Oerlinghausen. Die Queen in Oerlinghausen - das schier unglaubliche Ereignis liegt fast 35 Jahre zurück. Damals, am frühen Abend des 4. Dezember 1980, rauschte ein schwarzer Rolls Royce in die Hanegge, dort wo heute die Firma Oetker beginnt. Die Limousine fuhr auf den eingezäunten Hof eines großen Wohnhauses, und es entstieg eine zierliche Person im schwarzen Pelzmantel: Elisabeth II., Königin von England.
Nur wenige Oerlinghauser wussten davon, die Stadtoberen, die Polizei und ein Redakteur dieser Zeitung. Der Journalist Dieter Burkamp war stets gut vernetzt mit den Behörden, hatte von der Nachricht Wind bekommen und stand mit schussbereiter Kamera in der Dunkelheit an der Hanegge vor dem Spearhead House. Denn hinein durfte er nicht. Rund zwei Dutzend Bürger, die kurz zuvor vom royalen Besuch erfuhren, hatten sich an der Straße eingefunden und harrten im leichten Schneetreiben aus, um einen Blick auf die Monarchin zu erhaschen.
"Welch ein Tag für die Bergstadt", formulierte Burkamp am nächsten Tag fröhlich, doch seine Berichte schrieb er vor allem nach Erzählungen von zwei Oerlinghauser Gästen. Der damalige Bürgermeister Erich Diekhof und Stadtdirektor Fritz Bollhorst zählten mit ihren Ehefrauen zu den auserwählten Besuchern beim Empfang der Queen im Spearhead House, dem Wohnsitz des britischen Brigadegenerals Bagwall.
Besuch des Bataillons
Was war der Grund für die royale Stippvisite in Oerlinghausen? Die englische Königin besuchte das Bataillon "The Royal Welsh Fusiliers" in Lemgo, dessen Ehrenoberst sie ist. Und als Übernachtungsmöglichkeit vor der morgendlichen Militärvisite nutzte das königliche Protokoll das Haus des Brigadegenerals in Oerlinghausen. Das war für einen so kurzen und weitgehend geheim gehaltenen Besuch leichter zu organisieren, denn die Villa des Generals gehörte zum britischen Sicherheitsbereich.Zum Empfang, den General Bagwall und sein Offizierskorps am Abend vorbereitet hatten, waren von deutscher Seite nur die Repräsentanten der gastgebenden Stadt Oerlinghausen eingeladen. Bürgermeister Erich Diekhof und Stadtdirektor Fritz Bollhorst nutzen die Gelegenheit und brachten unmittelbar das Goldene Buch mit. Sie baten die Queen anlässlich des privaten Besuchs um einen Eintrag ins Buch der Stadt Oerlinghausen.
Elisabeth II. unterschrieb mit einem goldenen Füllfederhalter eine Widmung an die Bürger der Stadt: "Sie nahm sich die Freude, statt eines persönlichen Besuchs im Rathaus, die Bevölkerung von Oerlinghausen durch die Einladung an die Herren Bürgermeister Diekhof und Stadtdirektor Bollhorst mit ihren Ehefrauen in das Spearhead House zu grüßen." Und auch die wichtigste Frage des königlichen Empfangs klärte der Artikel am nächsten Tag auf, die Garderobe der Queen. "Nachdem sie ihren Pelz von der Fahrt angelegt hatte, trug sie eine schwarze Pelzkappe und ein schlichtes rotes Wollkleid", schrieb Dieter Burkamp.
Smalltalk mit der Queen
Die Kunst des britischen Smalltalk beherrschten die Oerlinghauser Gäste perfekt. Bei einem Gin Tonic unterhielt sich die Queen mit den Ehefrauen der Stadtoberen über Kindergärten und Kindererziehung. Und in lockerem Gespräch informierten Diekhof und Bollhorst den königlichen Gast über den europaweit berühmten Segelflugplatz.Die Abfahrt der Queen nach Lemgo am nächsten Morgen gestaltete sich weitaus spektakulärer. Als der schwarze Rolls Royce, der eigens von England eingeflogen worden war, die Hanegge verließ, bildeten etwa 600 englische Schulkinder ein buntes, Fähnchen schwingendes Spalier. Sie waren mit Sonderbussen aus ganz Ostwestfalen gekommen und versuchten am Straßenrand einen Blick auf ihr berühmtes Staatsoberhaupt zu erhaschen. Auch viele Oerlinghauser standen - mit Kameras bewaffnet - an der Straße. Sie alle sahen Elisabeth II. nur schemenhaft hinter ihrem dunklen Panzerglas, wie sie ihnen huldvoll zuwinkte.
Die Briten in Oerlinghausen
Etwa 1.000 britische Soldaten, die vor allem in Bielefeld stationiert waren, lebten mit ihren Familien seit 1964 in der Oerlinghauser Südstadt. Die Spitzen des Offizierskorps in Bielefeld hatten ihre Häuser auf der Hanegge. Mit der deutlichen Verringerung der britischen Streitkräfte in Ostwestfalen verließen sie Mitte der 90er Jahre die Bergstadt.Viele Freundschaften und Verbindungen (zum Beispiel zu den Oerlinghauser Schützen) hatten sich in dieser Zeit entwickelt. Immer noch werden gelegentlich Informationen oder Glückwünsche bei Jubiläen ausgetauscht. So übermittelte das Oerlinghauser Ehepaar David und Anneliese Owen (David Owen ist ehemaliger Army-Angehöriger) sowie Bürgermeisterin Dr. Ursula Herbort der britischen Königin Elisabeth II. zum 60. Thronjubiläum einige Präsente und die besten Glückwünsche in den Buckingham Palace nach London.