Medikamentenmangel: Warum eine naheliegende Lösung nicht die beste ist

Bielefeld. Fiebersäfte, Erkältungsmittel oder Antibiotika – die Liste von Medikamenten, die aktuell in Apotheken nicht ausreichend vorhanden sind, ist lang. Nachdem Bayern als erstes Bundesland die Einfuhr nicht zugelassener Antibiotika-Säfte genehmigt hat, erteilte auch Nordrhein-Westfalen eine Sondergenehmigung. Doch dauerhaft bekämpfen können solche Ausnahmezulassungen den Medikamentenmangel Experten zufolge nicht. Die Suche nach alternativen Lösungen geht also weiter. Ein wiederkehrender Vorschlag: Medikamentensammelboxen.

Wie können Medikamentensammelboxen funktionieren? Menschen, die Medikamente übrig haben, nicht mehr benötigen oder aus anderen Gründen weitergeben wollen, könnten jene Arzneimittel in sogenannten Medikamentensammelboxen abgeben. So stünden sie anderen Menschen zur Verfügung, die das Medikament aufgrund des andauernden Medikamentenmangels nicht in der Apotheke bekommen konnten. In Gesundheitsausschüssen verschiedener Städte und Gemeinden wurde dieser Vorschlag bereits diskutiert.

Gibt es Medikamentensammelboxen bereits? Nein. Auch wenn der Vorschlag einer Medikamentensammelbox auf den ersten Blick naheliegend scheint, halten ihn das NRW-Gesundheitsministerium und auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe für nicht zielführend. Ähnliche Vorschläge, wie etwa die Idee, dass Bürgerinnen und Bürger in der Nachbarschaft Arzneimittel austauschen, sollten laut Gesundheitsexperten ebenfalls nicht unterstützt werden.

Was sind die Gründe? "Arzneimittel müssen wirksam, sicher und qualitativ hochwertig sein", sagt Heiko Haffmanns vom NRW-Gesundheitsministerium. "Und darauf müssen sich die Patienten verlassen können." Bei Arzneimitteln, die einmal die Lieferkette vom pharmazeutischen Unternehmer über den Großhandel bis hin zur Apotheke verlassen haben, sei das nicht mehr gewährleistet. Zu Hause würden die Medikamente in der Regel nicht mehr nachweislich qualitätsgesichert aufbewahrt.

Wenn das Medikament zum Beispiel Hitze oder Kälte ausgesetzt war, bestehe die Gefahr, dass das Mittel aufgrund von Abbauprozessen nicht mehr wirke oder womöglich sogar schädlich sei, erklärt Nina Grunsky vom Apothekerverband Westfalen-Lippe. "Es ist eigentlich noch nicht einmal nachzuhalten, ob in der Schachtel auch immer noch das richtige Mittel steckt oder vielleicht etwas vertauscht worden ist."

Könnte eine sachverständige Person die Medikamente überprüfen? Da einige Arzneimittel, wie zum Beispiel Säfte für Kinder, durch die Zugabe von Wasser erst zu Hause anwendungsfertig gemacht werden, werde grundsätzlich die Haltbarkeit aufgrund mikrobakterieller Verunreinigung stark eingeschränkt, sagt der Experte des NRW-Gesundheitsministeriums. Auch vorsätzliche Manipulation lasse sich laut Haffmanns nicht ausschließen. "Die ordnungsgemäße Qualität lässt sich auch im Nachhinein nicht mehr prüfen. Von diesen Arzneimitteln geht folglich ein nicht kalkulierbares Risiko für Patientinnen und Patienten aus."

Was können Menschen stattdessen gegen den Medikamentenmangel tun? Laut Grunsky: "Ganz wichtig: Bürger sollten keine Arzneimittel hamstern und horten." Tabletten, die bei den einen ungenutzt in der Schublade liegen, fehlen möglicherweise anderen Patienten, die sie gerade akut brauchen. Im ungünstigsten Fall würden diese Medikamente, die am Ende vielleicht weggeworfen werden müssen, in der Regel aus dem Solidarsystem bezahlt. "Wer keine unnötigen Vorräte anlegt, vermeidet zudem Müll und entlastet die Umwelt, weil die Stoffe erst gar nicht produziert und auch nicht um den halben Globus transportiert werden müssen", ergänzt Grunsky.

Was, wenn doch Mal Medikamente übrig bleiben? Falls unverbrauchte lebensmittel doch mal entsorgt werden müssen, sei es wichtig, sie so zu entsorgen, dass die Umwelt nicht belastet wird, sagt Grunsky. "Denn die Bestandteile können in der Umwelt unerwünschte Wirkungen auf Tiere und Pflanzen haben. Weder Säfte noch Tabletten dürfen daher in die Toilette oder Spüle gekippt werden." Mit dem Abwasser würden die Stoffe, die auch von Kläranlagen nicht vollständig zurückgehalten werden können, in die Umwelt gelangen. Am besten werden die Tabletten laut Apothekerverband im Restmüll entsorgt, ohne jedoch die Tabletten aus dem Blister herauszudrücken. Denn auch dabei können kleinste Teile freigesetzt werden, die der Umwelt schaden.

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