Lemgo. Solch einen Auftritt muss man erst mal hinlegen: Ein wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung Angeklagter ist zu spät und darüber hinaus alkoholisiert und im Pölter vor dem Amtsgericht Lemgo erschienen.
Nachdem der 37-jährige Lemgoer zur Hauptverhandlung um 8.50 Uhr nicht erschien, wollte der Vorsitzende des Schöffengerichts, Richter Prof. Dr. Florian Hobbeling, den Angeklagten polizeilich vorführen lassen. Dessen Strafverteidiger, Rechtsanwalt Karsten Klein aus Lemgo, informierte den Angeklagten telefonisch, der zusicherte, sich umgehend auf den Weg zu machen. Bereits um 9.05 Uhr erschien der Angeklagte – barfuß, in Schlafanzug und Adiletten.
„Sein ungewöhnliches Outfit erklärte der Angeklagte – nachvollziehbar – damit, dass er verschlafen habe, weil er am Vorabend Alkohol getrunken habe und von Jugendlichen geschlagen worden sei“, schreibt das Amtsgericht in einer Pressemitteilung. Er habe eine so starke Alkoholfahne gehabt, dass der Richter zunächst einen Atemalkoholtest anordnete. Der ergab einen Wert von rund 0,74 Promille. „Der Angeklagte versicherte aber, sich fit zu fühlen und verhandeln zu wollen, so dass sämtliche Beteiligten seine Verhandlungsfähigkeit feststellen konnten.“
Vater tot, Kater angefahren
Noch vor Verlesung der Anklage kündigte der Angeklagte ein Geständnis an. Er sei ausgesprochen auskunftsfreudig gewesen. Er erklärte, wegen diverser persönlicher Schicksalsschläge, unter anderem dem Tod seines Vaters vor zwei Jahren, regelmäßig Alkohol und Marihuana zu konsumieren und den Plan gehabt zu haben, sich „zu Tode zu saufen“, was er aber jetzt „zurückschraube“. Zudem sei sein Kater angefahren worden und müsse wegen einer gebrochenen Pfote behandelt werden, was für ihn als Bürgergeldbezieher schwierig sei. Seinen Beruf als Kfz-Mechatroniker könne er nicht ausüben, weil ihm der Führerschein entzogen worden sei.
Den Anklagevorwurf räumte er ein. Der Angeklagte hatte am 24. August vergangenen Jahres gegen 0.40 Uhr zunächst vor seinem Wohnhaus seine eigene Gitarre mittels eines Brandbeschleunigers angezündet, wodurch die Straßenmarkierung beschädigt wurde. Durch eine etwa drei Meter hohe Stichflamme wurden Nachbarn aufmerksam und verständigten die Polizei. Diese nahm die Anzeige auf und stellte bei einem Alkoholtest einen Wert von 2,4 Promille fest. Der Lemgoer begab sich danach in seine Wohnung und trank weiter Alkohol. Gegen 2 Uhr zündete er das Auto einer Nachbarin an, das im Frontbereich vollständig ausbrannte.
Pazifist statt Terrorist
Der 37-Jährige habe am Tatabend mit einem Bekannten Wodka getrunken, „um kein Frosch zu sein“. Der Wodka habe ihm „echt die Latschen ausgezogen“, weshalb er sich schlafen gelegt habe. Seine Gitarre habe er aus Verärgerung darüber angezündet, weil er nicht Gitarre spielen könne. Als Brandbeschleuniger habe er eine Sprühdose mit Bremsenreiniger eingesetzt, die er als Mechatroniker zu Hause gehabt habe. „Das Fahrzeug habe er nicht in Brand setzen wollen; er habe wohl etwas unter dem Fahrzeug angezündet und sei geschockt gewesen, als das Fahrzeug auf einmal in Flammen stand“, schreibt das Gericht. Warum er überhaupt noch einmal nach draußen gegangen sei, wisse er nicht. Er sei Pazifist und habe keinen Terror verbreiten wollen.
Weshalb er überhaupt an dem Auto gezündelt hätte, habe der Mann nicht plausibel erklären können. „Er zeigte sich aber nachhaltig verärgert, dass Leute in der Straße vor seiner Wohnung ,wie die Geisteskranken’ fahren würden, wodurch sein Kater schon zwei Mal angefahren worden sei.“
Der Angeklagte wolle eine Suchttherapie mache. Er entschuldigte sich bei der geschädigten Autobesitzerin und kündigte an, den Schaden wiedergutmachen zu wollen.
Urteil
Den Anträgen der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers entsprechend verurteilte das Gericht den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Dem Angeklagten wurde als Bewährungsauflage aufgegeben, mindestens 810 Euro an die Autobesitzerin zu zahlen, 200 Sozialstunden zu leisten und sich einer Alkoholentwöhnungstherapie zu unterziehen. Für jeden vollständigen Monat Therapie werden dem Angeklagten zehn Sozialstunden erlassen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Einen hatte der reumütige Lemgoer aber noch: „Nach der Verhandlung holte der Angeklagte vor dem Gericht nach, was er offenbar vorher nicht mehr geschafft hatte: Er holte einen Elektrorasierer raus und rasierte sich.“ Ordnung muss sein.