Waschbär-Junges in Lemgo getötet: Lippische Tierschützer erstatten Anzeige

Lemgo. Marianne Rautenberg ist seit 41 Jahren im Tierschutz aktiv und hat mit ihren 71 Lebensjahren schon viel gesehen. Dass der Vorfall um das Waschbär-Junge, das vor dem Hexenbürgermeisterhaus vom Waschbärenbeauftragten Stefan Arzner mit einer Eisenstange erschlagen wurde ( die LZ berichtete ), sie dennoch aufgewühlt hat, ist ihr anzumerken. &bdquo;Dieses kleine Tierchen totzuknüppeln“ - dieses Vorgehen sei aus ihrer Sicht keineswegs schmerzfrei und mindestens unethisch, vielleicht sogar strafbar.

Laut Arzner, der Mitglied der Kreisjägerschaft ist, war sein Einsatz dagegen &bdquo;rechtlich korrekt, waidgerecht und tierschutzkonform“. Dem hat er auf Anfrage der LZ auch nichts hinzuzufügen. An dieser Sicht der Dinge hat die Lagenserin Rautenberg Zweifel. Sie hat am Dienstag, 6. Juli, bei der Staatsanwaltschaft Detmold Anzeige gegen Arzner als Waschbärbeauftragten erstattet.

Die Anzeigenbegründung bezieht sich auf den Paragrafen 17 des Tierschutzgesetzes. Wer &bdquo;ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt“ kann mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe belegt werden. Juristisch könnte ein Fehlverhalten jedoch auch als Ordnungswidrigkeit bewertet werden.

Gab es einen &bdquo;vernünftigen Grund“? Zuvor hatte der lippische Tierschutzverein &bdquo;Unsere Hände für viele Pfoten“, deren Vorsitzende Rautenberg ist, bereits auf seiner Internetseite sowie auf Facebook und Instagram eine Stellungnahme veröffentlicht. Der Tierschutz sei in Deutschland in der Verfassung als Staatsziel verankert. &bdquo;Das wird jedoch zum Hohn, wenn das Jagdrecht über dem Tierschutzgesetz steht“, sagt Daniela Klöpperpieper als stellvertretende Vorsitzende. &bdquo;Dann ist es das Papier nicht wert, auf dem es steht.“ Den gesamten Vorfall bezeichnet sie als &bdquo;schockierend“. &bdquo;Das kann so nicht sein“, weshalb sie auch eine Fachaufsichtsbeschwerde beim Landesamt für Natur, Umwelt und Klima NRW (LANUK) eingereicht hätten, die bereits an die zuständige Untere Jagdbehörde in Detmold weitergeleitet wurde.

&bdquo;Der Unteren Jagdbehörde des Kreises Lippe muss der Vorwurf gemacht werden, dass sie als Verwaltungsbehörde, die örtlich und sachlich für den Vollzug der jagdrechtlichen Vorschriften, darunter Bundesgesetze wie das Tierschutzgesetz, nicht nur nicht korrekt überwacht hat, sondern im Nachhinein versucht, tierquälerisches Töten eines Jungtieres zu legitimieren“, konstatiert Klöpperpieper dazu.

Bericht angefordert Dass das Jungtier laut Aussage Arzners verletzt gewesen sei, lässt der Verein als &bdquo;vernünftigen Grund“ für die Tötung per Eisenstange nicht gelten. &bdquo;Die Aussage basiert offenbar auf einer subjektiven Einschätzung des Jägers, ohne tierärztliche Untersuchung oder unabhängige Feststellung“, heißt es dazu in der Stellungnahme. Laut Rautenberg werden Waschbärenkinder tagsüber häufig alleine angetroffen, ohne dass dies zwingend auf ein Verlassen durch die Mutter oder eine Verletzung hindeute.

Kreis-Sprecher Patrick Bockwinkel bestätigte den Vorgang, verwies jedoch für weitere Stellungnahmen an das LANUK. Von dort hieß es, man habe die Untere Jadgbehörde &bdquo;um Bericht gebeten“. Die Bearbeitung der Fachaufsichtsbeschwerde werde jedoch &bdquo;wegen des engen Sinn- und Sachzusammenhangs bis zum Abschluss des eingeleiteten Strafverfahrens zurückgestellt“.

&bdquo;Päppelstellen“ sind überlaufen Worum es den Tierschützern im Kern geht: Sie verlangen einen ethischeren Umgang auch mit Tieren, die als &bdquo;invasiv“ oder als &bdquo;Schädlinge“ gelten. Das Verhalten des Tieres hätte, so Rautenberg, zunächst tierärztlich abgeklärt oder zumindest durch das zuständige Veterinäramt oder eine Wildtierauffangstation beurteilt werden müssen. Danach wäre gegebenenfalls eine sogenannte Päppelstelle die nächste Station gewesen. Solche Auffangstellen für Waschbären seien laut Rautenberg zwar im Allgemeinen überlaufen, doch es gebe auch Kooperationen mit ausländischen Stationen.

Was für die Tierschützer von &bdquo;Unsere Hände für viele Pfoten“ zum Kern des Problems führt: &bdquo;Die Waschbärenproblematik ist menschengemacht“, sagt Klöpperpieper. Die Tiere wurden hierzulande einst ausgesetzt oder entkamen Pelzfarmen. Dass das Bejagen der Kleinbären allein keine Lösung ist, sei bei vielen Biologen und selbst Jägern inzwischen anerkannt. Beobachtungen aus der Praxis zeigten, dass intensive Jagd keinen Populationsrückgang bewirkt, Reviere neu besetzt werden und der Nachwuchs konstant bleibt.

Um so weniger sei laut Klöpperpieper gerechtfertigt, die Tiere mit besonderer Brutalität und ohne Rücksicht auf den Tierschutz zu behandeln, um das &bdquo;Problem“ aus der Welt zu schaffen. So gebe es für junge Waschbären auch keine Schonfrist. &bdquo;Und was für ein Beispiel leben wir hier vor! Die Tötung in der Breiten Straße haben Kinder gesehen oder hätten Kinder sehen können“, verweist Klöpperpieper auf den Ort des Geschehens - einen touristischen &bdquo;Hotspot“ vor dem Museum, gegenüber eines Hotels und mitten in der Innenstadt.

In Belgien wird kastriert In Belgien habe die Region Flandern ein Kastrationsprogramm für Waschbären initiiert. Dabei werden gefangene Tiere direkt in ein OP-Mobil gebracht, das minimalinvasive Eingriffe ermöglicht. Nach Sterilisation beziehungsweise Kastration werden die Tiere freigelassen. In Berlin sollte 2024 ein Pilotprojekt starten, wurde jedoch aufgrund fehlender Fanggenehmigungen ausgesetzt. Für die Tierschützer wenig überraschend - so funktioniere in Deutschland ja noch nicht einmal die Kastration von Katzen gut, was vor allem eine Kostenfrage sei.

&bdquo;Wir bezeichnen Waschbären als Schädlinge und uns Menschen als Krone der Schöpfung“, sagt Marianne Rautenberg kopfschüttelnd. &bdquo;Aber was sagt das über unsere Gesellschaft aus, wenn wir uns so als Herren über Leben und Tod aufspielen und auf offener Straße Tierbabys erschlagen?“ Sie will die Möglichkeiten des Rechtsstaates ausschöpfen, will, dass noch mehr Licht in die Sache kommt. Und so vielleicht auch ein Umdenken stattfindet. Der Aufschrei empörter Bürger habe ihr Mut gemacht und vor Augen geführt, dass die Sicht auf Tiere sich vielleicht langsam wandle. &bdquo;Für mich“, sagt sie, &bdquo;ist der einzige Schädling auf dieser Welt übrigens der Mensch.“

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