Brandmauer-Debatte in NRW: „Merz wird zum Brandstifter“

Düsseldorf. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Es sind noch vier Wochen bis zur Wahl – und vom &bdquo;Fairnessabkommen“ der Parteien scheint nicht mehr viel übrig zu sein. Die Angriffe werden heftiger; profitieren dürften davon am Ende nur die extremen Ränder.

Im Kern dreht sich die Debatte um folgende Frage: Ist es vertretbar, dass die Union im Bundestag Anträge und einen Gesetzesentwurf mit verschärften Migrationsregeln einbringt, die durch die Stimmen der AfD eine Mehrheit erlangen könnten? Von einem &bdquo;Tabubruch“ in der deutschen Nachkriegsgeschichte spricht der Mindener SPD-Politiker Achim Post, der Bundesvize seiner Partei ist. Friedrich Merz nehme &bdquo;aus kurzfristigen Wahlkampfinteressen“ bewusst Stimmen von &bdquo;Rechtsradikalen“ und &bdquo;Demokratieverächtern“ in Kauf, meint Post.

&bdquo;Friedrich Merz verspricht die Brandmauer und wird zum Brandstifter.“ Post hofft nun, dass wenigstens der Vorsitzende des größten Landesverbandes der CDU, Hendrik Wüst, nicht länger schweige, sondern Merz an &bdquo;Grundwerte und Grundgesetz“ erinnere.

NRW-Grüne halten die CDU-Vorschläge für nicht überzeugend Ähnlich fällt die Kritik der Grünen aus, die in NRW verlässlich mit der CDU regieren. Die Anträge der Union im Bundestag seien inhaltlich &bdquo;nicht überzeugend“, sagt der Chef der NRW-Grünen, Tim Achtermeyer, dieser Zeitung. Es sei mehr als fraglich, ob sie den furchtbaren Anschlag von Aschaffenburg hätten verhindern können. Zudem seien sie verfassungs- und europarechtlich &bdquo;mindestens umstritten“ und gefährdeten den Kern des europäischen Gedankens, meint Achtermeyer.

Besonders besorgniserregend sei jedoch die Vorgehensweise von Friedrich Merz. &bdquo;Wenn die CDU im Bund eine Mehrheit durch die AfD in Kauf nimmt oder auch nur als Druckmittel nutzt, stärkt das die AfD und gibt ihr die Macht, Demokraten gegeneinander auszuspielen“, sagt Achtermeyer. &bdquo;Das wäre ein historischer Fehler – und ein Schritt in Richtung österreichischer Verhältnisse. Die AfD darf keine Macht über unsere Demokratie bekommen.“

Etwas anders beurteilt das der Chef der NRW-FDP, Henning Höne. Jede Fraktion müsse ihre Positionen frei in Anträgen in die Parlamente einbringen können. &bdquo;Anträge zurückzuhalten, nur weil extremere Ränder möglicherweise zustimmen, verengt den demokratischen Debattenraum und stärkt letztlich genau diese Ränder“, sagt Höne dieser Zeitung. &bdquo;Das kann und darf nicht der Anspruch unserer Politik sein.“

FDP warnt vor einem &bdquo;fatalen Fehler“ Merz hat zuletzt immer wieder betont, dass er nicht länger bereit sei, im Bundestag das &bdquo;Richtige“ nicht mehr zur Abstimmung zu stellen, nur weil &bdquo;möglicherweise die Falschen zustimmen“ könnten. Ähnlich argumentiert auch NRW-FDP-Chef Höne. &bdquo;Unsere Anträge orientieren sich an der Sache, nicht an der Zustimmung oder der Ablehnung durch andere Parteien.“ Wer ausschließlich Anträge einbringe, die sicher von der AfD abgelehnt würden, mache diese Partei zur mächtigsten im Land. &bdquo;Das wäre ein fataler Fehler.“ Die FDP unterstütze den Antrag der Union zur Migration, &bdquo;weil wir seit Langem für eine Veränderung der Asylpolitik eintreten“, sagt Höne.

Der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Thomas Poguntke hält es für &bdquo;nachvollziehbar“, dass Merz den viel diskutierten Schritt gehe. Es gebe sowohl in der Bevölkerung als auch (möglicherweise) im Bundestag Mehrheiten für eine erhebliche Verschärfung der Migrationspolitik. &bdquo;Will man auf jeden Fall ausschließen, auf die Stimmen der AfD angewiesen zu sein, haben SPD und Grüne tendenziell die Möglichkeit, wichtige Grundlinien der Politik zu bestimmen“, sagt Poguntke. Hier zeige sich die Problematik der Brandmauer-Philosophie. &bdquo;Gelingt hier ein Politikwechsel, könnte die AfD mittelfristig ihr wichtigstes Mobilisierungsthema verlieren, nämlich die Migrationspolitik“, vermutet Poguntke.

CDU-Politikerin Scharrenbach sieht die SPD in der Pflicht Allerdings gehe Merz ein erhebliches Risiko ein, weil er ein Stück weit von seinen früheren Positionen zur AfD abrücke und sich dem Vorwurf ausgesetzt sehe, er stelle den Regierungsparteien ein Ultimatum. Das wertet der Politikwissenschaftler als Versuch, Handlungsfähigkeit zu beweisen.

Auch Ina Scharrenbach, NRW-Ministerin und Mitglied des CDU-Präsidiums, verteidigt den Kurs. &bdquo;Brandmauern sind Schutzschilder für die Demokratie. Die CDU hat diese Schutzschilder gegen Antidemokraten errichtet“, sagt Scharrenbach dieser Zeitung. Gerade nach den entsetzlichen Taten der vergangenen Monate erwarteten die Menschen Entscheidungen für mehr Sicherheit. &bdquo;Demokratie zu schützen, heißt auch das Richtige zum Wohle und zur Sicherheit der Menschen zu tun. Die SPD kann ihren Beitrag dazu leisten. Jetzt.“Der Chef der NRW-AfD, Martin Vincentz, sieht in der &bdquo;Brandmauer-Ideologie“ derweil eine Demokratie-Verachtung der etablierten Parteien, die im Land keinen Platz haben dürfe.

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