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Museumsleiter schreibt Buch über Germanen und ihre rechten Anhänger

Gunter Held

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Zwei Jahre Auszeit hatte sich Museumsleiter Karl Banghard für Forschungszwecke genommen. Gearbeitet hat er an der nationalsozialistischen Vergangenheit des Museums und über die Verbindung von Neonazis und Germanen. - © Gunter Held
Zwei Jahre Auszeit hatte sich Museumsleiter Karl Banghard für Forschungszwecke genommen. Gearbeitet hat er an der nationalsozialistischen Vergangenheit des Museums und über die Verbindung von Neonazis und Germanen. (© Gunter Held)
Zweideutig: Vorgeblicher Wikingerschmuck, doch darauf sind deutlich Hakenkreuze zu erkennen. - © AFM
Zweideutig: Vorgeblicher Wikingerschmuck, doch darauf sind deutlich Hakenkreuze zu erkennen. (© AFM)

Oerlinghausen. „Nazis mögen Urgeschichte“ – Dieser Satz steht auf der Rückseite des Buches „Nazis im Wolfspelz – Germanen und der rechte Rand“, das Karl Banghard, Leiter des Archäologischen Freilichtmuseums, kürzlich vorgelegt hat. Es ist das Ergebnis seiner knapp zweijährigen Forschungen zu diesem Thema.

Gefördert wurde es vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport. Diesem Engagement ist es zu verdanken, dass Banghard sich nicht nur auf die nationalsozialistische Vergangenheit des Museums beschränkte. „Hätte ich die Arbeit nur auf Oerlinghausen bezogen, wäre vom Ministerium kein Geld geflossen.“
Die erste Auflage von 1300 Exemplare ist bereits vergriffen. Dass eine Zweite her muss, ist offensichtlich. „Wir haben zahlreiche offene Anfragen, die ich jetzt erst einmal vertrösten muss“, sagt Banghard. Momentan liefen die Verhandlungen darüber, wer eine zweite Auflage finanziert.

„Nazis mögen Urgeschichte“ - das zieht sich offensichtlich durch die Zeit. Adolf Hitlers Germanenkult wird deutlich im „Germanengehöft Oerlinghausen“, dem Vorläufer des heutigen Museums. Es wurde 1936 als erstes germanisches Freilichtmuseum der Welt gegründet. Gründungsdirektor war Hermann Diekmann. Er war wirtschaftsliberal und Mitarbeiter sozialdemokratischer und liberaler Zeitungen. Das änderte sich, als er 1933 in die NSDAP eintrat. Unter den Nazis konnte er seiner Leidenschaft, der Archäologie, frönen.

Das Museum sollte einerseits die Germanen wissenschaftlich fundierter darstellen, doch andererseits wurde den Germanen eine Ideologie übergestülpt, die den Nazis dienlich war. Zielgruppe war die Jugend, denn nur so konnte es gelingen, aus dem sozialdemokratisch bis kommunistisch geprägten Städtchen den Ort zu machen, der in Lippe die zahlenmäßig höchsten Eintritte in die Hitlerjugend verzeichnete.

Gut zupass kam den Nazis, dass Oerlinghausen 1936 900-jähriges Bestehen feierte. Das bot ausreichend Gelegenheit, die Germanen im Sinne der Nationalsozialisten zu präsentieren. Hohe Chargen aus Berlin kamen zu den Feierlichkeiten auf den Tönsberg. Das alles beschreibt Karl Banghard sachlich, sehr faktenbezogen und mit zahlreichen Fotos.

Beinahe ein bisschen süffisant ist Banghards Sprache in den Kapiteln, in denen es um Neonazis geht und darum, wie sie versuchen, Nazisymbole in mystisch verklärter pseudowissenschaftlicher Attitüde mit den Germanen in Einklang zu bringen. Dass die Rechten dabei eine Menge Energie aufbringen, wird im Kapitel „Indiegermanen“ deutlich. Dort nennt Banghard ein Drohszenario, in dem aus der älteren Edda, den auf Island im 13. Jahrhundert entstandenen Heldenlieder nordischer Mythologie, zitiert wird.

Liest man das Zitat allerdings im Kontext, wird deutlich, dass es sich um eine Art Mittelalter-Knigge für Tischsitten und den korrekten Umgang miteinander handelt. Doch das taugt natürlich nicht für den propagierten Mythos des Germanen, für den das Christentum eine verweichlichte Sekte ist und der sich selbst ständig im Kampf sieht. Der Museumsdirektor macht auch darauf aufmerksam, dass das Hakenkreuz in dem von Neonazis verwendeten Zusammenhang nicht viel mit Germanen oder Wikingern zu tun hat.

Karl Banghard geht in seinem Buch auch auf die Living-History-Gruppen und die Reenactment-Darsteller ein. Gerade dabei argumentiert er detailreich und genau, denn auch im Freilichtmuseum Oerlinghausen sind solche Gruppen regelmäßig zu Gast. Roeland Paardekooper, der Banghard während seiner Forschungszeit als Leiter des Museums vertrat, sagte, dass im Vorfeld solcher Showaktionen, sehr sorgfältig darauf geachtet werde, keine Gruppen einzuladen, die rechtsextremes Gedankengut fördern. Dazu nutzte Paardekooper ein europäisches Netzwerk von Freilichtmuseen, bei dem er im Vorstand saß.

Mit „Nazis im Wolfspelz“ ist Karl Banghard eine Arbeit gelungen, die das Archäologische Freilichtmuseum in die Zeitgeschichte einordnet und in einen größeren Zusammenhang stellt.

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