Personen aus OWL: Rainer Wend – vom Linksradikalen zum Cheflobbyisten

Bielefeld. Im Jahr 2009, als er als Bundestagsabgeordneter ausschied, da schwor sich Rainer Wend: &bdquo;Ich werde auf keinen Fall als Klugscheißer die Politik von der Seitenlinie aus kommentieren.“ Heute, 15 Jahre später, räumt der Bielefelder ein: &bdquo;Emotional reizt es mich ständig, etwas zu sagen, doch rational wäre das falsch.“ Der SPD-Politiker hielt Wort.

Parteiintern ist Rainer Wend noch immer ein geschätzter Ratgeber. Öffentlich aber hält sich der inzwischen 70-Jährige zurück, obwohl er auf eine erstaunliche Karriere blickt. Nach seinem Jura-Studium in Marburg und Münster folgten Promotion und Referendariat. Bereits 1970 trat er in seinem Heimatort Gütersloh der SPD bei – und eröffnete später in Bielefeld seine eigene Kanzlei. In der Stadt wurde er später für die SPD erster ehrenamtlicher Bürgermeister, Ratspolitiker und ab 1998 Bundestagsabgeordneter. Im Parlament saß er für seine Partei elf Jahre und leitete zwischenzeitlich den wichtigen Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit.

Wenn er heute auf den Zustand seiner Partei angesprochen wird, dann wirkt Wend ernsthaft besorgt. &bdquo;Auf kommunaler Ebene sehe ich mitunter ähnlich große Probleme wie im Bund“, sagt Wend im Gespräch. Die Kommunalwahlen im nächsten Jahr würden darüber entscheiden, ob es der SPD gelinge, deutlich zu machen, dass sie die Lebenswelt der Menschen wirklich in den Blick nehme. &bdquo;Dem Thema Kriminalität muss die SPD mit nüchternem Realismus statt mit Ideologie begegnen“, meint Wend. Es helfe beispielsweise nichts, den umstrittenen Bielefelder Platz Kesselbrink &bdquo;gesundzubeten“.

Wend galt als Weggefährte von Alt-Kanzler Gerhard Schröder Auch bei der Verkehrspolitik brauche es mehr Pragmatismus. Es sei wenig zielführend, Parkplätze aus der Innenstadt zu entfernen, um erst danach Quartiersparkhäuser zu bauen. &bdquo;Da darf man nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen“, sagt Wend. &bdquo;Für mich in der Stadtmitte von Bielefeld ist ohne Auto alles gut; für die vierköpfige Familie am Stadtrand sieht das anders aus.“ Für ein gutes Wahlergebnis sei für die SPD unterm Strich &bdquo;noch viel zu tun“.

Zu den aktuellen Diskussionen auf Bundesebene und einem schwächelnden Kanzler Olaf Scholz, auf dessen Schützenhilfe seine Partei im Wahlkampf in Brandenburg verzichtet hatte, sagt Wend: &bdquo;Den eigenen Kanzler zu verleugnen, ist in meinen Augen auch keine Strategie.“ Er fühle sich unter einem Kanzler Scholz &bdquo;sicherer“ als unter einem Kanzler Merz.

Einen besonderen Bezug hatte Wend zu einem früheren SPD-Kanzler. Der Bielefelder galt als &bdquo;Frog“ – ein &bdquo;Friend of Gerhard Schröder“, weil er dessen umstrittene Agenda-Politik verteidigte und vorantrieb. Inzwischen gibt es in Deutschland das ebenfalls umstrittene Bürgergeld, über das Wend sagt: &bdquo;Ich glaube, dass man das Bürgergeld an einigen Stellen verbessern kann; aber es ist sicher nicht das zentrale Problem unserer Gesellschaft.“ Zuletzt getroffen habe er Schröder auf dessen 70. Geburtstag – also vor zehn Jahren.

Als Dauerkartenbesitzer verfolgt Wend viele Arminia-Spiele Nach seiner politischen Karriere wagte Wend einen ungewöhnlichen Schritt. Er wurde Cheflobbyist der Deutschen Post DHL – eine Tätigkeit, die ihn in zahlreiche Länder führte. &bdquo;Das war eine wahnsinnig intensive Herausforderung.“ Wend kümmerte sich in dieser Zeit um Steuerthematiken, Beihilfe und Regulierungen. Der Wechsel vom linken SPD-Politiker zum Top-Manager sei ihm &bdquo;weniger verübelt worden, als angenommen“, sagt Wend heute mit einem Lächeln.

Er habe sich vorgenommen, im Leben alle zehn Jahre etwas anderes zu machen, sagt Wend. Zusammengefasst sind seine einzelnen Lebensstationen in einem Buch, welches der frühere NW-Journalist Peter Stuckhard verfasst hat. Es trägt den Titel: &bdquo;Eine Karriere vom Linksradikalen zum Cheflobbyisten“. Heute führt Wend ein &bdquo;ganz normales Rentner-Dasein“, wie er sagt. Nicht zuletzt seine fünf Enkelkinder, von denen drei in Bielefeld und zwei in Berlin wohnen, halten ihn auf Trab. Und wenn er in seiner Freizeit nicht gerade an der Lutter im Bielefelder Osten unterwegs ist, dann ist Wend auf der Bielefelder &bdquo;Alm“ anzutreffen – als Dauerkartenbesitzer der Arminia.

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