Kommt auf kleinen Höfen bald Schlachtmobil für Geflügel zum Einsatz?

Kreis Gütersloh/Lippe. Die Strapazen auf dem Weg zur Schlachtbank sind ihnen erspart geblieben. "Sie haben nie einen Transport erlebt, sie sind stressfrei geschlachtet worden", sagt Bernd Nagel-Held über die 150 Masthähnchen, die bei ihm in Freilandhaltung rund 80 Tage über die Wiesen liefen, ehe sie geschlachtet wurden. Das sei so beeindruckend gewesen, findet er. Eine mobile Geflügelschlachtung hat den Tieren das strapazenfreie Lebensende ermöglicht. Die Anschaffung eines solchen Mobils erwägt Nagel-Held jetzt.

Nagel-Held selbst ist Hobbytierhalter. Über sein Gelände laufen vom Aussterben bedrohte Gänse, Hühner oder auch Enten. Sein Geld verdient er als Müller. Nach Lehre, Studium und Promotion ist er seit vielen Jahren Teil eines vierköpfigen Familienbetriebs im Kreis Lippe. Manche Entwicklungen hat er früh erkannt: "In den vergangenen 25 Jahren haben wir ungefähr eine Million Tonnen Bio-Getreide verarbeitet", sagt Nagel-Held, der nach eigenem Bekunden schon früh die Notwendigkeit für Betriebe gesehen hat, sich in der Regionalbewegung strukturell zu organisieren und 2002 zu den Gründern von Lippequalität gehörte. Nun sollen regionale Anbieter von seiner Idee profitieren.

Darum sieht Nagel-Held einen Bedarf für eine solche Anlage Dass es in der Region einen Bedarf für eine mobile Geflügelschlachtung gibt, begründet Nagel-Held damit, dass er seit mehreren Jahren mobile Hühnerställe an Kindergärten und Schulen vermietet und das Interesse daran steige. Man sehe zudem eine deutliche Ausweitung der privaten Geflügelhaltung wie auch der bäuerlichen Geflügelhaltung, beispielsweise in Mobilställen.

Zugleich, so bemängelt Nagel-Held im selben Atemzug, gibt es keine lokalen Schlachtstätten für Geflügel im Kreis Lippe und einigen angrenzenden Kreisen. Der Stress, der für die Tiere durch den Transport etwa zu weiter entfernten Schlachthäusern entsteht, soll nach Wunsch von Nagel-Held mit einer mobilen Geflügelschlachtung der Vergangenheit angehören.

Wie Kreisveterinär Patrick Steinig erklärt, gibt es mobile Schlachteinheiten für Geflügel schon seit geraumer Zeit. Einen Vorteil sieht er darin, dass die Schlachtung dabei auf dem Hof selbst erledigt wird. Doch im Kreis Gütersloh verfüge man eben noch über regionale Geflügelschlachtbetriebe.

Hygienische Bedingungen müssen stets neu geschaffen werden

"Der Grund, warum hier nicht mit einer mobilen Einheit gearbeitet wird, liegt wahrscheinlich auch in der deutlich höheren logistischen Herausforderung", sagt Steinig. So müssten etwa hygienische Bedingungen bei einer mobilen Schlachtanlage in jedem Betrieb wieder neu geschaffen werden.

Das EU-zugelassene Mobil, dessen Anschaffung Nagel-Held nun erwägt, kommt in Form eines Autoanhängers mit Rupfmaschine, Brühkessel und Co. auf den Hof – eben mit allem also, was man für die rasche Schlachtung vor Ort benötigt. Oder wie es Bernd Nagel-Held ausdrückt: "Noch bevor die Tiere wussten, dass sich etwas verändern würde, waren sie bereits ausgenommen." Es gelten währenddessen strenge Hygiene-Auflagen, auch das Veterinäramt ist im Zuge dessen eingeschaltet.

Laut Rechtslage dürfen Geflügelhalter auf ihrem landwirtschaftlichen Betrieb unter gewissen Voraussetzungen kleinere Mengen bis zu 10.000 Tieren jährlich schlachten – für das entsprechende Know-how und die Umsetzung würde dann in diesem Fall die mobile Schlachtanlage vom Betrieb eingekauft, beziehungsweise beauftragt werden.

80.000 Euro würde die Anschaffung des Mobils kosten

Aus Sicht von Kreisveterinär Patrick Steinig ist die Schlachtung auf dem Hof "eine gute Ergänzung, um auch den kleineren Haltungen gerecht werden zu können". Einen konventionellen Geflügelhaltungsbetrieb mit einer mobilen Anlage zu bedienen, sei dagegen logistisch nicht möglich. "Die Tierzahlen sind für mobile Einrichtungen meines Erachtens zu groß. Hier fehlen die erforderlichen Anlagen, wie zum Beispiel auch Kühlkapazitäten für eine solche Stückzahl."

Rund 80.000 Euro, so rechnet Nagel-Held vor, würde die Anschaffung einer solchen Anlage kosten. Finanzielle Unterstützung in Höhe von 30.000 Euro hat ihm das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) für sein Vorhaben bereits bewilligt. "Für die restlichen 45.000 bis 50.000 Euro wäre ich bereit, ins Risiko zu gehen", sagt Nagel-Held.

Er hofft darauf, dass seine Idee auch im heimischen Kreisgebiet Anklang findet. In Isselhorst oder Avenwedde etwa, so schildert es Nagel-Held, könnten sich ja theoretisch eine Gruppe von fünf Menschen zusammentun, um sich um 200 Masthähnchen kümmern. Am Ende käme dann das Geflügelschlachtmobil zum Einsatz und jeder der Beteiligten hätte seine Truhe voll. &bdquo;Im Idealfall könnte man über eine Anschubfinanzierung nachdenken", sagt Nagel-Held, um die Menschen von der Idee zu überzeugen. &bdquo;Nach dem ersten Braten sind sie dann süchtig", so seine Erfahrung.

Nagel-Held sieht die öffentliche Hand in der Verantwortung

Bis Ende des Monats muss sich Bernd Nagel-Held nun entscheiden, ob er so ein Schlachtmobil anschaffen möchte. Der Haken an der Sache: Noch hat sich niemand gefunden, der die Anlage betreiben will. Der Müller kann ihn in seinem kleinen Familienbetrieb nicht beschäftigen. Er sieht stattdessen eher die Verwaltungen in der Pflicht.

"Das ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand, eine dezentrale Geflügelschlachtung gehört zur Daseinsvorsorge", findet er, der betont, dass in der Sache den Anschub geleistet habe und auch bereit wäre, dafür ins Risiko zu gehen. Aber erst einmal muss auch der Schlachter gefunden werden und da hofft Nagel-Held, im Kreis Gütersloh eher fündig zu werden als im Rest von OWL.

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