Vorwurf: Antibiotika-Missbrauch in Putenzuchtbetrieb im Kreis Gütersloh

Gütersloh/Bielefeld. Erneut erhebt die Organisation Aninova (ehemals Deutsches Tierschutzbüro e.V.) schwere Vorwürfe gegen einen Putenmastbetrieb aus Ostwestfalen-Lippe, in dem rund 10.000 Tiere in einem Stall unter qualvollen Bedingungen gehalten werden sollen. Sie schleuste eigenen Angaben zufolge einen Journalisten des Senders ProSieben in den Betrieb ein, gegen den schon mehrfach Vorwürfe der Tierquälerei erhoben worden sein sollen. Nach Angaben von Aninova soll dieser Betrieb im Kreis Gütersloh liegen.

Diesmal geht es um den zentralen Vorwurf, dass die Tiere zu Tausenden unnötigerweise Antibiotika erhalten haben. &bdquo;In keinem anderen Bereich, auch nicht in der Humanmedizin, werden so viele Antibiotika eingesetzt“, wird Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender von Aninova, in einer Mitteilung zitiert. Besonders hoch sei der Verbrauch in der Geflügelbranche. &bdquo;Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 wurden über 90 Prozent der untersuchten Puten-Mastzyklen in Nordrhein-Westfalen mit Antibiotika behandelt.“

Heinrich Bußmann, Geschäftsführer des Geflügelwirtschaftsverbandes NRW, weist pauschale Vorwürfe gegen die Geflügelzuchtbetriebe auf Anfrage zurück. &bdquo;Es gibt ein Antibiotika-Reduzierungsgesetz“, betont er. Dieses funktioniere auch gut. Von 2011 bis 2017 sei die Verabreichung von Antibiotika in den Betrieben um 57 Prozent zurückgegangen. An diesem Thema werde in der Branche weiter gearbeitet.

Der Bericht der Tierschützer zeigt ein extremes Gegenbeispiel. In einer riesigen Halle &bdquo;werden rund 10.000 Puten zusammengepfercht“, beschreibt Peifer die Situation in dem Betrieb. Einen Auslauf nach draußen hätten die Tiere nicht. &bdquo;Pro Quadratmeter werden rund drei Puten gehalten.“

&bdquo;Gesetzliche Vorgaben gibt es nicht“ Peifers grundsätzliche Kritik: &bdquo;Gesetzliche Vorgaben zur Putenhaltung gibt es in Deutschland nicht. Jeder Betrieb kann so viele Tiere in einen Stall quetschen, wie er will, und er verstößt dabei noch nicht einmal gegen ein Gesetz, weil es keines gibt.“ Für ihn sei klar: &bdquo;In solchen katastrophalen Haltungsbedingungen werden Tiere krank.“

Im Mastvorraum des undercover besuchten NRW-Betriebs wurde das Recherche-Team nach eigenen Angaben fündig. Peifer: &bdquo;Gleich kiloweise stehen dort verschiedene Antibiotika.“ Aus vorgefunden Dokumenten habe sich ergeben, &bdquo;dass der Mäster die Tiere selbst über die völlig verdreckte Trinkwasseranlage behandelt“. Der gesamte Tierbestand werde &bdquo;regelrecht mit Antibiotika vollgepumpt.“

Sollte ein Tierbestand zu hoch mit Antibiotika belastet sein, falle dies in jedem Fall im Schlachtbetrieb auf, erläutert Bußmann vom Geflügelwirtschaftsverband. &bdquo;Dort werden immer Proben genommen.“ Jeder Mastbetrieb sei zudem verpflichtet, die Daten über Medikamentengabe an die Zuchttiere anzugeben. Diese würden vom jeweils zuständigen Kreisveterinär kontrolliert. Bußmann betont zugleich: Wenn Tiere krank werden, sei es &bdquo;ein Gebot, dass man sie behandelt.“

Eigentlich sollten jedoch nur die Tiere behandelt werden, die auch krank seien. Stattdessen würden Antibiotika indirekt als Leistungsförderer eingesetzt, obwohl das in Deutschland seit Jahren verboten sei, kritisiert Peifer. Und weiter: &bdquo;Den Tieren wird regelrecht ein Medikamenten-Cocktail verpasst.“ Hinzu komme, dass einige Puten deutlich mehr trinken und damit auch mehr Antibiotika aufnehmen, während andere Tiere bereits so geschwächt seien, dass sie nicht mehr an das Trinkwasser herankämen. &bdquo;Diese Tiere bräuchten dringend Medikamente, erhalten am Ende aber nichts.“

&bdquo;Am Ende passiert einfach nichts“ Proben aus dem betroffenen Betrieb ließ Aninova eigenen Angaben zufolge in einem Labor untersuchen. Ergebnis, so der eigene Bericht: Es &bdquo;konnte sowohl das Breitband-Antibiotikum Amoxicilin als auch das Reserveantibiotikum Colistin im Trinkwasser der Puten nachgewiesen werden.“ Antibiotika, die eigentlich der Humanmedizin vorbehalten sein sollten, denn im Notfall brauche es genau solche Reserveantibiotika, um Menschen zu helfen, wie Peifer unterstreicht.

Seine Schlussfolgerung: &bdquo;Noch immer werden im großen Stil Antibiotika und sogar Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung eingesetzt.“ Im Jahr 2021 seien allein in Deutschland rund 600 Tonnen davon an sogenannte Nutztiere verabreicht worden. Er empfiehlt den Menschen deshalb die vegane Lebensweise, &bdquo;denn nur so wird die Tierquälerei beendet. Zudem trägt sie zum Schutz von Antibiotika-Rückständen bei, die immer wieder auf Fleischprodukten im Supermarkt gefunden werden“.

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