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Kinderschänder kommt auf freien Fuß

Landgericht: Weitere Unterbringung im Maßregelvollzug unverhältnismäßig / Seit 19 Jahren in Haft

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Hochsicherheitstrakt - © Foto: DPA
Hochsicherheitstrakt (© Foto: DPA)

Paderborn/Herford. Weil die weitere Unterbringung eines psychisch kranken Kinderschänders in der geschlossenen Maßregelvollzugsklinik von Lippstadt-Eickelborn nach Ansicht des Paderborner Land-gerichts nicht länger verhältnismäßig ist, muss der rückfallgefährdete Mann am 15. November entlassen werden. Das hat die zuständige Vollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn entschieden. Der Beschluss liegt dieser Zeitung vor.

Der Fall wird in der Bevölkerung wohl für Diskussionen sorgen. In der Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Individuums und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit mussten die Richter in Paderborn eine schwierige Entscheidung treffen.

Die Vorgeschichte: Das Landgericht Bielefeld hatte den in Herford geborenen Bernd B. (55) am 25. August 1995 wegen Kindesmissbrauchs in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Der pädophile Angeschuldigte hatte sich im Zeitraum von 1991 bis 1994 an Kinder herangemacht und sie in seiner Wohnung sexuell missbraucht. Weil bei Bernd B. eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde, ordnete das Gericht damals seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Seither war der Herforder in der Maßregelvollzugsklinik in Eickelborn untergebracht. Seit dem 14. September 2012 befand er sich dort auf einer Station für Langzeitpatienten.

Empfehlung für weitere Lockerungsschritte

Noch im vergangenen Jahr waren zwei externe Psychiater in ihren Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass bezüglich der pädophilen Veranlagung "trotz langjähriger Therapie keine wesentlichen Veränderungen oder Verbesserungen" erkennbar seien. Es müsse "deshalb davon ausgegangen werden, dass der Betroffene bei unüberwachter Bewegungsfreiheit (erneut, d. Red.) sexuelle Kontakte zu Jungen herstellen" werde. Ende August dieses Jahres schrieb die Eickelborner Klinik in einer Stellungnahme, dass die "chronifizierte Abweichung des Sexualverhaltens" ungünstig für die Prognose sei. Insgesamt sei "der Zweck der Unterbringung noch nicht erreicht", und es gebe keine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit, dass es nicht erneut zu Straftaten komme.

Allerdings hatten die beiden Gutachter auch weitere Lockerungsschritte (Ausgang und die Verlegung in eine andere Klinik) empfohlen, was Eickelborn aber nicht möglich war. "Soweit die Klinik . . . einwendet, dass es generell erhebliche Schwierigkeiten gibt, für Patienten wie den Betroffenen eine geeignete Einrichtung außerhalb des Maßregelvollzuges zu finden, so darf dieses nicht zu Lasten des Patienten gehen", schreibt nun das Paderborner Landgericht. Obwohl "immer noch ein Rückfallrisiko bestehen bleibt", sei es im konkreten Fall "unverhältnismäßig", Bernd B. nach 19 Jahren weiter im Maßregelvollzug zu belassen. Dem Pädophilen wurden diverse Weisungen erteilt. Er darf sich Kindern nicht nähern und muss Termine zur Nachsorge wahrnehmen.

Der Fall stehe "in einer Kette von Entscheidungen, bei denen Maßgaben der Justiz nicht mit den Empfehlungen von Gutachtern und/ oder Behandlern des Maßregelvollzugs im Einklang stehen", sagte Karl Donath, Sprecher des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, der Träger der Eickelborner Klinik ist. Der Bielefelder Rechtsanwalt Carsten Ernst, der die Interessen von Bernd B. vertrat, nannte den Beschluss des Landgerichts Paderborn hingegen "konsequent und folgerichtig". Alle Gutachter hätten sich für eine weitere Erprobung und Lockerung bei seinem Mandanten ausgesprochen. "Es kann nicht sein, dass jemand mit dem Hinweis auf fehlendes Personal ein Leben lang weggesperrt wird", sagte er.

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