Ihr Handwerk ist die Katastrophe: Die Kräfte vom THW stehen jederzeit in Lippe parat

Kreis Lippe. Jene, die im Sommer 2023 in Klüt gelebt haben, werden sich erinnern: Im Mai zerstörte der Starkregen Teile des Wohngebietes. Straßen waren voller Schlamm, Schutt und Staub – reihenweise Container mit kaputten Möbeln. Auch die Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerk (THW) waren vor Ort. Der Ortsbeauftragte Arne Herrmann des THW in Lemgo hat schon oft solche Einsätze koordiniert. Denn: &bdquo;Der klassische Einsatz der letzten Jahre ist der Hochwassereinsatz“, erklärt Herrmann. Wie eben der Ortsteil Klüt, der in den vergangenen Jahren mehrfach vom Starkregen betroffen war. Neben den Starkregenereignissen rufen auch Katastrophen wie Sturmschäden die Einsatzkräfte auf den Plan.

Der Einsatz

Im Katastrophenfall fordern Feuerwehr, Polizei, Ordnungsamt oder die Leitstelle des Kreises Lippe das THW an - also Behörden. Privatleute können von sich aus das THW in der Regel nicht alarmieren. Arne Herrmann ist Ortsbeauftragter in Lemgo und seit 27 Jahren beim THW. Wie die verschiedenen Fachgruppen bundesweit ineinandergreifen, habe er vor allem in Münster gespürt: &bdquo;2005 gab es einen Einsatz im Münsterland – das Schneechaos.“ Damals war die Stromversorgung zusammengebrochen und die Stadt habe Stromaggregate benötigt, erzählt er: &bdquo;Da wurden die Fachgruppen ,Elektroversorgung’ aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengerufen.“ Bei einem solch großen Einsatz baue das THW seine eigene Einsatzstruktur vor Ort auf. Das funktioniere mit der Fachgruppe &bdquo;Führung und Kommunikation“, die es auch in Detmold gibt. Ist ein Einsatz kleiner, würden die Einsatzkräfte der Feuerwehr oder dem Zugführer einer Einsatzgruppe unterstellt.

Herrmann erinnert sich noch sehr gut an den Schneeeinsatz. Damals sei er eine Woche vor Ort gewesen: &bdquo;Man fährt von Münster auf eine Bundesstraße – in ein dunkles Loch.“ Heutzutage unverstellbar, dass man in einem Ort kein Licht habe. Er habe damals Treibstoff verteilt: &bdquo;Überall, wo Aggregate standen, haben wir die mit Diesel betankt.“ Es sei tiefster Winter gewesen und die Infrastruktur sei schnell zusammengebrochen. &bdquo;Man kann kein Wasser warm machen, nicht kochen – es lag 20 Zentimeter Schnee“, sagt er.

Die Menschen seien in solchen Ausnahmezuständen sehr hilfsbereit. Normalerweise schlafen die Helfer des THW bei solchen Einsätzen in Turnhallen oder in Klassenräumen. Mit acht Leuten sei er im Bereitstellungsraum des Einsatzortes gewesen: &bdquo;Da kam eine Frau zu uns und fragte, ob wir nicht alle bei ihr übernachten wollen.“ Bei ihr hätte es wieder Strom gegeben. Sie habe den Einsatzkräften zwei Gästezimmer und heißes Wasser angeboten.

&bdquo;Wasser bis zum Hals“

Das erleben er und seine Kameraden oft: Am Einsatzort seien die Betroffenen sehr zuvorkommend. &bdquo;Alle sind nett und dankbar“, erklärt er. Einige würden den Grill anmachen und fragen, ob sie genug Trinken dabei hätten. &bdquo;Wenn dieser Dank zurückgespiegelt wird und die Leute echt froh sind, dass du da warst, das ist immer was Schönes“, erklärt Herrmann. Er fühle sich gut, wenn er weiß, dass die Einsatzkräfte vor Ort auf eine fundierte Ausbildung zurückgreifen können: &bdquo;Das ist wie eine Art Genugtuung, wenn wir es geschafft haben, zu helfen – dafür sind wir da.“ Egal, zu welchem Einsatz es geht: &bdquo;Ein bisschen Adrenalin geht einem schon hoch“, erklärt der Ortsbeauftragte.

Gerade in Extremsituationen mache sich das bemerkbar: &bdquo;Wenn Leuten, im wahrsten Sinne des Wortes, das Wasser bis zum Hals steht, sie aber wieder in ihren Keller können und das Wasser weg ist – was sie alleine nie rausbekommen hätten.“ Er habe schon Keller gesehen, wo nichts mehr ging. &bdquo;Das Wasser lief schon ins Erdgeschoss“, erklärt Herrmann. Das Schlimme: Das Wasser ist nicht klar. &bdquo;Du hast ja immer den Dreck, den Schlamm – und wenn du Pech hast, hast du auch noch vom Nachbarn das Altöl drin“, erklärt er. Wenn das Wasser abgepumpt ist, dann sei überall Schlamm: &bdquo;Wenn du diesen Schlamm nicht sofort wegkriegst – auch aus deiner Einfahrt, dann wird der hart wie Beton.“ Da müsse schon ein Bagger oder ein Presslufthammer ran, um den wegzubekommen. Besonders tragisch sei es, wenn das Wasser bis in die Wohnräume komme – in die Küche oder das Wohnzimmer. &bdquo;Vielleicht sind dort noch wichtige Unterlagen, das ist richtig mies“, sagt er.

Mit Wasser vollgelaufene Keller können extrem gefährlich sein, darum darf man nicht einfach hineingehen: &bdquo;Wenn der Strom noch angeschaltet ist, kann es sein, dass dieser Schritt der letzte ist.“ Wasser kann den Strom leiten: &bdquo;Wenn die Stadtwerke die Straße nicht totschalten, dann kannst du das Wasser dort auch nicht auspumpen.“ Es sei einfach zu gefährlich, wegen des Stroms.

Frisches Wasser

Nicht immer sind die Einsätze lebensgefährlich: Ab und zu müsse in Lippe Wasser abgekocht oder Trinkwasser aufbereitet und verteilt werden. Er erinnert sich an ein Flüchtlingsheim in Dörentrup: &bdquo;Die hatten keinen Anschluss an das Wassernetz, weil der Hausbrunnen kaputt war. Wir haben Trinkwasser in 1000-Liter-Behältnissen aufgestellt – auf Anforderung der Stadt.“

Die Trinkwassergruppe könne bis zu sechs Stunden benötigen, um alles Notwendige aufzuladen. Der Ortsverband Lemgo ist einer von 13 Standorten deutschlandweit, die Trinkwasser mit der Fachgruppe der Trinkwasserversorgung aufbereiten können. Das Gute beim THW sei, dass es je nach Einsatz auf jeden Ortsverband zurückgreifen könne: &bdquo;Wir haben ja die Fachgruppe Trinkwasserversorgung, Detmold zum Beispiel die Fachgruppe für Kommunikation.“ Die Räumungsgruppen in Bünde und Bielefeld hätten unter anderem große Bagger und Radlader. Ein Vorteil, wenn in Lemgo etwas nicht vorhanden ist, wenn es am Einsatzort benötigt werde.

Ein großer Unterschied zu anderen Rettungsdiensten seien die Ausrückzeiten: &bdquo;Die Feuerwehr hat eine Ausrückzeit von rund zehn Minuten, um einen Brand zu löschen, einen Unfall aufzunehmen.“ Je nach Fachgebiet seien beim THW die Zeiten variabel: &bdquo;Der THW hat eine schnelle Ausrückeinheit, die Bergungsgruppe. Die könnte innerhalb von 15 Minuten vom Hof fahren.“ Im Bedarfsfall unterstützt das Technische Hilfswerk auch die Polizei: &bdquo;Beispielsweise, wenn die Transportkomponenten brauchen – etwas beschlagnahmt haben.“ Bei nächtlichen Polizeikontrollen würden sie Rastplätze ausleuchten, um Lastkraftwagen zu kontrollieren.

Ständiges Training

Wenn es nicht zu einem Einsatz geht, dann sei dienstags von 19 Uhr bis 22 Uhr der übliche Dienst. Fahrzeuge würden regelmäßig gewartet und kontrolliert. Alle 14 Tage gebe es den Ausbildungsdienst. Die Themen sind in einem Curriculum hinterlegt und werden über das Jahr verteilt. Das seien beispielsweise Übungen wie Wasser pumpen, ausleuchten oder Metall bearbeiten.

Und was ist mit ihm als Ortsbeauftragter? - Unter anderem koordiniert er die Finanzen im Ortsverband Lemgo, etwa bei Materialanschaffungen. Auch Gespräche mit Führungskräften führe er regelmäßig, und er plane die Ausbildungen und Übungen. &bdquo;Oder du hast mit der Feuerwehr oder den Regionalstellen Termine, bei denen wir uns austauschen“, erklärt er. Wenn es dann zum Einsatz kommt, benachrichtigt er die jeweiligen Gruppenführer.

Ist dies der Fall, so gibt es die sogenannte &bdquo;Chaosphase“. Hermann: &bdquo;Das ist ein geregeltes Chaos.“ Es sei die Zeit, wo die Männer und Frauen laden und ausrücken. Ist die Phase vorbei, weil alle Einheiten den Hof verlassen haben, sei es erst mal ruhig. Sind die Einsatzkräfte angekommen, geben sie regelmäßig Einsatzmeldungen, die Herrmann an die Regionalstelle weiterleitet. Beispielsweise melden sich Einsatzkräfte, wenn sie Verpflegung brauchen oder eine Ablösung notwendig wird, weil der Einsatz so lange geht. Manchmal fahren auch Fachberater vom THW raus, damit sie vor Ort die Situation einschätzen können: &bdquo;Die kennen den gesamten THW-Baukasten und können dann vor Ort beraten.“

In Deutschland gibt es 66 Regionalstellen und acht Landesverbände. Eine davon ist Bielefeld, zu der zehn Ortsverbände gehören. In den Regionalstellen arbeitet hauptamtliches Personal, in den Ortsverbänden Ehrenamtliche, und zwar zu 18 Prozent Frauen. Die Verwaltung erfolgt über die Regionalstellen. Dank dieser Struktur kann der etwa 90-köpfige Ortsverband in Lemgo Einheiten aus ganz NRW anfordern, theoretisch sogar bundesweit. Wer sich beim THW in Lemgo engagieren möchte, kann sich über www.ov-lemgo.thw.de/mitmachen-beim-thw

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