästhetischen Faszination für das ihnen Fremde“, erläutert Museumsleiter Fabian Schröder die Motive der Sammler. Dabei sei ungeklärt, &bdquo;ob sie die Kunst- und Sakralobjekte gekauft, getauscht oder gar gestohlen haben.“ Lange hatten die Kunstwerke im Verborgenen geschlummert, bevor sie im Zuge einer Haushaltsauflösung dem Museum Hexenbürgermeisterhaus angeboten wurden.

Nicht nur die &bdquo;Neubourg-Sammlung“ steht im Mittelpunkt der Ausstellung; auch die Kultur der Batak am sumatranischen Toba-See wird in Objekten sichtbar.

Die Ausstellung will insgesamt ein Schlaglicht werfen auf die gesellschaftlichen Veränderungen durch den Kolonialismus. Viele Beweggründe führte Dr. Felicity Jensz von der Uni Münster in der Info-Veranstaltung an. Darunter das Prestige-Denken der ehemaligen Kolonialmächte. Für das Deutsche Reich der Bismarck-Zeit habe sich Kolonialpolitik wirtschaftlich nicht ausgezahlt. Dafür hätten imperialistische Großmacht-Politik, &bdquo;Kolonialfieber“ und der heraufziehende &bdquo;Sozialdarwinismus“ die &bdquo;zivilisatorische Mission“ gewalttätig in Unterdrückung, Zwangsarbeit und Kriege verwandelt.

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