Knappe Flächen trüben Traum vom Eigenheim: Wo wohnen wir in Zukunft?

Bielefeld. Die nackten Zahlen sind erschreckend: Um 56 Hektar wachsen in Deutschland die Flächen für Siedlungen und Verkehr – an jedem Tag. 204 Quadratkilometer im Jahr. Nach 207 Tagen ist eine Fläche von der Größe des Truppenübungsplatzes Senne mit neuen Straßen und Gebäuden überzogen, nach 27 Monaten ist ein Gebiet von der Größe des Kreises Herford überbaut. Die Flächen gehen vor allem der Landwirtschaft verloren, die nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes bundesweit noch 181.280 Quadratkilometer bewirtschaftet, gut die Hälfte des Bundesgebietes (357.581 Quadratkilometer).

Fakten wie diese stehen im Hintergrund des neuen Streits ums Eigenheim, den ein Interview des Grünen-Politikers Anton Hofreiter auslöste. &bdquo;Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr", hatte der Grünen-Fraktionschef dem Spiegel gesagt und damit ins Wespennest gestochen. Denn Millionen Deutsche träumen vom Eigenheim mit Garten.

Im Durchschnitt 51 Quadratmeter Wohnfläche für jeden Verknüpft sind die ökologischen Bedenken aber auch mit sozialen Überlegungen: Angesichts der Wohnungsnot in Metropolen wie Hamburg und der Knappheit an Grund und Boden müssten &bdquo;die wenigen Flächen, die es gibt, bestmöglich genutzt werden", um &bdquo;für alle bezahlbaren Wohnraum zu schaffen".

Tatsache ist: Die als &bdquo;Flächenfraß" beklagte Versiegelung des Bodens schreitet voran, obwohl die Bevölkerung in Deutschland kaum wächst. Stattdessen wachsen die Gebäudeflächen, die jeder Einzelne für sich beansprucht: So ist die Wohnfläche pro Kopf auf den Rekordwert von durchschnittlich 51 Quadratmeter pro Nase gestiegen. Die Entwicklung ist längst als ökologisches Problem erkannt, denn der Lebensraum für Pflanzen und Tiere schrumpft, die Artenvielfalt ist bedroht, im Boden kommt weniger Wasser an.

Die Bundesregierung hat 2017 daher das Ziel gesetzt, den bundesweiten Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 unter 30 Hektar pro Tag zu senken. Mehrfamilienhäuser, in denen mehr Menschen auf weniger Grundfläche leben, könnten dabei helfen.

16.000 bis 17.000 neue Eigenheime pro Jahr in NRW Einfamilienhäuser gelten im Vergleich zu Mehrfamilienhäusern wegen der relativ größeren Außenflächen zudem als weniger sparsam bei Energie- und Ressourceneinsatz. Von einem Verbot oder einer Verhinderung des Neubaus von Einfamilienhäusern sind die Kommunen in NRW, die mit ihrer Bauleitplanung und Genehmigungspraxis über das Baugeschehen entscheiden, trotzdem bisher weit entfernt.

In Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland leben fast 18 Millionen Menschen, und NRW ist mit 526 Einwohnern pro Quadratkilometern zugleich der am dichtesten besiedelte deutsche Flächenstaat (also abgesehen von Berlin, Hamburg, Bremen). In den Jahren von 2016 bis 2019 wurden hier jährlich zwischen 47.000 und 49.000 neue Wohnungen fertiggestellt – ein gutes Drittel davon (16.000 bis 17.000 Wohnungen) in Ein- und Zweifamilienhäusern.

Bielefeld setzt weiterhin auf Einfamilienhäuser Etwas geringer war der Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern an den Neubauten in großen Städten wie Bielefeld: In den Jahren von 2016 bis 2019 wurden hier bis zu 1.046 Wohnungen neu gebaut, höchsten 244 davon (21 bis 32 Prozent) in Ein- oder Zweifamilienhäusern. Trotzdem hält der Bielefelder Bauamtsleiter Reinhold Beck nichts davon, komplett auf die Genehmigung von Einparteienhäusern zu verzichten: &bdquo;Wenn eine Großstadt wie Bielefeld den Bedarf nicht deckt, werden viele Interessenten, die ein eigenes Haus haben wollen, in die Umlandgemeinden umziehen. Vor allem Familien mit Kindern", weiß Beck. So ein Umzug ins Umland habe ebenfalls ökologische Nachteile: Durch Pendler könnte mehr Verkehr entstehen.

Zudem könnten auch Einfamilienhäuser energieeffizient und unter Verwendung nachhaltiger Rohstoffe wie Holz gebaut werden, betont Beck. &bdquo;Eine generell negative Darstellung des Einfamilienhauses halte ich für problematisch", sagt der Bauamtsleiter. Vor allem Reihenhäuser seien unter ökologischen Gesichtspunkten günstig.

Viele Städte setzen auf Verdichtung in der Innenstadt Ähnlich sieht es Christian Schröder von der Landesbausparkasse (LBS) West. &bdquo;Reihenhäuser entstehen heute oft auf Grundstücken mit nur 150 Quadratmeter Fläche – das ist schon recht verdichtet", weiß Schröder.

Grundsätzlich seien die Standards heute so streng, dass alle Neubauten recht energieeffizient seien. Altbau-Sanierung hingegen könne ausgesprochen aufwendig sein. Bei Mehrfamilienhäusern mit mehreren Eigentümern sei es oft schwierig, Konsens herzustellen, die Sanierung von Hochhäusen aus der Nachkriegszeit sei wegen der &bdquo;ökologisch oft katastrophalen Bauweise" ein echtes Problem.

Bereits seit Jahren setzten viele Städte wegen der Baulandknappheit auf Nachverdichtung in den Innenstädten, sagt Schröder. So würde mancher Innenhof und manche brachliegende Gewerbefläche jetzt bebaut, neue Baugrundstücke seien deutlich kleiner als früher, und viele freistehenden Eigenheime aus den 50er und 60er Jahren würden abgerissen – auf den großen Grundstücken entstehen dann Häuser mit 6 oder 8 Eigentumswohnungen.

Wohnen in Innenstädten soll wieder attraktiver werden Die Nachverdichtung habe jedoch ihre Schattenseiten, etwa wenn die Wärme sich staut: &bdquo;Nötig sind Frischluftschneisen", so Schröder. Auch soziale Probleme könnten die Folge allzu großer Verdichtung sein.

Der Bielefelder Architekt und Stadtplaner Reinhard Drees spricht statt von Verdichtung lieber von neuen Stadtkonzepten, die nötig seien. Das Wohnen in den Innenstädten müsse wieder attraktiver gemacht werden – nicht zuletzt, damit ältere Bewohner von Einfamilienhäusern darüber nachdenken, ihre Eigenheime an jüngere Interessenten zu verkaufen, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus seien.

Bielefelds Bauamtsleiter Beck betont, wie wichtig in Baugebieten eine &bdquo;gesunde Mischung" sei – durch verschiedene Gebäudearten, in Bielefeld zudem durch die Maßgabe, dass 25 Prozent der neuen Wohnungen finanziell gefördert und berechtigten Bewohnern vorbehalten werden. Im Rahmen ihrer 2019 beschlossenen &bdquo;Baulandstrategie" will die Stadt künftig als Käufer und Verkäufer von Baugrund ihren Einfluss geltend machen. Eines der Ziele: Bodenspekulation soll eingedämmt werden, damit Baugrund nicht unbezahlbar wird.

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