Kassenbeiträge auf Rekordhoch: So viel müssen Versicherte in OWL zahlen

Berlin/Bielefeld. Der angekündigte Beitragsschock in der gesetzlichen Krankenversicherung ist zum Jahreswechsel wie befürchtet eingetreten. Aufgrund stetig steigender Kosten und aufgebrauchter Reserven haben fast alle der 94 Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge erhöht, auch in OWL. Bei den meisten Versicherern reicht die durchschnittliche Beitragserhöhung um 0,8 Punkte auf 2,5 Prozent jedoch nicht aus, obwohl viele bereits im vergangenen Jahr ihre Beiträge unterjährig erhöht haben. Für die Beitragszahler und ihre Arbeitgeber bedeutet die Entwicklung massiv steigende Kosten.

Konkret geht es um den Anstieg des Zusatzbeitrags, den jede gesetzliche Krankenkasse selbst festlegt. Alle Versicherten haben den festen Beitragssatz von 14,6 Prozent. Darüber hinaus erheben die Kassen einen Zusatzbeitrag. Aktuell reicht die Spannweite beim Beitragssatz der bundesweit geöffneten Krankenkassen von der BKK Firmus mit 16,44 Prozent bis zur Knappschaft mit 19 Prozent.

Die Zusatzbeiträge der teuersten bundesweit geöffneten Krankenkassen: Knappschaft: 2025: 4,4 Prozent, vorher 2,7 Prozent BKK Pfalz: 2025: 3,9 Prozent Mobil Krankenkasse: 2025: 3,89 Prozent, vorher 1,49 Prozent Die Zusatzbeiträge der günstigsten bundesweit geöffneten Krankenkassen: BKK Firmus: 2025: 1,84 Prozent, vorher 0,9 Prozent HKK: 2025: 2,19 Prozent, vorher 0,98 Prozent Audi BKK: 2025: 2,4 Prozent, vorher 1,0 Prozent Die Zusatzbeiträge der größten Krankenkassen: Techniker: 2025: 2,45 Prozent, vorher 1,2 Prozent Barmer: 2025: 3,29 Prozent, vorher 2,19 Prozent DAK: 2025: 2,8 Prozent, vorher 1,7 Prozent Die größte Krankenkasse in OWL: AOK Nordwest: 2025: 2,79 Prozent, vorher 1,89 Prozent Insgesamt haben zum Jahreswechsel 82 der 94 Krankenkassen ihre Beiträge erhöht. Im Durchschnitt stieg der Zusatzbeitrag auf 2,91 Prozent und liegt damit über dem amtlichen Orientierungswert von 2,5 Prozent. Der sogenannte Schätzerkreis ermittelt jährlich den rechnerischen Beitragssatz, der nötig ist, damit die Kassen ihre Ausgaben decken können. In diesem Jahr reicht der jedoch vielen Kassen nicht aus. &bdquo;Der Wert von 2,5 Prozent ist nicht mehr realistisch, weil es einen dramatischen Kostenschub im dritten Quartal 2024 gab“, erklärt Thomas Johannwille, Vorstand der Bertelsmann BKK und Sprecher der Betriebskrankenkassen in OWL. &bdquo;Die Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung haben sich von Quartal zu Quartal verdoppelt.“

Eine Betriebskrankenkasse als Ausnahme Das lässt sich auch in OWL beobachten, denn sechs der sieben Betriebskrankenkassen haben ihre Zusatzbeiträge erhöht. Ausnahme ist die BKK Gildemeister Seidensticker, die ihren Zusatzbeitrag jedoch bereits im Mai und November 2024 erhöht hatte.

Die Zusatzbeiträge der Betriebskrankenkassen in OWL: BKK Dürkopp Adler: 2025: 3,88 Prozent, vorher 2,55 Prozent BKK Diakonie: 2025: 3,8 Prozent, vorher 2,69 Prozent BKK Melitta hmr: 2025: 3,5 Prozent, vorher 1,6 Prozent BKK Gildemeister Seidensticker: 2025: 3,4 Prozent, gilt seit November 2024 Bertelsmann BKK: 2025: 3,2 Prozent, vorher 2,5 Prozent Heimat Krankenkasse: 2025: 3,1 Prozent, vorher 2,5 Prozent Miele BKK: 2025: 2,8 Prozent, vorher 1,2 Prozent Die Beitragserhöhungen belasten Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber, da diese die Beiträge zur Hälfte zahlen. Doch was bedeutet die Steigerung von durchschnittlich 0,8 Prozent auf einen Krankenkassenbeitrag von 17,1 Prozent für die Beitragszahler konkret? Beschäftigte mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.000 Euro zahlen aktuell im Durchschnitt 163 Euro pro Monat, ihr Beitrag steigt pro Monat um 8 Euro. Bei einem Einkommen von 3.000 Euro erhöhen sich die Beiträge von monatlich 244,50 Euro um 12 Euro, bei 4.000 Euro von 326 Euro um 16 Euro und bei 5.000 Euro von 407,50 Euro um 20 Euro.

Das entspricht jährlichen Beitragssteigerungen von 96 Euro bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.000 Euro bis 240 Euro bei 5.000 Euro. Bei höheren Einkommen sind die Beitragssteigerungen in absoluten Zahlen noch höher – zumindest bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 5.512,50 Euro Bruttoeinkommen im Monat. Und das nur für die Krankenversicherung. Hinzu kommen die steigenden Beiträge für die Pflegeversicherung.

Bund und Länder wälzen Kosten auf Versicherte ab Die Krankenkassen warnen seit Langem vor der Kostenexplosion für die Beitragszahler, die zum Jahreswechsel eingetreten ist, und auch davor, dass es in den kommenden Jahren so weitergehen wird. &bdquo;Ändert sich nichts, werden die Kosten weiter steigen, denn die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht immer weiter auseinander“, warnt Johannwille. &bdquo;Deshalb wünsche ich mir als Bürger und als Vorstand der Bertelsmann BKK von der nächsten Bundesregierung, dass sie diese Herausforderung angeht, indem sie kurzfristig für eine finanzielle Entlastung sorgt und langfristig das Gesundheitssystem effizient umbaut.“

Konkret fordert Johannwille so wie viele Kassenchefs, dass sich Bund und Länder ihrer Finanzierungsverantwortung stellen und nicht länger Aufgaben auf die gesetzliche Krankenversicherung abwälzen, die mit Steuermitteln finanziert werden müssen. &bdquo;Dazu zählen unter anderem die Krankenhausreform und die Beitragspauschalen für Bürgergeld-Empfänger. Der Bund entledigt sich seiner Kosten zulasten der gesetzlich Krankenversicherten und lässt Privatversicherte dabei aus.“

Allein die auskömmliche Finanzierung der Beitragspauschalen für Bürgergeld-Empfänger würde nach Angaben Johannwilles dafür sorgen, dass die Kassen ihre Zusatzbeiträge um etwa 0,7 Prozent senken könnten. &bdquo;Nötig ist auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arznei. Warum muss der Staat bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung mitverdienen?“

Kassenchef fordert Fahrplan für die Gesundheitsversorgung bis 2040 Für ebenso wichtig wie die finanzielle Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung erachtet Johannwille einen Umbau der Gesundheitsversorgung. &bdquo;Es ist genug Geld im System, doch wir setzen es nicht effizient genug an. Für eine langfristig stabile Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und die Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung müssen wir das ändern“, fordert Johannwille. Mit Blick auf die demografische Entwicklung und den Mangel an Ärzten, Pflegern und anderen Fachkräften im Gesundheitssystem sei das unumgänglich.

Konkret ist nach Angaben des Kassenchefs eine bessere Steuerung der Patienten samt Primärarztsystem ebenso nötig, wie neue Ausbildungsmodelle für medizinische Fachkräfte zur Übernahme ärztlicher Aufgaben, die Ausweitung der Nutzung von Telemedizin und Künstlicher Intelligenz und das Ende der Überregulierung, um den Patientenschutz über den Datenschutz zu stellen.

&bdquo;Wir brauchen auch eine Diskussion darüber, was wir uns künftig noch leisten können. Politiker, die Leistungskürzungen ablehnen, sind unehrlich. Sie versprechen, dass sie den Bürgern nichts wegnehmen, verschweigen aber, dass sie den Bürgern jedes Jahr mehr Geld wegnehmen.“ Johannwille fordert von der neuen Bundesregierung einen Fahrplan für die Gesundheitsversorgung bis 2040, &bdquo;der in den kommenden Jahren konsequent durchgezogen wird, unabhängig von der jeweiligen Konstellation der Bundesregierung.“

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