Henry Matz hat die eigene Knasttür im Büro

Oerlinghausen . Dieter Bohlen zu Gast im Niklas-Luhmann-Gymnasium? Nicht wirklich. Henry Matz aber schlüpft seit vielen Jahren immer wieder in die Rolle des Pop-Titanen. So glaubhaft, dass ihm Youtuber &bdquo;Tanzverbot“ auf den Leim gegangen ist. Den Jugendlichen des Leistungskurses Geschichte der Q2 von Konrektorin Bettina Lohkamp zeigt der 61-Jährige damit zum guten Schluss eine weitere Episode seines facettenreichen Lebens. Hauptanliegen aber ist es, den Jugendlichen von seiner Zeit als Häftling und Zwangsarbeiter in der damaligen DDR zu berichten.

Wegen seines unangepassten Verhaltens geriet Henry Matz bereits während seiner Schulzeit in Konflikte mit dem DDR-System. Sein Bruder durfte 1982 ausreisen. Er selbst wagte die Flucht, scheiterte im Juni 1983 jedoch am Grenzübergang Worbis-Duderstadt. Zehn Monate verbrachte Matz im Strafvollzug, leistete dort Zwangsarbeit in der Metallwarenfabrik Naumburg. Die war Hauptzulieferbetrieb für den schwedischen Möbelkonzern Ikea.

Während der Haft stellte er mehrere Ausreiseanträge. Seine Frau, eine Pädagogin, wurde vom DDR-Sicherheitsdienst so massiv unter Druck gesetzt, dass sie ihren Ausreiseantrag zurückzog, denn auch eine Zwangsadoption für die Tochter drohte. Henry Matz berichtet den Gymnasiasten, dass ihm Wohnung und Trabant geboten wurden, sollte er in der DDR bleiben. Er aber wollte weg. Möglich war eine Übersiedlung in den Westen nur durch eine Zwangsscheidung. Matz stimmte zu, musste die DDR im November 1985 innerhalb von 24 Stunden verlassen. Klar war für ihn, dass er Frau und Tochter nachholen wollte. 1986 wurde deren Antrag tatsächlich bewilligt. 1989 heirateten beide erneut. Erst etwa 20 Jahre später, sagt Matz, habe er die Möglichkeit gehabt, seine von der Stasi angelegte Akte zu lesen. Ein Arbeitskollege hatte ihn bespitzelt.

Stasi-Medaille aus Porzellan Als einer der Zeitzeugen der Gedenkstätte Hohenschönhausen erzählt er seither über seine Erfahrungen. Den Jugendlichen des Leistungskurses hat er Anschauungsmaterial mitgebracht. Unter anderem eine riesige Stasi-Medaille aus Meißner Porzellan, die einst vergeben wurden an &bdquo;Kundschafter unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit“. Matz setzt sich auch als Künstler mit der Vergangenheit auseinander, und er sammelt Gegenstände, die ansonsten unwiderruflich verloren gehen würden.

So besitzt er, &bdquo;wohl als einziger“, seine einstige Knasttür, die nun in seinem Büro steht, und das Gitter der Durchgangszelle. Ersteigert hat er zudem einen aus Schweden stammenden NVA-Koffer mit sämtlichen Kampfmaschinen-Modellen, die seinerzeit zur Verfügung standen. Keiner der Leistungskurs-Schüler hat Beziehungen zur DDR. Umso wichtiger ist es Matz, die Geschichte als Zeitzeuge lebendig zu halten. Und am Ende, da setzt er für die Jugendlichen die Dieter-Bohlen-Sonnenbrille auf.

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