Lemgos Fraktionen sind auf der Suche nach dem Schuldigen

Lemgo. Es wird klamm, richtig klamm. Mit rund 2 Millionen Euro Minus rechnet Kämmerer Frank Limpke in diesem Jahr, die kommenden Jahre aber sieht es weit schlimmer aus. Die Rücklagen könnten bis 2030 komplett dahingeschmolzen sein. Dann droht die Haushaltssicherung . Vorab aber ging es um den Doppelhaushalt für die kommenden zwei Jahre. Damit standen die letzten Haushaltsreden in dieser Legislaturperiode an - und die Fraktionen sparten nicht mit Schuldzuweisungen.

Die CDU/Aufbruch C Carsten Steinmeier, Fraktionschef von CDU/Aufbruch C, sah vor allem bei SPD, Grünen und BfL eine Mitschuld für die finanzielle Misere. &bdquo;Die Keller unserer Schulen stehen voll mit Belüftungsgeräten, die entgegen der Empfehlung von Experten trotzdem beschafft wurden. Es wurden Schülertickets verschleudert, mit denen die Kinder von Lemgoer Bürgern, unabhängig vom Einkommen der Eltern, endlich an die holländische Grenze fahren können(...). Es werden Verkehrsversuche gemacht, die keiner braucht und wenn es in Lemgo dann wahrhaftig eine Kreuzung gibt, wo der Verkehrsfluss kein Problem ist, machen wir da, natürlich gegen einen ordentlichen Aufpreis einen Kreisverkehr hin (...).“ Mit den Anträgen von SPD, Grünen und BfL sei der Grundstein für ein immer größeres Defizit gelegt worden. Jetzt aber sei keine Zeit mehr für &bdquo;Show-Anträge“, vielmehr sei es Zeit, zu gucken, wo in Zukunft weniger gehe. Das gelte es zu akzeptieren. &bdquo;Wir stimmen dem Haushalt zu“, so Steinmeier abschließend.

Die SPD &bdquo;Die Verwaltungsspitze unter Leitung des Bürgermeisters bleibt ihrer ideenlosen Linie treu“, attackierte SPD-Fraktionschef Alexander Baer den Bürgermeister. Es fehle an Visionen, Engagement und Mut, die Herausforderungen anzugehen. Er konstatierte &bdquo;politische Führungslosigkeit“. Es gelte zu gestalten, statt nur zu verwalten. Gerade für Krisenzeiten habe Lemgo ein hohes Eigenkapital angespart, doch da sitze der Bürgermeister drauf, &bdquo;als wäre es sein persönliches Konto“. Dabei müsse investiert werden in Bildung, soziale Gerechtigkeit und Infrastruktur. Ein Instrument dafür sei zum Beispiel die von der SPD geforderte Abschreibung nach NFK-CUIG, um die Rückzahlungen über 50 Jahre abzuschreiben. Das aber sei abgelehnt worden. &bdquo;Ein fataler Fehler.“ Baier forderte, das Thema Schule zur Chefsache zu machen, Forderungen der FPD nach einer &bdquo;Steuerreduzierung“ geißelte er als populistisch. Trotz der Kritik: Die SPD stimmte dem Doppelhaushalt zu.

Bündnis 90/Die Grünen Einen Schwerpunkt auf der Klimapolitik setzte Dr. Burkhard Pohl von den Grünen. &bdquo;Wir müssen jetzt Verantwortung übernehmen für das, was kommt.“ Lemgo sei beim Ausbau der erneuerbaren Energien endlich auf Kurs, nachdem zuvor viel Zeit verloren wurde, ebenso wie bei dem Ausbau der Fernwärme. Das dürfe nicht gefährdet werden. Vor allem die FDP sah er hier auf falschem Kurs. Ebenso sei es jetzt wichtig, der Jugend mehr Stimme zu geben und die Modernisierung der Schulen voranzutreiben. Dazu zähle auch der Ausbau der Schulwege und das kostenlose Schülerticket. Er lobte das Engagement der Bürger in den Ortsteilen und warf dem Rat vor, die Entwicklung am Klinikum Lippe zu zaghaft verfolgt zu haben. Von Bürgermeister Markus Baier forderte er mehr Visionen. &bdquo;Insgesamt aber sehen wir im Doppelhaushalt viele wichtige Vorhaben, zum Teil mit klarer grüner Handschrift (...).“ Die Grünen stimmten dem Haushalt 2025/26 zu.

Bürger für Lemgo &bdquo;Krisenmodus? Nein - noch nicht“, erklärte BfL-Fraktionschef Wolfgang Sieweke - denn noch befinde sich Lemgo nicht in einem dauerhaften Krisenzustand. Immer wieder sei es in den vergangenen Jahren besser gelaufen als befürchtet. Dennoch: &bdquo;Die Krise ist tatsächlich angekommen – ohne Zweifel! Aber trotz dieser Unwägbarkeiten dürfen wir nicht den Fehler machen, in Pessimismus zu verharren“, so Sieweke. Dringend notwendige Investitionen und gesellschaftliche Projekte müssten weiter vorangetrieben werden, wie etwa die Modernisierung der Schulen. Es gebe auch positive Aspekte: Die Gewerbesteuereinnahmen lägen seit Jahren stabil bei etwa 30 Millionen Euro. Die BfL stimmte für den Doppelhaushalt.

Die FDP

Die vergangenen Jahre habe Lemgo Glück gehabt, konstatierte Fraktionschefin Barbara Schiek-Hübenthal für die Liberalen. Doch für die kommenden Jahre sähen die Zahlen weit dramatischer aus. Und ob die prognostizierten 30 Millionen Gewerbesteuer-Einnahmen noch realistisch sei, bleibe abzuwarten. &bdquo;Denn die Zeiten haben sich aufgrund tiefgreifender Krisen geändert.“ Sie vermisste Strategien, um auf die Krisen zu reagieren. &bdquo;Die schon jetzt prognostizierten Schulden des Kämmerers steigen von 124 Millionen 2024 für den Konzern Stadt auf 272 Millionen 2029“, die Pro-Kopfverschuldung steige damit von 3074 auf über 6700 Euro. Daher wollte die FDP den Grundsteuerhebesatz B auf 650 Prozent begrenzen, denn die Bürger würden bereits stark belastet. Gut sei, dass der Rat ihrem Antrag zugestimmt habe, 50.000 Euro für ein interkommunales Medizinisches Versorgungszentrum einzustellen. Sparsamkeit sei geboten, doch die ließen SPD, Grüne und BfL vermissen. Dem &bdquo;handwerklich ordentlichen Doppelhaushalt“ stimmten die Liberalen zu.

Einfach Sozial Lemgo (eSL) Seine 21. Haushaltsrede kündigte Udo Golabeck an. Angesichts der Kommunalwahl im kommenden Jahr werde es wohl seine letzte sein.

Und die Perspektiven seien erschreckend. Doch &bdquo;warum sind unsere Finanzen so prekär?“ Es habe viele teure, aber notwendige Projekte gegeben, wie etwa die Investitionen in die Schulen, in die Stadtwerke oder auch den Ausbau von Campingplatz, Baugebieten oder Straßen. Und das sei gut so. Doch die Krise sei da, dennoch stellten die &bdquo;Fraktionen munter teure Anträge für den Haushalt (...). Das hat mich dann doch ins Staunen versetzt!“. Golabeck erinnerte an 2011, als die Haushaltssicherung drohte: Politik und Kämmerer hätten sich zusammengesetzt und gemeinsam 42 Sparmaßnahmen erarbeitet. &bdquo;Dieser legendäre Antrag 69/2011 rettete die Stadt vor Überschuldung und Haushaltssicherung“, erinnerte er sich zurück und appellierte an das Miteinander. Die eSL stimmte dem Haushalt zu.

Alternative für Deutschland (AfD) &bdquo;Die Lage ist ernst“, so Ernst-Ulrich Frank für die AfD. Es sehe deutschlandweit und in OWL nicht besser aus. Die Gewerbesteuer bleibe da eine schwer einzuschätzende Größe. Bundesweit hob er die Kosten für die Zuwanderung hervor. Deutliches Sparpotenzial hatte er auch beim Klimaschutz ausgemacht: Schließlich basiere der auf der &bdquo;Annahme, dass zusätzlich menschenverursachtes CO2 in der Atmosphäre eine globale Erwärmung auslöst, was nach wie vor unbewiesen ist (...)“. Lemgo aber habe sich ein Klimaschutzkonzept gegeben, &bdquo;welches die gesetzlichen Vorgaben noch toppt“. &bdquo;Wir sehen zwar Alternativen, aber dafür müssten sich Politikbereiche grundsätzlich ändern, was in der derzeitigen politischen Konstellation nicht zu erwarten ist. Deshalb werden wir den vorliegenden Doppelhaushalt nicht mittragen“, so Ernst-Ulrich Frank abschließend.

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