Hannover (dpa). Trockenheit und Hitze machen Mensch und Tier zu schaffen - und Kraftwerken. Anfang Juli stand der Atommeiler Grohnde kurz vor der Abschaltung.
Die klimatischen Bedingungen mit Trockenphasen und Hitzeperioden könnten für die Atomkraftwerke in Deutschland zunehmend zu einem Problem werden. "Anfang Juli stand das Atomkraftwerk Grohnde im Landkreis Hameln-Pyrmont deshalb kurz vor einer Abschaltung", sagte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). Grohnde ist das OWL am nächsten gelegene AKW. Die Stadtwerke Bielefeld halten Anteile daran.
Das Kernkraftwerk des Betreibers Eon ist seit 1985 in Betrieb. Es bezieht sein Kühlwasser aus der Weser. Anfang Juli hätten Messungen ergeben, dass die Temperatur im Fluss nur noch 1,8 Grad Celsius unter dem Grenzwert von 28 Grad lag. "Das war eine kritische Situation, die fast zu einer Abschaltung oder zumindest Drosselung der Kraftwerksleistung geführt hätte", so Wenzel.
Hintergrund für die Festlegung des Grenzwertes sind Flora und Fauna. Wenn das Kühlwasser in den Fluss zurückgeleitet wird, besteht die Gefahr, dass das warme Gewässer weiter angeheizt wird. "Bei mehr als 28 Grad Wassertemperatur sinkt der Sauerstoffgehalt derart, dass Tiere und Pflanzen geschädigt werden", sagte Wenzel. Die klimatischen Veränderungen ließen erwarten, dass derartige Situationen künftig häufiger auftreten.
Betreiber Eon äußert sich zurückhaltend: "Wir können nicht bestätigen, dass unsere Kernkraftwerke zunehmend durch extreme Wetterlagen in betrieblicher oder sicherheitstechnischer Hinsicht beeinträchtigt wären", sagte ein Sprecher. In "gewissen sehr warmen Wetterlagen" könne es gelegentlich zu Leistungseinschränkungen kommen, um Temperaturgrenzwerte einzuhalten.
Ähnlich äußerten sich auch die AKW-Betreiber RWE und EnBW. Derzeit sei das Wetter - anders als 2003 oder 2006 - nicht problematisch, so ein RWE-Sprecher. Die Flüsse hätten die Möglichkeit, sich abzukühlen. Anders als bei der Weser führten Donau oder Rhein ganzjährig einen hohen Wasserstand. Zudem verfügten die Kraftwerke über Kühltürme, so dass nicht die volle Wärme in den Rhein geleitet werden müsse, hieß es von EnBW.
Das Umweltministerium in Stuttgart sieht die Lage kritischer. Auch am Neckar könne die Situation für das Kraftwerk Neckarwestheim "schneller schwieriger werden", sagte ein Sprecher. In der Hitzeperiode seien die Wassertemperaturen auch hier kurzfristig in einen Bereich gegangen, bei dem man sich Gedanken gemacht habe.
Der Klimawandel hat nach Ansicht von Stefan Wenzel bereits Konsequenzen für die Kraftwerke. In Extremfällen könne es sein, dass Kraftwerke abgeschaltet werden müssten. In Frankreich habe es dieses Problem bereits gegeben. "Ein zeitgleiches Abschalten von Kraftwerken kann Auswirkung auf die Netzstabilität haben", gibt EnBW zu bedenken. Daher sei ein Plan erarbeitet worden, der Versorgungssicherheit bei gewässerschonendem Betrieb der Kraftwerke sichert.
In Grohnde war es nicht die erste kritische Lage. "Vor einigen Jahren stand es schon einmal vor der Abschaltung", so Wenzel. Danach habe der Betreiber zusätzliche Vorratsbecken für warmes Kühlwasser angelegt. "Unsere Messung zeigt, dass das offenbar nicht reicht."