Bei Bewerbung diskriminiert? Transsexuelle Person klagt gegen Gütersloher Unternehmen

Gütersloh. Eine Firma aus dem Kreis Gütersloh sieht sich dem Vorwurf der Diskriminierung ausgesetzt. Verklagt wird sie von einer Person, die sich auf eine Stellenausschreibung beworben und eine Absage erhalten hat. Sie wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihrer Behinderung, ihres Alters und ihrer sexuellen Identität abgelehnt zu haben. Sie verlangt Entschädigung. Ihre Klage wird am Donnerstag beim Arbeitsgericht Bielefeld verhandelt.

Die Person hatte sich auf eine Stelle beworben, die Mitte Juli unter www.kleinanzeigen.de als &bdquo;Bürokaufmann/Frau“ ausgeschrieben war. In ihrer Bewerbung wies sie darauf hin, dass sie transsexuell sei, von Mann zu Frau, wegen der nicht vollständig abgeschlossenen Geschlechtsangleichung auch intersexuell. Das erwähne sie, um Missverständnisse zu Geschlechts- und Namensangabe, Bewerbungsfotos und Zeugnisse zu vermeiden. Außerdem sei sie anerkannt zu 50 Prozent behindert.

Die Firma, ein Camping-Ausrüster aus Langenberg, vertritt die Ansicht, das Bewerbungsverfahren sei &bdquo;benachteiligungsfrei“ verlaufen. Man habe schlicht übersehen, das &bdquo;dritte Geschlecht“ zu erwähnen. Außerdem bestreitet die Firma, dass die klagende Person inter- oder transsexuell sei. Laut Personenstandsregister und laut einem Beschlusses des Amtsgerichtes Dortmund von 2011 sei sie eine Frau.

Seit 2016 hat sie in 240 Fällen Klage eingereicht

Der Betrieb in Langenberg ist nicht der erste, den die Frau verklagt hat. Das Arbeitsgericht Bielefeld nennt Zahlen: Demnach hat sich die Frau in den vergangenen neun Jahren 1.577 Mal beworben. Diese Bewerbungen habe sie auf 1.152 diskriminierungsfrei und 425 diskriminierend ausgeschriebenen Stellenanzeigen abgegeben. In 240 Fällen habe sie auf Entschädigung geklagt. In manchen Fällen kam es zu Gerichtsverfahren, in anderen zu Vergleichen.

Von drei Praktika und einem Kurzzeitjob auf 450-Euro-Basis abgesehen, ist die Frau seit 2012 arbeitslos. Bei ihren Klagen beruft sie sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Der geschäftsführende Gesellschafter der Langenberger Firma hegt den Verdacht, bei der Frau handele es sich um eine AGG-Hopperin. Damit bezeichnet man Personen, die sich nicht auf eine Stelle bewerben, um sie tatsächlich anzutreten, sondern um Entschädigungen wegen behaupteter Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot zu erhalten. Dieses Vorgehen sei eine Art Geschäftsmodell. Bekannt ist, dass Justiz und Wirtschaft öfter mit Fällen von AGG-Hopping zu tun haben.

Die Klägerin kommt aus Dortmund. Die 240 Klagen, die sie im Laufe der letzten Jahre einreichte, spielen sich überwiegend in den Gerichtsbezirken Dortmund und Hamm ab, einige aber auch in Bielefeld. Laut dessen Direktor Joachim Kleveman kam es in zwei Fällen, 2020 und 2022, zu Gerichtsverfahren, die sie beide gewann. In einem Fall sei sie mit 2.000 Euro entschädigt worden, in einem anderen mit 2500 Euro. In der Regel werde jedoch vorher verglichen.

Einen Vergleichsvorschlag lehnte die Firma in diesem Fall ab

Im Fall der Langenberger Firma ist ein Gütetermin gescheitert. Laut Geschäftsführer habe sie 5000 Euro gefordert. Die Frau habe ihrerseits einen Vergleich über 1000 Euro angeboten, das habe die Firma abgelehnt. Der Geschäftsführer versichert, bei der Ablehnung habe weder Sexualität noch Alter noch Behinderung eine Rolle gespielt. Für ihn sei vielmehr der Wohnort ausschlaggebend gewesen. Innerhalb eines Jahres habe er auf vier ausgeschriebene Stellen 503 Bewerbungen erhalten. Er bevorzuge Beschäftigte, die in der Nähe wohnen. &bdquo;Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Beschäftigte, die weit pendeln müssen, auf Dauer unzufrieden sind.“

Er frage sich, ob es juristisch irrelevant sei, dass die Klägerin offenbar stets gleich vorgehe. &bdquo;Das hat doch Methode. Ist das Gericht tatsächlich gezwungen, nur auf den Einzelfall zu blicken?“ Falls ja, habe seine Firma schlechte Karten, so die Einschätzung seines Anwaltes. &bdquo;Wir haben in der Ausschreibung nun mal das d vergessen.“ D wie divers.

Zum aktuellen Fall liegt bereits eine Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichtes Hamm vor. Die besagt, dass die &bdquo;professionelle Bewerbungsweise“ der Klägerin nicht für Rechtsmissbrauch spreche. Die Frau sei schon lange arbeitslos, das könne die Vielzahl der klägerischen Bewerbungen mitverursacht haben. Dass diese in gewisser Weise &bdquo;standardisiert“ erfolgten, liege auf der Hand. An keiner Stelle sei der Bewerbung objektiv zu entnehmen, dass die Klägerin eine Ablehnung provozieren wolle, allein um eine Entscheidung zu erstreiten.

Ist &bdquo;junges, dynamisches Team“ eine Altersdiskriminierung?

Die Frau hat die Firma auf eine Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern verklagt, 7500 Euro. Sie hält der Firma nicht nur das vergessene &bdquo;d“ vor, sondern auch eine Diskriminierung aufgrund ihres Alters. In der Stellenausschreibung war die Rede von einem &bdquo;jungen dynamischen Team“. Sie selbst aber ist Jahrgang 1977.

Der Geschäftsführer hingegen argumentiert, er habe das Unternehmen erst im Dezember 2020 gegründet, insofern sei es jung. Dynamisch sei es auch: Mittlerweile sei die Zahl der Beschäftigten auf 15 gestiegen. So und nicht anders sei es zu verstehen.

Falsch sei auch die Behauptung der Klägerin, sie sei wegen ihrer Behinderung abgelehnt worden. &bdquo;Die Frau war für die Stelle einfach ungeeignet. Sie hat seit zwölf Jahren nicht mehr gearbeitet, sie hat an keinerlei Fort- und Weiterbildung teilgenommen, sie hat keine Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich.“ Die Klägerin wiederum erwidert, die Agentur für Arbeit habe ihr nach der Umschulung keine Fort- und Weiterbildungen nicht mehr finanziert.

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