Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

OWL

Die meisten Covid-19-Patienten sind aktuell Langzeitpatienten

Bielefeld/Berlin. Die Lage auf den Intensivstationen in den deutschen Krankenhäusern hat sich mit dem Rückgang der Corona-Infektionszahlen und dem Fortschritt der Impfkampagne merklich entspannt. Aktuell sind nur noch 396 Covid-19-Patienten auf eine intensivmedizinische Versorgung angewiesen. Das entspricht knapp zwei Prozent der insgesamt 21.162 Intensivpatienten. Zu Neuaufnahmen kommt es kaum noch, denn die meisten Covid-19-Patienten sind Langzeitpatienten, die sich während der dritten Welle infiziert haben. Was das für die Patienten und die Teams auf den Intensivstationen bedeutet, erklärt Intensivmediziner Bernd Schönhofer vom evangelischen Klinikum Bethel (EvKB).

Auf den Intensivstationen in OWL müssen derzeit noch 16 Covid-19-Patienten versorgt werden. Zwei davon werden von Schönhofer, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am EvKB, und seinem Team behandelt. „Unsere beiden Covid-19-Patienten werden seit mehr als 80 Tagen beatmet. Sie sind aber auf einem guten Weg, weshalb ich davon ausgehe, dass sie bald ihren sehr langen Rehabilitationsweg beginnen können."

80 Tage auf der Intensivstation

Nach Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) müssen beatmete Covid-19-Patienten im Durchschnitt 14 Tage auf der Intensivstation versorgt werden. Zehn Prozent der Patienten benötigen jedoch mehr als 35 Tage Beatmungstherapie. Laut Divi-Präsident Gernot Marx stirbt jeder zweite Covid-19-Patient, der beatmet werden muss. Auch Intensivmediziner Schönhofer beobachtet, dass Covid-19-Patienten häufig lange beatmungspflichtig sind. „Untersuchungen dazu fehlen noch, aber die Erfahrung zeigt, dass Covid-19-Patienten im Vergleich zu Patienten mit anderen Erkrankungen überdurchschnittlich lange beatmet werden müssen."

Während vor wenigen Monaten noch ein Großteil der Intensivpatienten aufgrund von Covid-19 behandelt werden musste, zählen sie inzwischen zu den Ausnahmen. „Es ist fast wieder normal auf der Intensivstation, weil wir wieder hauptsächlich Patienten nach Herzinfarkten und anderen Erkrankungen behandeln, die in den vergangenen Monaten viel zu kurz gekommen sind", erklärt Schönhofer.
Doch Normalität sei trotz der wenigen Covid-19-Patienten nur bedingt möglich. „Nach wie vor wird jeder Patient, der ins Klinikum kommt, zunächst isoliert und auf das Coronavirus getestet. Dafür halten wir auf allen Stationen Zimmer frei, die das Personal nur in kompletter Schutzausrüstung betreten", erklärt Schönhofer. Erst wenn das negative Testergebnis vorliege, werde die Isolation beendet.

Neuer Leitindikator gefragt

„Diese Schutzmaßnahmen sind sehr aufwendig und schränken die Flexibilität ein, doch aktuell ist das noch nötig, weil noch immer viele Menschen nicht gegen das Coronavirus geimpft wurden." In 99 Prozent der Fälle sind die Corona-Abstriche laut Schönhofer negativ, doch in seltenen Fällen werden so Infektionen entdeckt. „Erst vor kurzem haben wir dadurch bei zwei Patienten Infektionen nachweisen können, die bis dahin unentdeckt geblieben sind. Sie werden aktuell auf unserer Covid-Station behandelt."

Mit Blick auf die kommenden Monate sieht Schönhofer die Intensivstationen weniger im Fokus. „Wichtig ist, dass die Politik die Hospitalisierungsrate nach Corona-Infektionen als neuen Leitindikator in der Bewertung der Corona-Lage nutzt. Das fordern wir Intensivmediziner schon lange, denn eine hohe Inzidenz bedeutet nicht automatisch eine hohe Belastung des Gesundheitssystems."

Die größte Herausforderung für das Gesundheitssystem sieht Schönhofer künftig in der Versorgung von Post-Covid-Patienten, die nach einer Infektion unter Langzeitbeschwerden wie chronischer Müdigkeit leiden. „Das betrifft Patienten aller Altersklassen, unabhängig von der Schwere des Covid-19-Krankheitsverlaufs", sagt Schönhofer. „Die Schwierigkeit ist, dass wir noch nicht viel über Post-Covid wissen und deshalb kaum Therapieangebote haben. Unklar ist auch, wie viele Menschen betroffen sind."

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.