Bielefelder liegt schwer verletzt im Garten: Und die 112 führt ins Nichts

Bielefeld. Ende eines Mythos: Entgegen alter Legenden führt die im Festnetz gewählte Telefonnummer (05 21) 112 nicht wie gewünscht zur Bielefelder Notrufzentrale - sondern ins Leere. "Diese Nummer ist nicht vergeben" erhielt Kerstin H. als Antwort vom Band - und in ihrem Garten in Ubbedissen ging es um Leben und Tod. Nach einem Arbeitsunfall saß ihr Mann Thorsten auf der Wiese und presste seine Hände gegen die tiefe Wunde in der Wade. Blut quoll aus dem Schnitt, die Arterie im Unterschenkel war durchtrennt.

Reflexartig legte seine Frau den Hörer beiseite, griff das Mobiltelefon und drückte dort die Ziffern 112. Weil der Wind günstig stand, gelangte das Signal in eine Funkzelle auf Bielefelder Gebiet und landete wie gewünscht bei der Notrufzentrale der Berufsfeuerwehr in Bielefeld. "Nach fünf Minuten standen Notarzt und Sanitäter vor der Tür, das war unglaublich schnell", erinnert sich der 65-Jährige an die gefühlte Ewigkeit des bangen Wartens auf die Helfer: Das Gesetz verlangt die Ankunft am Einsatzort binnen fünfzehn Minuten, Mediziner favorisieren eine Dauer von maximal zehn Minuten. Die Bielefelder halbierten den Wert.

Der Rettungswagen sei von der Rettungswache 9 aus gestartet, erklärt Bielefelds Feuerwehr-Chef Hans-Dieter Mühlenweg. Die Einrichtung gehört zu den vier Stationen des Bielefelder-Rettungsdienstes. Den organisieren die drei Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund, Johanniter-Unfallhilfe und Deutsches Rotes Kreuz im Auftrag der Stadt. Die Rettungswache 9 befindet sich an der Teltower Straße, von dort sprinten die Teams auf möglichst kürzestem Wege zu den Notfällen im Osten der Stadt. Insgesamt gibt es acht Stützpunkte im Stadtgebiet, denn auch die vier Wachen der Bielefelder Berufsfeuerwehr schicken Rettungswagen bei Bedarf.

Leitstellen-Mitarbeiter erkennen Handy-Standort Was aber wäre passiert, wenn der Notruf aus Ubbedissen nicht gleich die Leitstelle in Bielefeld erreicht, sondern wegen eines alten Festnetzanschlusses oder der Nähe zu einem Sendemasten auf Nachbargebiet im Lippischen landet? "Vor vier Jahren hatte meine hochschwangere Schwiegertochter in Ubbedissen einen Verkehrsunfall. Es wurde per Handy die 112 gewählt, was dazu führte, dass die Leitstelle in Lemgo erreicht wurde, und diese einen Rettungswagen aus Lippe schickte, der erst nach langer Wartezeit eintraf", berichtet Thorsten H. von den Widrigkeiten der Telefonie.

Das sei heute kein Problem mehr, sagt Feuerwehrchef Mühlenweg, weil die Leitstellen optimal miteinander vernetzt seien. Er erklärt die beiden Standardverfahren: "Die Disponenten in der Leitstelle sehen den Ort des Anrufs auf dem Display und können dann entweder das Gespräch direkt weiterleiten an die Kollegen in der passenden Leitstelle, oder sie nehmen den Vorgang komplett auf und senden ihn nach dem Gespräch zu den Kollegen." Und bereits während des Gesprächs sieht der Disponent die Zahl der verfügbaren Fahrzeuge in der nächsten Nähe zum Einsatzort - so schaffte das Rettungsteam in Ubbedissen die Rekordzeit von fünf Minuten.

Ähnliche Erfahrungen macht auch die Polizei, bestätigt Polizeisprecher Micheal Kötter: "Die Problematik tritt überwiegend bei der Einwahl in Mobilfunknetzen in den Bielefelder Randbezirken auf, dadurch kann ein “Bielefelder-Notruf“ bei einer Leitstelle einer benachbarten Kreispolizeibehörde eingehen. In seltenen Ausnahmefällen ist dieses Phänomen auch bei Notrufen über das Festnetz beobachtet worden."

Im Notfall hilft auch die alte Notrufnummer (05 21) / 1 92 22 Laut Bundesnetzagentur kann bei alten ISDN-Anschlüssen oder Anschlüssen kleiner Provider noch das Routingverfahren nach Ortsnetzen verwendet werden, dann würde bei der Vorwahl 05205 von Ubbedissen der Notruf 112 tatsächlich im Lippischen landen. Ende 2025 sei allerdings Schluss mit dem Ortsnetzrouting, dann gebe es nur noch das jetzt schon dominante Gemeindenetzrouting. "Im Zweifel können Ihre Leser die Feuer- und Rettungsleitstelle in Bielefeld im Notfall auch immer über die Nummer (05 21) / 1 92 22 direkt erreichen", sagt Feuerwehrchef Hans-Dieter Mühlenweg. "Die werde ich mir gleich neben das Telefon kleben", sagt Thorsten H.

"Nach einem landesweiten Standard gehen Notrufe aber auch an Nachbarbehörden, wenn alle Telefonanschlüsse einer Leitstelle belegt sind. Dies kann beispielsweise bei vielen gleichzeitigen Anrufen zu einem Unfall passieren", ergänzt Michael Kötter. Damit gehen keine Notrufe verloren und die Polizei Bielefeld erhalte durch die umliegenden Behörden Kenntnis zu den “Bielefelder-Notrufen“. "Dies tritt zum Beispiel auch nahezu täglich bei Unfällen auf den ostwestfälischen Autobahnabschnitten ein, wenn die aktuellen Notrufe einer regionalen Leitstelle eingehen."

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