Düsseldorf. OWL hat ein weiteres Abgleiten Nordrhein-Westfalens im Armutsranking der Bundesländer gestoppt. Weil in den Regionen um Bielefeld und Paderborn das Risiko gesunken ist, arm zu werden (minus 0,9 beziehungsweise minus 2,1 Prozentpunkte), konnte NRW seinen Platz neun im Mittelfeld mit unverändert 16,6 Prozent halten, obwohl in anderen Landesteilen mehr Einwohner armutsgefährdet sind als noch ein Jahr zuvor.
Insgesamt liegt das einwohnerstärkste Bundesland aber klar über dem leicht gestiegenen Bundesdurchschnitt von 15,2 Prozent. Damit hat die Armut in Deutschland ein neues Rekordniveau erreicht, heißt es im aktuellen Armutsbericht des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und der nationalen Armutskonferenz (NAK).
Als armutsgefährdet gelten gemäß internationaler Absprachen Personen, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügen.
Für einen Singlehaushalt lag die Grenze 2012 bei 869 Euro.
Für Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern liegt die Hürde bei 1.826 Euro.
Die Studie ist nur auf den ersten Blick für NRW halbwegs beruhigend. So positiv es sicherlich ist, dass sich der Trend der letzten Jahre (steigende Armut zwischen Rhein und Ruhr) 2012 nicht fortgesetzt hat (neuere Zahlen liegen noch nicht vor), so niederschmetternd sind viele Teilergebnisse. Dies gilt insbesondere für das Ruhrgebiet. Das Revier ist, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die "armutspolitische Problemregion Nummer eins" in Deutschland.
Hier ist die Armutsquote erneut gestiegen, nämlich um 0,3 Punkte auf 19,2 Prozent. Die in dieser Region "völlig ungebremste Armutsentwicklung" ist "besonders gravierend in den Städten Dortmund und Duisburg, wo die Armutsquoten noch einmal um 2,2 Prozentpunkte auf 26,4 beziehungsweise um 1,6 Punkte auf 25,1 Prozent hochschnellten". In beiden Revierstädten ist damit jeder vierte Einwohner armutsgefährdet. Gegenüber 2005 ist die Armutsquote in Dortmund um über 42 Prozent gestiegen. "Diese Entwicklung kommt angesichts des bereits sehr hohen Ausgangsniveaus einem armutspolitischen Erdrutsch gleich", heißt es in dem Armutsbericht.
In der Region Bielefeld, wozu unter anderem die Kreise Gütersloh, Herford und Lippe gehören, liegt das Armutsrisiko bei 14,7 Prozent (2010: 15,8). Im Umfeld der Stadt Paderborn inklusive Kreis Höxter sind 14,6 Prozent der Einwohner von Armut bedroht (2010: 15,4).
In der Studie wird nicht allein die Zunahme des Armutsrisikos in Deutschland beklagt, sondern vor allem die regional sehr unterschiedliche Entwicklung. Der Abstand zwischen den Ländern ist größer geworden. Weil erstens bei den Spitzenreitern im Süden, Baden-Württemberg (11,1 Prozent) und Bayern (11,2 Prozent), die Armutsgefährdung gesunken ist. Und weil zweitens in elf von 16 Ländern das Risiko zugenommen hat. Am Ende der Skala liegen die Stadtstaaten (Bremen mit 23,1 Prozent) und ostdeutsche Länder wie Mecklenburg-Vorpommern (22,9).
Der paritätische Wohlfahrtsverband warnt deshalb vor "der sozialen Verödung ganzer Regionen". Die regionale Zerrissenheit habe dramatisch zugenommen. Deutschland sei noch noch nie so gespalten gewesen wie heute. "Die Kluft zwischen bundesdeutschen Wohlstandsregionen auf der einen Seite und Armutsregionen auf der anderen Seite wächst stetig und deutlich. Deutschland steht vor einer Zerreißprobe", heißt es in dem Bericht.