Segelflugplatz mit Geschichte: Als Oerlinghausen nach dem Krieg wieder abhob

Oerlinghausen. Die Nazis hatten ganze Arbeit geleistet auf dem Segelflugplatz. Nicht der Beschuss der amerikanischen Panzergranaten, wie im übrigen Oerlinghausen, hatte die Gebäude – und damit auch viele Flugzeuge – zerstört, sondern die deutschen Truppen selbst. Sie vernichteten kurz vor Ostern 1945 nach dem Prinzip der verbrannten Erde alles, was nach verwertbarem Material aussah.

Mit einigen übriggebliebenen Hallenteilen und reparierten Flugzeugen starteten die Oerlinghauser Flugpioniere jedoch recht bald wieder. Segelfliegen war vorerst verboten, doch die Interessengruppen trafen sich bereits wieder in diversen Gaststätten. Paul Kardinal, Inhaber des ersten Lokals &bdquo;Fliegerklause“, war es, der vor allem die Initiative ergriff und die Vereinsgründung vorantrieb.

Schließlich ging im Dezember 1952 eine überörtliche Segelflugvereinigung an den Start: Die Flughafengemeinschaft, bestehend aus vielen ostwestfälischen Vereinen wie Gütersloh oder Herford, wurde gegründet. Vorsitzender war Oerlinghausens Bürgermeister Heinrich Kramer, Geschäftsführer der quirlige Friseur Fritz Drewes, genannt &bdquo;Tempo“.

Zu Gast: NS-Liebling Hannah Reitsch Bereits Ende Juli 1953 sollte die erste deutsche Segelflugmeisterschaft stattfinden. An den Pfingsttagen zuvor lief die Generalprobe: der erste Oerlinghauser Flugtag. Als Ehrengast war Hannah Reitsch dabei, Testpilotin und einstiger Liebling der NS-Machthaber. Auch eine erste Flugzeugtaufe stand auf dem Programm.

Dann begannen die Meisterschaften im Sommer. Auch Teilnehmer aus Frankreich und aus dem ehemaligen Jugoslawien waren dabei. Fast 50.000 Zuschauer strömten in die Heide, um den Auftakt der Meisterschaften zu erleben.

Gutes Flugwetter herrschte aber nur am Eröffnungstag. Sehr viele Wettbewerbe fielen in den folgenden Tagen ins Wasser. Am Ende siegte der Franzose Gerard Pierre, Hannah Reitsch kam auf den vierten Platz.

Der Pfingstflugtag 1954, ein Jahr später, geriet zu einem völligen Reinfall. Es herrschte sehr schlechtes Wetter. Bis auf einen Massen-Ballonstart konnte kein Wettbewerb stattfinden. Aber so leicht ließen sich die Oerlinghauser Segelflieger nicht entmutigen. Man beschloss kurzerhand, den Flugtag in den Spätsommer des Jahres zu verlegen, in die Zeit der Heideblüte. Kräftig rührte man die Werbetrommel für das verspätete Großereignis. Allen voran &bdquo;Tempo“ Drewes. Mit einem Auto und aufgebautem Lautsprecher fuhr er oft durch Oerlinghausen und warb für die Veranstaltung: &bdquo;Mit dem Flugzeug über die blühende Heide.“ Die ganze Aktion trug ihm den Namen &bdquo;Heidevater“ ein.

Am letzten Augustsonntag 1954 begann die große Flugparty. &bdquo;15.000 hielten den Atem an, als Arnim Dahl aus Hamburg, genannt Klettermaxe, am Hubschrauber seine halsbrecherischen Übungen vorführte“, schrieb die &bdquo;Freie Presse“ am nächsten Tag. In luftiger Höhe turnte der bekannte Hamburger Stuntman an einer Strickleiter hängend hoch über dem Segelflugplatz.

Loopings und Sturzflüge Viele weitere Höhepunkte hatte der Großflugtag zu bieten: Kunstflugvorführungen mit Loopings, Sturzflüge bis kurz vor den Boden und andere gewagte Flugmanöver. Die Gütersloher Segelflieger zeigten einen eindrucksvollen Verbandsflug, bei dem sie Schlag auf Schlag wie im Uhrwerktakt in der Luft ausklinkten und auf die Sekunde genau am Boden aufsetzten.

Die Zuschauer, die am Flugfeld mit offenem Mund die Luftakrobatik verfolgten, waren restlos begeistert. Immer wieder kommentierte Heidevater &bdquo;Tempo“ Drewes voller Emotionen die Flugvorführungen.

Der Erfolg des Großflugtages brachte der Oerlinghauser Segelfluggemeinschaft nicht nur volle Kassen aus den Eintrittsgeldern, sondern auch die Bereitschaft des Deutschen Aero-Clubs, im Sommer 1955 die Deutschen Meisterschaften ebenfalls nach Oerlinghausen zu vergeben. Nur ein Jahr später war Oerlinghausen wieder das &bdquo;Mekka der Segelflieger“, wie die &bdquo;Freie Presse“ schrieb. Diesmal war der Wettergott dem Luftsport gnädig gestimmt. Alle Wettbewerbe liefen unter großer Zuschauerbeteiligung ab.

Weltweit die meisten Starts und Landungen Ein Staatssekretär aus dem nordrhein-westfälischen Verkehrsministerium hielt die Eröffnungsrede. Hannah Reitsch war wieder mit dabei und siegte mit ihrem Zugvogel in der Einsitzerklasse. Sieger in der Doppelsitzerklasse wurde der bekannte Segelflieger Heinz Huth aus Hamburg.

Seit dieser Zeit hat die Bergstadt endgültig ihren festen Platz in der internationalen Luftsportszene. Heute gilt der Oerlinghauser Segelflugplatz – bemisst man ihn an der Zahl der Starts und Landungen – als der größte der Welt.

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