Weniger Absatz bei Miele durch Recht auf Reparatur? Das sagt das Gütersloher Unternehmen

Gütersloh. 80 bis 90 Prozent des Geschäfts mit Elektronikartikeln basiert auf einem schnellen Verbrauch, schätzen Experten – statt das Gerät reparieren zu lassen, kaufen sich die Kunden ein neues. Um solch umweltschädliches Verhalten zu verringern, hat die EU im Mai das &bdquo;Recht auf Reparatur“ beschlossen. Es soll Hersteller zwingen, bezahlbare Reparaturen anzubieten.

Wie geht eine Firma wie Miele damit um? Gelassen, um es mit einem Wort zu sagen. Und das, obwohl Miele als Hersteller von Haushaltsgeräten in einer Branche unterwegs ist, auf die die neue Regelung zielt.

Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspüler, Staubsauger: Alles Produkte, für die die Vorgaben bis Ende Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen sind - und alles Produkte, bei denen Miele künftig darauf zu achten hat, dass sie im Sinne des Verbrauchers gut zu reparieren sind. Doch was sagt Axel Kruse, Chef der Servicesparte bei Miele dazu? &bdquo;Wir begrüßen dieses Recht.“

35 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr in der EU durch zu früh entsorgte Produkte

Miele sehe sich gewappnet, sehe sich bei den Service-Leistungen schon jetzt so weit vorne, dass die Auswirkungen aufs Unternehmen minimal seien. &bdquo;Für uns ändert sich nicht viel. Schon heute steht ja die Reparatur an erster Stelle, wenn sie für den jeweiligen Kunden wirtschaftlich sinnvoll ist.“ Dass das als verankertes Recht künftig zu einem Absatzrückgang bei Neuprodukten führe, diese Gefahr sehe er bei Miele nicht.

Das Gesetz ziele auf Unternehmen, deren Geräte früh kaputt gehen und bei denen sich eine Reparatur nicht lohne. Nach Berechnungen der EU-Kommission fallen jedes Jahr rund 35 Millionen Tonnen Abfall an, weil Produkte zu früh weggeworfen werden. Der jährliche Schaden für Verbraucher belaufe sich auf zwölf Milliarden Euro. Das neue Gesetz helfe, die Kreislaufwirtschaft anzukurbeln und die Müllberge zu verkleinern.

Miele-Produkte aber, so betont Axel Kruse, seien auf lange Lebenszyklen geeicht. 20 Jahre, das ist die Laufzeit, die im Stress des Dauerversuchs simuliert wird, bevor Miele sie auf den Markt bringt. Sie so zu designen, dass sie für den Fall der Fälle gut auch von Dritten reparierbar sind: Darauf habe Miele schon immer geachtet.

Unternehmen Miele hat rund 70.000 verschiedene Teile auf Lager

Hinzu kommt, dass Miele in seinen Hochregallagern für sehr lange Zeit Ersatzteile vorhält – bis zu 15 Jahre nach Auslaufen der Modellreihe. Die Vorgaben der neuen Richtlinie hält man damit locker ein. Zusätzliche Kosten durch ressourcenbindende Vorratshaltung fallen nicht an.

Rund 70.000 verschiedene Teile liegen bei Miele auf Lager. Laut Kruse sind Ersatzteile mit gewissen Umschlagraten darunter, &bdquo;aber auch manches Teil, das wir nur einmal im Jahr verschicken“.

Der Aufwand stehe nicht immer in einem wirtschaftlichen Verhältnis zu Komplexität und Marktwert des Produktes. Das aber nehme Miele in Kauf. Beständiges, Reparaturfähiges zu verkaufen, gehöre zur Firmen-DNA. Sicherstellen müssen die Betriebe künftig, die Ersatzteile zu einem &bdquo;angemessenen“ Preis anzubieten.

Verändert das neue EU-Recht das Produktionsdesign von Miele?

Dass allein das neue EU-Recht zu Veränderungen bei den Produktionsdesigns führt, sehe er bei Miele nicht, sagt Kruse. &bdquo;Wir arbeiten bekanntermaßen nach der Maxime Immer besser. Unsere Produkte entwickeln und produzieren wir fortwährend so, dass sie auf Langlebigkeit ausgelegt sind.“

Vom Unternehmen Amazon, für das Kruse einige Zeit in den USA gearbeitet hat, kenne er die Losung: &bdquo;Best service is no service.“ Frei übersetzt: Am besten ist, wenn das Produkt gar nicht erst Kummer macht.

Sollten Waschmaschine oder Staubsauger dennoch mal ihren Dienst verweigern, hat Miele verschiedene Wege, den Kunden zu helfen. Einer davon: Videos. Sie zeigen, was zu tun ist, falls das Gerät einen Fehlercode anzeigt, F 220 etwa, Störung bei der Wasserzufuhr.

200 Videos zur Reparatur zuhause hat Miele mittlerweile hochgeladen

Statt direkt den Techniker ins Haus kommen zu lassen – mit Anfahrtskosten etc. -, kann sich der Kunde auf YouTube ein Erklärvideo ansehen und überlegen, ob er sich in der Lage fühlt, den Fehler selbst zu beheben. &bdquo;Entscheidend ist, was der Kunde möchte“, sagt Kruse.

200 Videos gebe es inzwischen, bei 200.000 Zugriffen pro Monat. Die Zugriffszahl steige jedes Jahr um 30 Prozent. Mancher Kunde traue sich beispielsweise, bei der Waschmaschine die Laugenpumpe zu wechseln.

Was Miele perspektivisch aufbaut und in den USA bereits testet, ist der &bdquo;Remote Assist“. Dabei werde ein Telefonat des Kunden mit einem technisch versierten Mitarbeiter etwa für den Folgetag vereinbart. Dann gehe man gewissermaßen gemeinsam zum Gerät und versuche telefonisch den Fehler zu beheben.

Künstliche Intelligenz wird die Branche massiv verändern

Nicht mehr lange, so Kruse, dann komme dabei womöglich auch Augmented Reality zum Einsatz, eine Spezialbrille beispielsweise, die mit Einblendungen arbeitet. &bdquo;Wir sind dabei, das zu testen.“ Bis zur Flächendeckung werde es dauern, drei bis vier Jahre vielleicht.

KI, künstliche Intelligenz, sei ohnehin ein großes Thema. Sie werde die Branche massiv verändern. Geräte und Prozesse würden gewissermaßen immer intelligenter. Naheliegend sei etwa, dass demnächst die Maschine dem Kunden Bescheid gebe, wann sie kaputt zu gehen droht. Proaktiv. Sie registriere einen Verschleiß und gebe Meldung – sofern der Kunde es wolle.

Staubsaugerdüsen könnten demnächst aus dem 3D-Drucker kommen

Eine eher untergeordnete Rolle spiele dagegen bislang der 3D-Druck. Eine Staubsaugerdüse wäre so ein Produkt, bei dem das vielleicht mal in Frage komme. Im Werk Bielefeld beschäftigte man sich mit dem Thema.

Kruse, 56, ist seit zweieinhalb Jahren bei Miele. Für eine Premium-Marke zu arbeiten, müsse sich auch im Service abbilden, sagt er. Diese Woche gab Miele bekannt, dass es im Sinne der Ressourcenschonung nun auch mit dem Verkauf aufbereiteter Elektronik beginne.

In fünf EU-Ländern – Deutschland, Griechenland, Italien, Österreich, Niederlande – könne der Kunde auswählen, ob er in seinem defekten Gerät ein neues oder ein überarbeitetes Elektronikteil einbauen lassen möchte. Letzteres sei etwa ein Drittel günstiger, werde aber nach den gleichen Qualitätskriterien geprüft wie ein Neues.

Miele will Elektroschrott den Kampf ansagen

Derzeit würden im Schnitt nur 22 Prozent des Elektroschrotts recycelt. &bdquo;Wir sagen Elektroschrott den Kampf an und nutzen gebrauchte Elektronikteile, um ihnen ein neues Leben zu geben“, sagt Kruse. Im ersten Schritt umfasse das Angebot zwölf gängige Elektronik-Komponenten.

Sie würden durch den Miele-Service eingebaut, aber auch durch die lizensierten Partner. Kruse spricht von &bdquo;zirkulären Wertschöpfungsketten“. Bestehende Materialien sollten so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf bleiben. Das dürfte ganz im Sinne der EU sein.

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