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Paderborn

Wie die Briten in Westfalen lebten

Paderborn. Der Blick aus dem Fenster ist zwar nur eine Fototapete. Doch die sich davor jahrzehntelang in vielen Familien wiederholende Szenerie des genüsslichen Teetrinkens kann man sich gut vorstellen. Schließlich haben die Macher der Ausstellung "Briten in Westfalen" ein typisch britisches Wohnzimmer aufgebaut, wie es zur festen Einrichtung in vielen Wohnungen zählte. Bei den vielen Umzügen der Soldaten wäre es zu aufwendig gewesen, wenn die Möbel mitumgezogen wären. Der Umzugsgedanke leitet auch die Ausstellung.

Briten in der Armee, beim Schützenfest, in Vereinen und in Kneipen - fein verpackt in Kisten: So präsentiert sich die Schau "Briten in Westfalen" mit den fünf Themenbereichen "Sieger und Besiegte", "Miteinander leben", "Klein London", "Militär in der Gesellschaft" und "Was bleibt?" im Paderborner Stadtmuseum.

Die Kosten betragen rund 600.000 Euro, 375.000 Euro entfallen auf die Stadt Paderborn (darunter 195.000 Euro Fördergelder). Projektleiterin Bettina Blum und Ausstellungsdesignerin Renate Müller-Fromme haben originale MFO-Kisten als Vorbild genommen und Paletten mit Kisten aufgestellt, die als Schaukästen dienen. So zeigen sie "eine Zeit des Kommens, Gehens und Weiterziehens", sagt Müller-Fromme.

Ostwestfalen ist dabei der Anfangs- und Endpunkt der britischen Militärpräsenz in Deutschland. 70 Jahre lang prägten die Briten damit auch das gesellschaftliche Zusammenleben. 70 Jahre, mit denen sich Projektleiterin Blum zwei Jahre intensiv beschäftigt hat. "Es gibt fast nichts dazu, was zwischen Briten und Deutschen ab 1945 passiert ist", sagt sie. Dabei interessiere es die Leute, wie das so war mit den Briten. 200 Briten und Deutsche aller Altersstufen, vom Fünfjährigen, der seine Schuluniform geliehen hat, bis zu über 90-Jährigen, hätten sich bei ihr gemeldet. Offiziere, Kneipenbesitzer, Landwirte und Umweltaktivisten. Sie bekam Exponate, hörte Geschichte um Geschichte und entwickelte die Inhalte.

"Dadurch sind ganz viele Perspektiven entstanden", sagt Blum: auf dem Truppenübungsplatz Senne, deutsch-britische Paare oder Bräuche. Abgeschlossen ist das Projekt für Blum noch nicht. Sie lädt ein, mitzudiskutieren und Anregungen zu geben.

Christoph Gockel-Böhner betont Blums Pionierarbeit: "Es war ein Forschungsgebiet, das komplett unbeackert war." Das Grundgerüst der Wanderausstellung wird auch an den weiteren Standorten bleiben. Etliche der 800 Exponate gehen nach dem Auftakt aber wieder zu ihren Leihgebern. "Die Ausstellung ist nicht wiederholbar und in der Tat einmalig", sagt Gockel-Böhner. Woanders werde sie zusammengerafft und lokal ergänzt präsentiert. Dabei solle nichts schönt gefärbt werden, sagt Gockel-Böhner. Sicher sei von Briten früher als Tommys gesprochen worden und auch das Thema randalierender Briten wird aufgegriffen.

Ulrike Gilhaus, Leiterin des LWL-Museumsamtes für Westfalen, spricht von einem Projekt, "das die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft verbindet". Die Frage nach dem Einfluss, den die Briten auf die Nachkriegsgesellschaft hatten, interessiert Andreas Neuwöhner (Direktor Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalen, Abteilung Paderborn). Hugh Pierson ist als Legacy Projects Officer für das Vermächtnis der Briten in Deutschland zuständig. Für die Soldaten sei ihre Zeit hier ganz wichtig gewesen. Es gebe jedoch keine Historiker fürs britische Militär in Deutschland, die die Zeit aufarbeiteten. Allerdings wird das Thema nun auch in Großbritannien aufgegriffen.

Information
Zweisprachige Führungen

  • "Briten in Westfalen" ist ein Projekt der Stadt Paderborn in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, der Universität Paderborn und dem Arbeitskreis ostwestfälisch-lippischer Archive mit Unterstützung der britischen Streitkräfte.

  • Das Projekt erforscht die Beziehungen zwischen den britischen Truppen und der deutschen Bevölkerung vom Kriegsende bis zum Abzug.

  • Die Sonderausstellung findet vom 21. Oktober bis zum 28. Februar im neuen Paderborner Stadtmuseum statt (Am Abdinghof 11) und ist zweisprachig aufgebaut.

  • Auch Führungen für Gruppen können in deutscher und englischer Sprache gebucht werden.

  • Zur Ausstellung ist ein Katalog/Begleitband (19,90 Euro) erschienen sowie die DVD "Good Morning Westphalia" (14,90 Euro).

  • Nächste Station der Wanderausstellung ist Gütersloh. Weitere Ausstellungsorte sind Bielefeld, Herford, Minden und Büren (Kreismuseum Wewelsburg).

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