Bielefeld. Einkaufen kann enttäuschend und mitunter auch verwirrend sein. Wenn die Jeans kneift oder der Hemdkragen das Atmen erschwert, aber die Kleidung eine Nummer größer schlabbert, verlassen viele Kunden frustriert das Geschäft. Immer mehr Kunden haben das Gefühl, dass auf Kleidergrößen kein Verlass mehr ist. Um herauszufinden, ob dieses Gefühl stimmt, hat das Verbrauchermagazin Öko-Test in der jüngsten Ausgabe (Nr. 3/17), die heute erscheint, 60 Hemden und Blusen von 20 Herstellern vermessen lassen.
Das Ergebnis
Obwohl die ausgewählten Kleidungsstücke laut Etikett dieselbe Größe haben, variieren die Größen von Marke zu Marke gewaltig. Bei dem Test ergeben sich Unterschiede von gut 20 Zentimetern. Das zeigt die Vermessung der Größe 36: Die Bluse aus dem Hause Tom Tailor bringt es an der Taille auf 80,4 Zentimeter. Das Modell von Opus ist 102 Zentimeter breit.
Tipps beim Einkaufen
- Maßband nutzen: Mit dem Maßband vor der Anprobe prüfen, ob das Kleidungsstück in Frage kommt.
- Realistisch bleiben: Körperproportionen ändern sich mit dem Alter. Im Alter nimmt beispielsweise der Taillenumfang zu.
- Groß denken: Beachten, dass Kleidungsstücke in der Regel zu groß ausfallen.
Auch bei Hemden sind die Unterschiede deutlich. Das vermessene Hemd von Tommy Hilfiger in Größe 40 misst an der Taille 94,4 Zentimeter. Das Exemplar von Carharrt ist 15 Zentimeter breiter.
Öko-Test hat 30 Hemden in den Größen 40, 42 und 44 und 30 Blusen in 36, 40 und 44 von 20 Herstellern vermessen lassen. Fast alle Oberteile fallen größer aus, als in den Größentabellen der Hersteller angegeben. Auch Kleidungsstücke von Herstellern aus OWL hat Öko-Test vermessen lassen.
Blusen von Gerry Weber und Hemden von Seidensticker. Die vermessenen Blusen „Basic fit" des Haller Unternehmens Gerry Weber haben im Vergleich zu den Blusen der Hersteller Esprit, Tom Tailor, Peek & Cloppenburg, Street One, S. Oliver, Opus, More & More, Marc OPolo und H&M die kürzesten Armlängen und die schmalsten Kragenweiten. Die Gerry Weber-Bluse in 44 hat eine Armlänge von 61,6 Zentimetern und eine Kragenweite von 41,5. Zum Vergleich: Die Armlänge der Bluse von More & More beträgt 65,8 Zentimeter und die Kragenweite der Opus-Bluse 47,6.
Die vermessenen Hemden des Bielefelder Unternehmens Seidensticker haben im Vergleich zu den Oberhemden von Carharrt, Eterna, Tommy Hilfiger, Hugo Boss, Jack & Jones, Mango, C & A, Profuomo und Zara in allen vermessenen Größen die breitesten Oberweiten. Das Seidensticker-Hemd „Slim" in 44 hat eine Oberweite von 125,6 Zentimetern. Zum Vergleich: Das Carharrt-Hemd misst nur 117,2 Zentimeter.
Unwahrscheinlich ist, dass sich die Modeunternehmen bei der Herstellung an Ostwestfalen mit breiter Brust oder Ostwestfälinnen mit kurzen Armen orientiert haben.
Warum variieren die Konfektionsgrößen von Marke zu Marke so deutlich?
„Da die Größen nicht normiert sind, fallen sie je nach Hersteller unterschiedlich aus", erklärt der Hauptgeschäftsführer des Modeverbands German Fashion, Thomas Rasch. Das Problem sei hausgemacht. Es gebe zwar Größentabellen zur Orientierung, aber es bestehe keine Verpflichtung. „Die Vergabe der Größen hängt zudem vom Image ab", so Rasch.
Es gibt Marken, die richten sich an zierliche Frauen, andere wollen fülligere Kunden ansprechen. Zudem bieten immer mehr Modeunternehmen Kunden sogenannte Schmeichelgrößen an. Wie zum Beispiel Jeanshersteller, die Hosen der Größe 40 als 38 deklarieren. Trotz der individuellen Herangehensweise haben Modeunternehmen ein großes Interesse an den Maßen der Deutschen.
Für das Projekt „Size Germany" wurden 2008 13.000 Männer und Frauen vermessen. Frauen haben demnach im Vergleich zu 1994 im Schnitt um einen Zentimeter an Körpergröße zugelegt. Gleichzeitig nahmen auch Brust-, Taillen- und Hüftumfang zu. Männer sind im Vergleich zu 1930 um 3,2 Zentimeter gewachsen und haben auch deutlich an Brust, Taille und Hüfte zugelegt.
Seidensticker setzt bei der Ermittlung von Größen auf Reihenmessungen und Erfahrungen mit der Zielgruppe. Zu den Testergebnissen heißt es von Seidensticker: „Die Größenangaben liegen im Toleranzbereich unserer Maßtabelle."
Das Herforder Modeunternehmen Bugatti, dessen Kleidung nicht von Öko-Test vermessen wurde, setzt bei der Ermittlung von Größen auf verbindliche Maßtabellen und ein Team aus Modellmachern und Produktmanagern, die engen Kontakt zum Handel haben, um auf Veränderungen, wie zum Beispiel die schleichende Veränderung der primären Körpermaße der vergangenen Jahre – Körperhöhe, Brust- und Bauchumfang – einzugehen.
„Das Styling in der Mode, ob nun körpernah geschneidert wird oder körperfern, beeinflusst nicht die Passform", erklärt Bugatti-Sprecherin Ann-Kathrin Zich.