Düsseldorf. Die Expertenkommission für innere Sicherheit der NRW-Landesregierung fordert nach dem schweren Fall von sexuellem Kindesmissbrauch in Lügde die Einrichtung einer ärztlichen Datenbank für Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch. In diese Datenbank könnten Kinderärzte bei Verletzungen ihrer jungen Patientinnen und Patienten die Fälle einpflegen, damit auch andere Ärzte bei der Behandlung der Kinder erkennen können, wenn Kollegen bereits einen Verdacht auf Kindesmissbrauch hatten.
Täter betreiben "doctor-hopping"
Die Kommission unter Leitung des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach ("Bosbach-Kommission") weist in einem Bericht an die Landesregierung daraufhin, dass beim Missbrauch von Kindern die Täter die angerichteten Verletzungen oft durch häufigen Arzt-Wechsel ("doctor-hopping") zu kaschieren versuchten. Weil dem aktuell behandelnden Arzt dann oft die Vorgeschichte nicht bekannt sei, blieben viele Fälle zu lange unerkannt. Würde jeder Kinderarzt seinen Verdacht in eine Online-Datenbank einpflegen, könnten bei einer entsprechenden Häufung die Missbrauchsfälle sofort erkannt werden, heißt es in dem Bericht.
Wolfgang Bosbach und seine Kommissionskollegen weisen darauf hin, dass für die Schaffung einer Datenbank das Kinderschutzgesetz geändert werden müsste. Datenschutzbestimmungen verbieten bislang eine solche Sammlung von ärztlichen Befunden an zentraler Stelle.
Zehn Empfehlungen für Ärzte und Behörden
Die Bosbach-Kommission listet in ihrem Bericht insgesamt zehn Handlungsempfehlungen an Ärzte, Jugendschutzbehörden sowie Polizei und Staatsanwaltschaft auf, darunter auch Fortbildungen von Vormundschaftsgerichten, denen im Kinderschutz eine besonders wichtige Funktion zukomme, und die Schaffung von mehr Pflegekapazitäten, um gefährdete Kinder schneller aus ihrem Umfeld herausholen zu können.
Schulungen für Ermittler sollen Pflicht werden
Außerdem fordern die Experten mehr Schulungsplätze für Vernehmungen von Kindern beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Alle in dem Bereich tätigen Polizeibeamten und Staatsanwälte müssten verpflichtet werden, an solchen Schulungen teilzunehmen. Um Kindern wiederholte Vernehmungen zu ersparen, sollte schon bei der Polizei ein Gutachter hinzugezogen werden können. Außerdem könnten Video-Aufzeichnungen der Vernehmungen Wiederholungen überflüssig machen.
Schließlich fordert die Kommission auch einen standardisierten Umgang mit digitalem Beweismaterial. Der bisher gültige Beweismittel-Erlass der NRW-Polizei stamme aus dem Jahr 1983 und enthalte keinerlei spezielle Regelungen für den Umgang mit digitalen Asservaten. Im Fall Lügde sind bekanntlich 155 bei den Hauptbeschuldigten beschlagnahmte Datenträger bei der Polizei in Lippe bis heute spurlos verschwunden.