Decke bricht ein: Waschbären-Familie stürzt ins Bett eines jungen Mannes

Bad Oeynhausen. Es war filmreif. Mit einem spektakulären Stunt landeten jüngst drei Waschbären im Bett eines 21-jährigen Wersters. Die Tiere brachen samt Zimmerdecke ins Dachgeschoss ein. Während der Bewohner ins Untergeschoss flüchtete, sorgten die Waschbären in der Wohnung für Chaos. Kammerjäger, Polizei, Feuerwehr und der Jäger versuchten ihr Möglichstes, die Tiere zu verscheuchen. Doch die kehren offenbar immer wieder in ihr Domizil unterm Dach zurück. Gerade Siedlungsgebiete, so sagen Fachleute, sind ein beliebtes Revier der possierlich aussehenden Tierchen.

Dass sie Obermieter hat, war Corina Tobien schon lange klar. "Seit gut einem Jahr rumort es auf dem Dachboden", sagt sie. Seitdem versucht die Familie, die Waschbärenfamilie loszuwerden. Ohne Erfolg. Bewegungsmelder mit LED und Pieptönen, mit Köder bestückte Lebendfallen - nichts hat geholfen. "Die Fallen haben sie umgeworfen und den Köder rausgeholt." Drin sei kein Tier gewesen. In der Werster Siedlung rund um die Händelstraße sind die Tiere bereits bekannt. "Mein Nachbar hat drei im Garten gesehen", sagt Tobien.

So putzig die kleinen Bären auch aussehen - ungefährlich sind sie nicht. Fühlen sie sich in die Enge getrieben, wehren sie sich gerne mit ihren scharfen Zähnen und Krallen. Außerdem übertragen sie Krankheiten - auch auf den Menschen. In manchen Regionen ist das Tier Träger des Waschbärspulwurms – der eine Infektion (über oral aufgenommene Spulwurmeier) auslöst, die beim Menschen durch die Larva migrans zu schwerwiegenden Gewebe- und Nervenschädigungen führen kann. Auch überträgt der Waschbär Staupe durch Tröpfcheninfektion auf Haustiere.

Die Heimat auf dem Dachboden Einige der Tiere sind offenbar auf Tobiens Dachboden heimisch. Dort haben sie sich direkt in der Dachwolle in der Decke zwischen Dachgeschoss und Dachboden eingenistet - und sich durchgefressen. Überall liegen zerrupfte Glaswolle, Waschbären-Kot, abgebrochene Paneele und in der Decke unmittelbar über dem Bett klafft ein zirka 3 Quadratmeter großes Loch.

Die Spur der Verwüstung aber geht weiter. Umgeworfene Gegenstände, abgeräumte Regale in der Küche, Glasscherben und zerbrochene Flakons im Badezimmer lassen den Fluchtweg der Waschbären erahnen. So wild wie die Flucht war auch die Jagd der Tiere. "Die gehen nicht freiwillig", hat Corina Tobien beobachtet. Erst nach vielen Versuchen sei auch der dritte Waschbär gnädigerweise nach draußen getreten: "Es wirkte, als stolziere er an den Feuerwehrmännern vorbei", beschreibt sie die Situation. Sind die Tiere draußen, ist die Aufgabe der Vertreiber beendet. "Dann kommen sie hinten wieder rein", vermutet Tobien. Denn auch in der Nacht danach vernahm sie ein Trampeln auf dem Boden. "Vielleicht ist auch noch ein Vierter da", überlegt sie.

Der Dachdecker hat bereits alle schlüpfrigen Stellen abgedichtet, der Schutz für die Fallrohre ist bestellt, der Handwerker hat von innen provisorisch die Decke geschlossen, die Fotos als Dokumentation für die Versicherung sind geschossen - jetzt geht's ans Aufräumen. Den Schaden an Dämmung und Kabel trägt die Gebäudeversicherung, den Rest die Familie selbst.

Nachts keine Tiere füttern Das Vorkommen von Waschbären ist in der Kurstadt keine Seltenheit. "Dass sie eine Wohnung verwüsten schon", hat Corina Tobien von den zuständigen Jägern und Feuerwehrmännern erfahren. "Angeblich soll es allein in Werste im vergangenen Jahr 40 Stück gegeben haben." Genau weiß das aber niemand. "Die Population kann niemand realistisch schätzen", sagt Walter Jäcker, Vorsitzender der Kreisjägerschaft.

"Im Kreis kommen pro Jahr mehr als 1.000 zur Strecke." Ursprünglich stammt der kleine Bär aus Nordamerika. Als Zuchttier kam er einst nach Europa. Sein dichtes, langhaariges Fell war begehrt. Doch aus den Pelztierzuchtfarmen konnten die etwa katzengroßen Tiere immer wieder entwischen. In den Wäldern fanden sie Futter, Wohnhöhlen und konnten sich durch das Fehlen natürlicher Feinde ungestört vermehren. Die rasant ansteigende Populationsdichte des Waschbären hat insbesondere auch auf die heimischen Vögel negative Auswirkungen.

Markenzeichen des Waschbären sind die auffällige Gesichtszeichnung mit der schwarzen Maske und der geringelte Schwanz. Der ausgezeichnet kletternde und gut schwimmende Waschbär gilt als sehr anpassungsfähig. Er ist Allesfresser. Auf dem Speiseplan stehen Beeren, Nüsse, Insekten, Würmer, Frösche und gelegentlich Vögel oder Kleinsäuger. Auch hat sich der Waschbär in den vergangenen Jahren viele Nahrungsquellen in Siedlungsnähe erschlossen, liebt Mülltonnen und schläft gerne auf Dachböden oder Scheunen.

Überall würden sich die Beschwerden aus den Siedlungsgebieten häufen. "Kein Wunder. Denn dort darf in der Regel nicht gejagt werden - aber dort werden Haustiere gefüttert, Komposthaufen unterhalten und es gibt Schuppen, Holzstapel und Ställe, wo sich die Bären wohlfühlen", erklärt Jäcker. In Häuser gelangten sie immer über das Dach, wenn Aufstiegshilfen vorhanden seien: "Wandbepflanzungen wie beispielsweise Efeu, Regenrohre ohne Kletterschutz, Äste von Bäumen, die auf das Dach ragen, Holzstapel oder Öffnungen zwischen den Sparren bei älteren Gebäuden", zählt der Experte auf. Um Schäden am und unterm Dach zu verhindern, helfe nur eines: "Aufstiegshilfen beseitigen." Und vor allem nachts keine Tiere zu füttern: "Katzenfutter und Meisenknödel ziehen die Bären magisch an."

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