Idee einer Viertklässlerin: In Lemgo bauen TH-Studierende mit Kindern Cajón-Kistentrommeln

Lemgo-Kirchheide. &bdquo;Ich bin seit 21 Jahren an dieser Schule und seit 16 Jahren Schulleiterin. Aber so etwas“, sagt Rektorin Sabine Tewes-Wittig mit Blick auf das Treiben auf dem Pausenhof, &bdquo;habe ich noch nie erlebt.“ An eigens aufgestellten Tischen unter dem Dach werkeln die 20 Schülerinnen und Schüler der 4b der Grundschule Kirchheide gemeinsam mit acht Studierenden und mehreren Professoren der Technischen Hochschule OWL in Lemgo an ihren Cajónes.

Die Kistentrommeln sollen an nur einem einzigen Vormittag fertig werden - am folgenden Tag dann das Gleiche noch mal mit der 4b. Am Ende soll jedes Kind ein eigenes Instrument mit nach Hause nehmen können - dank mehrerer Sponsoren kostenfrei. &bdquo;Und das alles nur, weil ein kleines Mädchen so nett gefragt hat“, sagt Professor Martin Stosch und grinst.

&bdquo;Das war nicht leicht“ Das kleine Mädchen, das er gerade dabei unterstützt, die Kanten der fertig geleimten und verschraubten Trommel fein abzuschleifen, heißt Olivia. Die Neunjährige strahlt. Sie sagt, es sei toll zu sehen, dass ihre Idee auch bei den Mitschülern so gut ankomme.

Sie selbst war begeistert gewesen, als sie mit ihren Eltern im April die Veranstaltung &bdquo;Holz & Musik“ im Smart Wood Center OWL auf dem Gelände des Schloss Brake in Lemgo besuchte. &bdquo;Und da habe ich mich gefragt, ob wir solche Cajónes nicht auch mal in der Schule bauen könnten.“

Mut soll belohnt werden Bereits am nächsten Tag wandte sie sich, unterstützt von einigen Mitschülerinnen, an die Schulleiterin. &bdquo;Das war schon nicht leicht“, räumt Olivia ein. &bdquo;Aber danach war ich richtig fröhlich.“ Die Rektorin wiederum telefonierte umgehend mit Professor Stosch, der direkt zusagte. &bdquo;Wir sind beide sehr spontan“, stellt Tewes-Wittig fest. Der Ingenieur sagt: &bdquo;Es ist wichtig, dass wir Kinder bestätigen, wenn sie mutig sind. Denn nur so werden sie coole Erwachsene, die sich etwas zutrauen und etwas bewegen.“ Und so ungewöhnlich es sei, dass eine Hochschule sich bereits den Grundschülern zuwende: &bdquo;Diesen Transfer halte ich für sehr sinnvoll“, so Tewes-Wittig. &bdquo;Die Kinder erhalten einen kleinen Einblick in den Umgang mit Holz und sehen auch, wie viele Frauen es in dem Studiengang gibt - sie machen nämlich die Hälfte aus!“

Stoch motivierte sämtliche Studierende seines zweiten Semesters sowie die Hälfte des vierten, sich an der Aktion zu beteiligen. &bdquo;Das gehört ja überhaupt nicht zum Studium“, betont er. Allerdings habe er in seinen inzwischen 27 Jahren in der Holztechnik die Erfahrung gemacht, dass seine Studenten auf solche Projekte &bdquo;eigentlich immer Bock“ hätten. &bdquo;Die allermeisten sind gelernte Tischlerinnen und Tischler, das sind Macher, und die freuen sich, wenn sie mal wieder etwas in der Praxis umsetzen können.“ Es habe sich eine gewisse Gruppendynamik entfaltet, erklärt Walerian Schröder, trotz der bevorstehenden Klausurenphase. Ihm habe es gefallen, mal wieder in der Werkstatt zu stehen - &bdquo;und dass wir hier die Kinder glücklich machen“.

Kindgerechte Anleitung Joel Beinke zeichnet dabei verantwortlich für den vielleicht elementarsten Teil für das Gelingen: den Bauplan. Der erinnert an die Schritt-für-Schritt-Anleitungen eines großen schwedischen Möbelhauses - und ist bestens auf Kinder zugeschnitten worden. Das merkt man daran, wie selbstständig die Viertklässler damit zurechtkommen. Nur selten kommen die in Zweierteams arbeitenden Kinder auf die Studierenden und Lehrenden der Hochschule zu - meist, um sich zu vergewissern, dass sie auf dem richtigen Weg sind.

&bdquo;Ich habe die letzten vier Tage immer bis drei, vier Uhr nachts daran gezeichnet, und dann ab Sieben weitergemacht“, berichtet Beinke. Das fertige Exemplar habe er dann erst am Abend vor dem Workshop um 0.30 Uhr zur Abnahme an Professor Stoch geschickt. &bdquo;Da war sie fertig.“ Mindestens 40 Stunden habe er investiert, um die Arbeitsschritte in kindgerechte Häppchen zu zerlegen - jetzt freut er sich, dass sein Plan aufgeht und die Kinder zurechtkommen. Auch die Werkzeuge, die in den Materialkisten zusammengestellt wurden, sind für Kinderhände ausgelegt: Schraubendreher mit kurzem Stil oder kleine Leimfläschchen. Letztere wurden vom Detmolder Unternehmen Jowat gesponsert, finanzielle Unterstützung kam von der Stiftung Standortsicherung Kreis Lippe und der Osthushenrich-Stiftung aus Gütersloh.

Loslegen und Spaß haben Wie gut die Kinder vorankommen zeigt sich schließlich daran, dass sich immer mehr Trommellaute in das Schleifen und Klopfen mischen. Die ersten Cajónes sind ganz offensichtlich fertig. Erst sind es zwei, dann immer mehr Klassenkameraden, die sich in einer Gruppe zusammenfinden und improvisieren. Als gegen Mittag Professorin Heike Arnold-Joppich vom Fachbereich Elementare Musikpädagogik der HfM zu den Kindern stößt, sind die schon mitten im Spiel. &bdquo;Eine Anleitung brauchen die gar nicht“, freut sich Arnold-Joppich. Sie werde höchstens Anregungen geben. Am kommenden Tag soll diesen Part ihr Kollege Professor Dr. Jonas Völker (Musikdidaktik) übernehmen.

&bdquo;Ein, zwei, Klatsch, Klatsch“, tönt es vom Pausenhof. Dass so eine Kistentrommel ein Instrument zum Loslegen und Spaß haben ist, daran besteht spätestens jetzt kein Zweifel mehr. Allerdings haben die Kinder Perkussionserfahrung, ist Musiklehrerin Tewes-Wittig doch der Umgang mit einer Trommel an ihrer Grundschule wichtig. Das Besondere an einer Cajón sei, dass die ihre Sitzgelegenheit gleich mitbringe. &bdquo;Während man Djembe-Trommeln zwischen den Beinen halten und ankippen muss, sind Cajónes einfach viel praktischer.“

Die Eindrücke des Vormittags fasst schließlich die Klassenlehrerin der 4b, Andrea Schröder, zusammen: &bdquo;Ein Träumchen.“ Andere Klassen hätten bereits Wind von der Aktion bekommen. &bdquo;Die wollen das auch.“ Und wer weiß, sagt die Rektorin: Vielleicht mache das Trommelprojekt ja tatsächlich Schule.

Was sind Cajónes? Professor Völker von der HfM Detmold, der selbst gelernter Schlagzeuger ist, erklärt: &bdquo;Ursprünglich entstanden Cajónes in Peru aus einfachen Transportkisten, die westafrikanische Sklaven als Ersatz nutzten, um das ihnen verbotene Spielen auf traditionellen Trommeln zu umgehen. In den 1970er Jahren führte dann Rubem Dantas als Perkussionist im Ensemble des Gitarristen Paco de Lucía die Cajón in den Flamenco ein. Dabei etablierte sich mit der hinter die Schlagfläche gespannten Gitarrenseite der heute typische Snare-Klang als klangliche Innovation.“

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