Paderborn. Mit der öffentlichen Bestätigung von Teufelsaustreibungen, sogenannten Exorzismen, bricht das Erzbistum Paderborn im Jahr 2008 ein Tabu. Als einzige der 27 deutschen Diözesen gibt Paderborn die Durchführung der umstrittenen Praxis zu. Demnach genehmigte das Erzbistum zwischen 2000 und 2008 drei Exorzismen. Seitdem erhält das Erzbistum immer noch Anfragen von Menschen, die sich für besessen halten und sich vom sogenannten Befreiungsdienst der Kirche Hilfe erhoffen.
Auf Anfrage erklärt das Erzbistum Paderborn, dass sich seit 2008 zehn Menschen nach einer Teufelsaustreibung erkundigt haben. Allerdings soll es in diesem Zeitraum keine Austreibungen gegeben haben. „Ein Exorzismus und somit das große Befreiungsgebet der Kirche ist in keinem Fall durchgeführt worden", erklärt Sprecher Thomas Throenle.
Fragen Menschen beim Erzbistum an, folgen die Paderborner immer demselben Ablauf. Nach dem Erstkontakt sucht laut Throenle ein Priester das Gespräch mit dem Anfragenden, um das Anliegen zu klären. Dabei werde auch eine seelsorgliche Begleitung angeboten. „Durch das Kirchenrecht ist jedoch festgelegt, dass die Beauftragung eines Seelsorgers zu einem Befreiungsdienst einer besonderen und ausdrücklichen Erlaubnis durch den Paderborner Erzbischof bedarf", erklärt Throenle.
Allerdings müsse eine eindeutige medizinisch-psychologische Stellungnahme vorliegen, ehe der Erzbischof gegebenenfalls seine Erlaubnis zum Befreiungsdienst erteilt. Damit sollen laut Throenle Borderline-Erkrankungen und Wahnvorstellungen ausgeschlossen werden. Bei den Anfragen der vergangenen zehn Jahre sind die Anfragenden laut Throenle zur Inanspruchnahme medizinischer oder psychotherapeutischer Hilfe ermutigt worden.
Mit der öffentlichen Bestätigung von durchgeführten Exorzismen hatte das Erzbistum Paderborn 2008 mit einem Tabu gebrochen. Zuvor waren die Fälle stets mit größter Diskretion behandelt oder einfach dementiert worden. Ein Grund dafür war der Tod der 23-jährigen Religionspädagogikstudentin Anneliese Michel, die 1976 nach 70 versuchten Teufelsaustreibungen gestorben war. Der Fall hatte damals bundesweit für Aufsehen gesorgt und innerkirchliche Konsequenzen nach sich gezogen. Seitdem gab es in Deutschland nur noch wenige genehmigte Exorzismen, außerdem wurde der angewandte Ritus später unter anderem dahingehend überarbeitet, dass er das Hinzuziehen eines Arztes erforderlich machte.
Die bekannt gewordenen Paderborner Fälle lösten vor zehn Jahren große Empörung aus. Laut dem Erzbistum Paderborn handelte es sich bei den Symptomen, unter denen die Betroffenen litten, um Phänomene aus dem Bereich der Parapsychologie, sagte der damalige Pressesprecher Ägidius Engel im Jahr 2008 und nannte Beispiele wie Hautausschlag, an Wänden hochgehen oder in fremden Sprachen sprechen. Für einen der durchgeführten Exorzismen lag damals eine Heilungsbestätigung vor.