Wenn es keine Heilung mehr gibt: Der Alltag auf der Palliativstation Herford

Herford. Gert Gröper möchte sterben. Er hat Krebs, Metastasen zerfressen seine Knochen, das verursacht Schmerzen und die Knochen sind anfälliger für Brüche. Im Krankenbett im Wohnzimmer, zu Hause zwischen seinen Büchern von Rilke und Goethe, umgeben von seiner Musik, &bdquo;da wollte ich loslassen“, erzählt Gert Gröper.

Doch die Schmerzen waren zu heftig, zu lang anhaltend. Sein Arzt überwies ihn ins Kreisklinikum Herford-Bünde. Seit nunmehr zwei Wochen liegt er auf der Palliativstation in Herford. &bdquo;Das war das Beste, was mir passieren konnte“, sagt der 77-Jährige.

Eingewickelt in zwei Decken liegt er im Bett in einem Einzelzimmer. Am Fußende sitzt Herr von Schnuffel, ein Teddybär, an den Wänden hängen Bilder, auf seinen Knien ruht die Tageszeitung. Gert Gröper wird bald sterben. Das weiß er. Doch er grämt sich nicht.

Medikamente helfen gegen die Schmerzen Am Ende seines Lebens erzählt der Mann mit den schneeweißen Haaren seine Geschichte. Mit all seinen Höhen und Tiefen, wie er sagt. Er erzählt, wie seine erste Ehe zerbrach, dass sein Sohn in Frankreich lebt, dort, wo er seinen Lebensabend hätte verbringen wollen. Wie er in Herford seinen Herzensmenschen fand und 15 wunderbare Jahre mit ihr verbringen durfte, wie ihn der Buddhismus inspiriert und warum er keine Angst vorm Sterben hat. &bdquo;Ich hatte ein bewegtes und intensives Leben.“

Bei seinen Erzählungen ist er zweimal kurz den Tränen nahe, aber vor allem lacht er viel. Sein ganzer Körper spricht, bei einigen Erinnerungen leuchten seine Augen und er ist dankbar über den Umgang mit ihm auf der Palliativstation. &bdquo;Hier habe ich Liebenswürdigkeit und Achtsamkeit erfahren, die Menschen hören zu, sind für einen da und die Medikamente helfen, dass ich keine Schmerzen habe.“

Gert Gröper ist todkrank, fühlt sich hier aber wohl: &bdquo;In der Phase, wo mein Leben zu Ende geht, blicke ich von oben darauf. Wie ein Mosaik entsteht das Bild meines Lebens.“

Der Wille des Patienten auf der Station zu sein, ist Voraussetzung Sophia Zein begleitet den 77-Jährigen als Pflegefachkraft intensiv und kennt seine Vorlieben: &bdquo;Es geht hier nicht nur um die Krankheit, sondern um den Menschen“, sagt sie. Zehn Betten gibt es auf der Palliativstation. Zwei Doppelzimmer sind darunter. Zu zweit in einem Raum zu liegen, kann Patienten guttun. &bdquo;Sie stabilisieren sich gegenseitig“, weiß Annette Walter, die Ärztliche Leiterin der Station.

Menschen mit begrenzter Lebenszeit werden hier versorgt. Patienten, bei denen die Begleitung anspruchsvoller ist, die mehr Aufmerksamkeit brauchen. Darunter fallen die unterschiedlichsten Diagnosen wie Krebs, Herzschwäche oder neurologische Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson, die durch ihre kognitive und emotionale Veränderung besonders herausfordernd seien. Die Voraussetzung ist: Der Wille des Patienten hier zu sein. &bdquo;Niemand muss Angst haben, wenn er zu uns kommt“, sagt Zein: &bdquo;Hier ist niemand allein.“

Die Palliativstation im Klinikum Herford gibt es seit zehn Jahren. Von Anfang an ist Annette Walter als Ärztin vor Ort, mit im Team ist seit zwei Jahren Ulrike Lourenco. Die Fachärztin für Urologie ist als Assistenzärztin auf der Station. &bdquo;Das Ziel ist, den Patienten so gut einzustellen, dass er für die Zeit, die ihm noch bleibt, eine gute Lebenszeit hat“, sagt Lourenco. Leider könne das Ziel nicht immer erreicht werden. &bdquo;Für manche Menschen ist hier bei uns ihre letzte Zeit bereits angebrochen“, sagt sie. Dann leiste das Team aus Ärzten und Pflegern Sterbebegleitung.

Wartezeit auf einen Platz im Hospiz verlängert sich Für die meisten Patienten sei es der größte Wunsch, zum Sterben nach Hause zu gehen. So gut eingestellt mithilfe von Therapie und Medikamenten, dass sie symptomarm und schmerzfrei sind. So war es auch bei Gert Gröper. Doch nicht immer könne die Familie die Pflege leisten. Der 77-Jährige wartet daher auf einen Platz im Hospiz, um dort würdevoll sterben zu können.

Das Klinikum kooperiert mit Einrichtungen der Sterbebegleitung in Lübbecke, Bielefeld und Detmold. In Herford entsteht derzeit das erste Hospiz im Kreis. &bdquo;Wir sind sehr dankbar, dass das Hospiz hier entsteht. Wir brauchen dringend mehr Plätze“, sagt Walter. Wenn nämlich ein Mensch nicht zu Hause gepflegt werden kann und kein Platz in einem Hospiz frei ist, bleibt nur noch die Kurzzeitpflege. Diese Weiterversorgung eines Sterbenden sei manchmal nicht optimal. &bdquo;Es ist ein Konflikt.“

Im Schnitt bleiben die Patienten bis zu zwei Wochen auf der Palliativstation. &bdquo;Hier steht der Mensch im Vordergrund“, sagt Zein und führt aus: &bdquo;Es gibt weder feste Aufstehzeiten, noch muss etwas gegessen werden.“ Durst werde oftmals mit einem kleinen Eis gestillt. &bdquo;Das befeuchtet den Mund und hilft auch denjenigen, die unter Schluckbeschwerden und Übelkeit leiden.“

Humor hilft, das Unvermeidliche zu ertragen Ein großer Bestandteil der Arbeit sind Gespräche mit Angehörigen. &bdquo;Wir kennen oft die ganze Familie, selbst die Haustiere“, sagt Annette Walter mit einem Lächeln. Auch Kinder und Enkelkinder sind erwünscht, mit einem großen Raum mit Spielsachen und Büchern werden sie behutsam an das Thema herangeführt. Einmal im Monat sind Clowns vor Ort: &bdquo;Humor hilft, das zu ertragen, was nicht mehr zu ändern ist“, sagt Walter. Generell werde hier viel gelacht.

Das ist auch im Zimmer von Gert Gröper zu hören und zu spüren. Der 77-Jährige, der in Dresden geboren ist und der Liebe wegen nach Herford kam, lacht gerne und viel. Er ist bereit zu sterben. &bdquo;Ich habe so viel erleben dürfen, tolle Begegnungen gehabt. Ich möchte jetzt bewusst ins Licht gehen. Angst vor dem Tod habe ich keine.“

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